Nach dem 1:1-Unentschieden des regierenden Welt- und Europameisters gegen Italien hat die „Furia Roja“ einen Schuldigen gefunden: Den Rasen. Dieser sei „so trocken gewesen,... Euro-kritisch (2) – Ablenkungsmanöver und langsamer Rasen

Nach dem 1:1-Unentschieden des regierenden Welt- und Europameisters gegen Italien hat die „Furia Roja“ einen Schuldigen gefunden: Den Rasen. Dieser sei „so trocken gewesen, dass er Fans und Spieler keinen Gefallen“ tat, so Spaniens Teamchef Vicente Del Bosque. Sind die Spanier wirklich so blöd, oder tun sie nur so?

Verschiedene Beläge

Natürlich nimmt der Rasen Einfluss auf das Spiel. Im Santiago Bernabeu zu Madrid ließ Jose Mourinho extra die Grashalme länger gedeihen, damit der katalanische Erzrivale FC Barcelona sein gewohntes Kurzpassspiel auf ungewohnt langsamen Terrain nicht so perfekt ausspielen kann. Witzig war die Lage in Österreich, denn da beschwerten sich die Kicker jahrelang, dass Red Bull Salzburg durch den schnellen Kunstrasen viel schneller spielen könnte. Durch das Befeuchten des Rasens wird dieser dann noch flinker, allerdings müssen laut Bestimmungen beide Teams dem zustimmen. Wenig verwunderlich war, dass die Italiener sich gegen eine feuchte Beschleunigung des Terrains aussprachen. Aber Regeln sind Regeln. Die Spanier überlegten sogar einen offiziellen Protest einzureichen. Ihnen sei gesagt, dass es bei einem Freiluftsport durchaus auch regnen könnte, was zu einem tiefen Rasen und damit verbundenem sehr langsamen Untergrund führen kann.

Im Krieg und in der Liebe

Natürlich schöpften die Italiener die Möglichkeit aus, dem iberischen „Tiqui-taca“ nicht nur einen Abwehrriegel, sondern noch einen weiteren vorzuschieben, aus. Somit ist, dem Sprichwort Wort „Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt“ eben das möglich und zulässig. Immerhin hatten die Spanier nicht nur 90 Minuten, sondern auch eine Vielzahl an Chancen, um Cesare Prandellis Elf weitere Tore einzuschenken. Dieser riskierte mit einer Dreierabwehr, Daniele De Rossi in der Verteidigung und bekam mit etwas Spielglück auch Recht. Immerhin verzichtete auch der Gegner über weite Strecken auf einen echten Mittelstürmer, was sich eben nicht bezahlt machte.

Immer sind die anderen Schuld…

Wenn ein Spiel nicht den gewünschten Ausgang nimmt, dann finden sich oft Spieler, Trainer und Manager, die irgendetwas oder irgendjemanden die Schuld geben. „Ich schaue und finde nichts, was wir falsch gemacht haben“, meinte Barcelona-Trainer Pep Guardiola nach dem bitteren Aus gegen Chelsea im Champions-League-Halbfinale 2012. Dass man mehr als 50 Minuten lang einer mehr war und Superstar Messi einen Elfmeter vergeben hatte, schien dem Coach noch nicht aufgefallen zu sein. „Eine Fehlentscheidung ist eine Fehlentscheidung. Das war spielentscheidend“, gab Ex-Austria-Wien-Trainer Ivica Vastic nach einem blamablen 0:1 in der 31. Runde in Kapfenberg zu Protokoll. In den 91 Minuten vor dem Treffer hätte man aber möglicherweise schon auch selber ein Tor schießen können. Vor der eigenen Türe zu kehren, machen die wenigsten Mannschaften. Aber warum?

Mangelnde Fehleranalyse?

Das skurrile an der Geschichte ist, dass nicht nur Del Bosque, der auch sagen hätte können, dass sein Team an dem Tag zu wenig zielgerichtet agiert hatte oder anmerken hätte können, dass das Spiel ohne Stürmer doch nicht so intelligent war, sondern auch Spieler diesen Nonsens von sich geben. „Das war eine Schande. Es war zu trocken. Man muss einen Platz gießen, um guten Fußball zu sehen“, sagte beispielsweise Xavi. Anscheinend soll von der eigenen Leistung und etwaigen Fehlern etwas abgelenkt werden, was zumeist eine gute Idee sein kann.

Gute Idee, um abzulenken

Im Fußball geht es nun einmal darum, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Und so wie die Italiener vor dem Spiel durch trockenen Belag dem Kurzpassspiel des Gegners entgegenwirken wollten, so nehmen Trainer und Führungsspieler nun Druck von der Mannschaft. Indem sich Medien und Beobachter nun allerorts über die komischen Äußerungen zum Boden lustig machen, kann Del Bosque ruhiger arbeiten. Selbst wenn das mit dem Rasen stimmen mag, so lenkt es doch von der Leistung ab. Gleiches „Glück“ hatte Joachim Löw mit der Nacht von Jerome Boateng und Modell Gina-Lisa Lohfink. Es wurde im Vorfeld im Boulevard fast mehr über diese Begebenheit berichtet, als über das wichtige und gleichsam schwierige Spiel gegen Portugal. Wäre das Duell Boateng gegen Cristiano Ronaldo schief gegangen, hätte es auch für danach eine Ausrede gegeben, über die geschrieben worden wäre.

Medienprofis

Spieler, Trainer und Manager sind mittlerweile viel zu sehr auch Medienprofis, um nicht alle Register zu ziehen. Und da können boulevardeske Techtelmechtel oder lange Grashalme schon einmal sehr hilfreich sein, um Druck und Aufmerksamkeit von der Mannschaft zu nehmen. Eine schlechte Leistung Boatengs hing wohl nicht von der Nacht mit dem Nacktmodell ab, genauso wie die Spanier schon wissen werden, dass man auch auf langen Grashalmen ein Tor mehr als der Gegner schießen kann.

Georg Sander, abseits.at

Georg Sander

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