Spanien hat es erneut geschafft. Die Mannschaft von Vicente del Bosque holt mit einem 4:0-Sieg über Italien den Titel-Hattrick – es ist der zweite... Spanien schafft den Titel-Hattrick – überzeugendes 4:0 über Italien im EM-Finale!

Spanien hat es erneut geschafft. Die Mannschaft von Vicente del Bosque holt mit einem 4:0-Sieg über Italien den Titel-Hattrick – es ist der zweite Titel unter Del Bosque, nachdem man 2008 in Wien unter Aragones siegen konnte. Ein Team, das nicht mehr jedem Fußballfan „taugt“ krönt sich damit zum wohl dauerhaft homogensten und erfolgreichsten Team der europäischen Fußballgeschichte.

Ein Spiel, aufgebaut auf den eigenen Ballbesitz und mit dem Ziel, den Gegner mit seiner eigenen Ballsicherheit mürbe zu machen. Was Spanien vor allem in der Vorrunde präsentierte, stieß so manchem Fußballfan sauer auf. Das häufig sehr indirekte Spiel war für viele Fans bereits nervig. Doch was die „Furia Roja“ im Finale gegen Italien auf den Rasen zauberte, entschädigte auch diejenigen, die mit dem manchmal lähmenden Ballgeschiebe der enorm sicheren Spanier nichts mehr anfangen konnten.

Enorm starke und flexible spanische Defensivspieler

Die Basis für die Erfolge der Spanier ist nach dem Turnier offensichtlich: Das Team kassierte im gesamten Turnierverlauf nur einen Treffer, den der 34-jährige Antonio di Natale gleich im ersten Turnier-Spiel für Italien beisteuerte. Danach wackelte die spanische Abwehr zwar gelegentlich, ein weiteres Gegentor musste man jedoch nicht hinnehmen. Im Finale taten sich dabei die großen Protagonisten einer zweikampfstarken und cleveren spanischen Abwehr hervor: Sergio Ramos spielte erneut hervorragend, Jordi Alba glänzte mit seinem Treffer zum 2:0 und Iker Casillas ließ einmal mehr nichts durch.

Jordi Alba als die Entdeckung des Turniers

Vor allem Jordi Alba zeigte eine denkwürdige Leistung, die Fans des FC Barcelona, für den der 23-jährige Katalane ab nächster Saison (wieder) spielen wird, entzückt haben dürfte. Mit 100 Ballkontakten hatte der Torschütze zum 2:0 nur einen weniger als der überragende Spieler dieses Finales, Xavi. Auch 92% Passgenauigkeit sprechen eine deutliche Sprache zugunsten des Außenverteidigers. Seine gegenüber gestellten Spieler, Marchisio und Abate  waren praktisch nicht vorhanden, weil Jordi Alba seinen Schwerpunkt so hoch wählte, dass sich seine Gegner kaum entfalten konnten.

Spanien direkt und gefällig

Spanien baute anders als gegen Portugal relativ schnell das typische Kurzpassspiel auf und wurde durch einen Supertreffer von David Silva nach nur 14 Minuten belohnt. Mit der Führung im Rücken spielte es sich leichter – und gegen Italiener, die mit zwei eher statischen Spitzen spielten und nun im Mittelfeld aufmachen mussten, spielten die Roten ihre Vorzüge problemlos aus. Wie so oft befreiten sich die Spanier aus schwierigen Situationen, indem sie den Ball flach hielten, zirkulieren ließen und damit Räume schafften. Anders als etwa gegen die Kroaten schaffte es Spanien mit dieser Art zu spielen wesentlich zielorientierter zu agieren. Vom fast schon zu dreidimensionalen Ballgeschiebe war nur wenig zu sehen – Spanien griff an und wusste so zu gefallen.

Spanien technisch viel weiter als Italien

Man hatte von Anfang an den Eindruck, dass die Spanier in diesem Finale ein Feuerwerk zünden wollten. Man wollte Italien nicht nur beherrschen und im Kreis laufen lassen, sondern mit allen zur Verfügung stehenden, spielerischen Mitteln besiegen – und das auch noch überzeugend! Die Art und Weise wie Spanien in der Offensive mit wenigen Pässen Räume schaffte und den jeweils defensiv-passiven Flügel der Italiener schnell zu ihrem eigenen offensiv-aktiven machte, bewies, welch große spielerische und technische Vorteile diese spanische Elf gegenüber der italienischen hatte.

Erster Europameister mit „4-6-0“

Spanien ist zudem der erste Europameister, der diesen Titel ohne echten Stürmer gewinnen konnte. In den meisten Spielen war Cesc Fabregas als „falscher Neuner“ aufgelaufen – mit Fernando Torres wurde ein „Ersatzstürmer“ ganz nebenbei Torschützenkönig der Europameisterschaft. Doch Spanien braucht aufgrund der großen Flexibilität und Explosivität seiner Mittelfeld- und Flügelspieler keine Türme im gegnerischen Strafraum. Die Zauberphrase lautet „Bewegung ohne Ball“. Demnach, dass auch im Finale sämtliche spanische Offensivspiel dauerhaft in Bewegung waren – und die Italiener diesen auch noch Räume eröffneten – reichte Spanien diesmal sogar eine etwa ausgeglichene Ballbesitzstatistik, um das Spiel mit einem glatten und humorlosen 4:0 für sich zu entscheiden.

Xavi krönt sich zum König des spanischen Fußballs

Der überragende Mann am Platz war mit Xavi einer der besten Spieler der Europameisterschaft und Fußballwelt. Der Routinier spielte 86 Pässe bei 101 Ballkontakten, welche wiederum zu 93% beim Mitspieler landeten. Desweiteren leitete er fünf Torchancen der Spanier ein, bereitete zwei Treffer vor und bewies mit 6 von 7 idealen langen Bällen, dass er nicht nur für „Tiqui-taca“ zu gebrauchen ist. Seine dominante Leistung in diesem EM-Finale ist nicht der einzige Grund, warum man sich in Spanien noch viele Jahrzehnte an Xavi Hernández i Creus erinnern wird. Der in Terrassa geborene Mittelfeldspieler gilt schon jetzt als der vermutlich spielintelligenteste und technisch sicherste Spieler, den Spanien jemals hatte.

Für Italien lief alles schief…

Für Italien wiederum war das Spiel eines zum Vergessen. Es gab kaum ein Team in der Geschichte von EM- oder WM-Finalspielen, denen ein Spielverlauf einen dermaßen dicken Strich durch die Rechnung machte. Das Motto war wie schon in den Spielen davor „Angriff ist die beste Verteidigung“, doch da das Mittelfeld gegen die ballsicheren Spanier völlig überfordert war, gab es auch für die Angreifer Balotelli und Cassano kaum Chancen sich zu entfalten. Nach der Verletzung von Thiago Motta, nach der Italien zu zehnt weiterspielen musste, war im Grunde alles gelaufen.

Zwei ordnende Kräfte sind zu wenig

Einzig Pirlo und Montolivo versuchten das Spiel ein wenig zu ordnen, doch nachdem ihre Nebenspieler am Flügel und auch die Außenverteidiger einen rabenschwarzen Tag erwischten, war auch das Selbstvertrauen der letzten Woche schnell wie weggefegt. Der an diesem Tag wohl beste Mann der Squadra Azzurra, Andrea Barzagli, war Protagonist einer sinnbildlichen Situation für das Spiel der Italiener. Gegen Ende der zweiten Halbzeit musste er den durchbrechenden Andres Iniesta foulen und sah dafür die gelbe Karte. Zuvor wurde er von seinen Mitspielern auf der rechten Seite allein gelassen – gegen den flinken Iniesta hatte aber selbst der routinierte Barzagli ohne Foul nicht den Funken einer Chance.

Italien gut, aber doch weit vom Turniersieg entfernt

Unterm Strich steht eine ambitionierte italienische Mannschaft, die ein gutes Turnier spielte, aber im Finale verdient gegen den Kapazunder des internationalen Fußballs den Kürzeren zog. Man hatte im Turnierverlauf stets den Eindruck, dass Spieler wie Pirlo, Buffon oder De Rossi den Unterschied für Italien ausmachen können – doch gegen eine homogene, sich blind verstehende Truppe, die noch dazu über solch viele Weltklasseakteure wie Spanien verfügt, reichten auch die durchwegs guten Schlüsselspieler nicht. Spanien ist hiermit nach 1964 und 2008 zum dritten Mal Europameister und seit Italien 2006 das einzige Team, welches bei welt- und europaweiten Großereignissen den Pokal in den Nachthimmel stemmen durfte – und das völlig zu Recht!

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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