Das Spiel zwischen Schweden und England wird sicherlich als eines der unterhaltsamsten in die Geschichte dieser Europameisterschaft eingehen. Zwar fielen die Tore nicht nach... England kickt Schweden raus! 3:2 in einem ziemlich „britischen“ Duell

Das Spiel zwischen Schweden und England wird sicherlich als eines der unterhaltsamsten in die Geschichte dieser Europameisterschaft eingehen. Zwar fielen die Tore nicht nach schönen Aktionen und Spielzügen, doch alleine wegen den Führungswechseln und der schieren Anzahl an Treffern war es eine sehenswerte Partie. Nachdem die Engländer in der ersten Halbzeit in Führung gingen, spielten sie bis zum Ausgleich etwas passiver und später mussten sie sogar den Rückstand hinnehmen, als die Schweden ein zweites Mal nach einem ruhenden Ball trafen. Doch nur kurze Zeit später – einmal mehr nach einer Standardsituation – erzielte Walcott ein schönes Tor, welches vom 3:2-Treffer Welbecks noch übertroffen wurde. Der junge Stürmer von Manchester United besorgte mit der Hacke den Sieg.

Hodgsons 4-4-2 – alt trifft neu!

Wie bereits in den Teaminfos angekündigt vertraut Roy Hodgson heute wie auch vor über dreißig Jahren auf ein Sturmduo mit zwei Viererketten dahinter. In diesem geht es jedoch nicht um eine rein tiefe Staffelung, sondern um Kompaktheit und Mittelfeldpressing mit zwei Anspielstationen davor. Allerdings spielten die Schweden ähnlich, was zu einer Pattstellung führte. Beiden Mannschaften fehlte der Verbindungsspieler zwischen Mittelfeld und Angriff. England vermisste Rooney, während Ibrahimovic von seinen Mitspielern isoliert wurde und teilweise zu starr in seiner Spielweise schien. Dadurch kam es auch, dass drei der Tore nach einem ruhenden Ball fielen und ein weiteres durch eine Halbfeldflanke vorbereitet wurde.

Somit spielten die Engländer ein sehr klassisches und britisch anmutendes System: lange Bälle, oftmals ohne Kreativität, ein konservativer Zweiersturm und dynamische Spieler auf den Flügeln. Aber es gab auch einige moderne Dinge zu sehen, die Hodgson in seine Mannschaft implementiert hatte. Beispielsweise die Asymmetrie auf den Seiten. Milner orientiert sich als defensiver Flügel in manchen Aktionen eher nach hinten und konnte das Spiel in die Breite ziehen, sein Pendant Young agierte etwas freier und facettenreicher. Diagonale und inverse Läufe standen an der Tagesordnung wie riskante Ausflüge auf zentralere Positionen. Diese konnten aufgrund des mangelnden Offensivspielflusses nur gelegentlich beobachtet werden, aber waren eine Maßnahme zur Ausfüllung des zentralen Loches.

Im Mittelfeld gab es eine weitere Asymmetrie mit Gerrard und Parker. Letzterer ließ sich etwas nach hinten fallen und daraus entstand eine klassische Position als alleiniger Sechser. Davor orientierte sich Kapitän Gerrard ungemein horizontal, verschob entlang der Spielfeldbreite zum Ball und gab Kommandos zum kollektiven Pressen der gegnerischen Mannschaften. Offensiv sollte er sich in Angriffe einschalten und versuchen mit seiner Dynamik und Erfahrung Löcher zu schließen, während ihn Mittelfeldkollege Parker absicherte.

Schweden – trotz Ibrakadabra ohne Zauber

Über den gesamten Spielverlauf betrachtet waren die Skandinavier die tiefere Mannschaft. Sie wurden einfach zurückgedrängt, indem sie weite Bälle auf die Außenverteidiger schlugen oder die Mitte überluden und mit Halbfeldflanken Tiefe ins Spiel brachten. Die Schweden hatten Angst davor, dass eine Abseitsfallen nicht aufging und wurden dadurch sehr einfach durch diese Spielweise der Engländer zurückgedrängt. Somit konzentrierten sie sich nicht auf eine Balleroberung im Mittelfeld, sondern – wie es lange Zeit wirkte – auf präventive Schadensbegrenzung. Sie organisierten sich tief und wollten dadurch auf simple Art und Weise kompakt werden können. In gewisser Weise ging dies sogar auf, da die Engländer kaum nach vorne gehen konnten, wegen der Kontergefahr bei zu hohem Aufrücken. Dies war ein Mitgrund für die mangelnde Kreativität des Favoriten, aber die Schweden zeigten sich in der Abwehr individuell zu schwach.

Beim ersten Treffer haperte es an der Zuordnung, Carroll konnte sich befreien und eine Halbfeldflanke verwerten. Akute Gefahr war dabei nicht ausgegangen, dennoch konnten die vielen Schwächen in der schwedischen Ausrichtung beobachtet werden. Wie in der Grafik zu sehen, wurde auf Gerrard kein Druck ausgeübt, der Zeit hatte, seine Flanke zu platzieren. Carroll bewegte sich gut und ging ins Loch, die Innenverteidiger spielten zu tief und gleichzeitig passiv: eine fatale Kombination. Die gesamte Mannschaft stand sehr eng beieinander und mit extremer Ballorientierung wollten sie die Passwege verengen. Elf Mann positionierten sich ungemein ausgerückt und versuchten zumindest zu zehnt hinter dem Ball zu sein. Die Engländer hatten somit keine Lücken vor sich, konzentrierten

Englands Pressing – phasenweise passabel; und mit Potenzial zu mehr?

Wenn die Briten aggressiver in ihrem Mittelfeldpressing wurden, zeigten sie hervorragende Ansätze für die Zukunft. Die Flügelspieler Young und Milner können bei Bedarf zwischen ihrer üblichen Position und einer höheren Orientierung umschalten, was die Formation wie ein 4-2-4 wirken lässt – siehe Grafik. Die Viererkette wird eng, die Mittelfeldreihe steht im Zentrum dicht vor der Abwehr, während die vier anderen Spieler ebenso kompakt agieren. Man kann durch die Ballorientierung den gegnerischen Spielfluss ausschalten und ab der Mittellinie mit einem dichten Defensivblock spielen.

Mit Welbeck und in einem weiteren Turnierverlauf Rooney besitzt man Spieler als zweitem Spieler im Angriff, der hervorragend pressen kann. Mit der Ausdauer Rooneys kann er bei Bedarf auch ein 4-5-1 entstehen lassen und sich ins Mittelfeld fallen. Dank seiner Passstärke würde auch das Umschaltspiel nach diesen Eroberungen verbessert werden und die Hodgson-Elf hätte verschiedenste taktische Optionen im Angriffsspiel.

Einerseits könnten sie einen der Flügelspieler zocken lassen. Dieser würde nicht mitverschieben, sondern sich bewusst anders positionieren, um bei Balleroberungen sofort einen Gegenangriff starten zu können. Andererseits könnte Carroll vorne im Sturm bleiben und weite Bälle von Rooney und Co. behaupten könne. Dank der Dynamik von Gerrard, Rooney und den Flügelspielern wären überfallsartige Spielzüge in die Spitze möglich. Carroll würde hier nicht mehr als reiner Endverwerter dienen, sondern seine Robustheit nutzen, um mit Ablagen und Läufen in die Tiefe für seine Mitspieler Räume zu schaffen.

Ausblick in die Zukunft – und die Vergangenheit?

Eine Partie mit zwei unterschiedlichen 4-4-2-Formationen, mit gelegentlichen Angriffsabläufen des Kick and Rush sowie recht klassischen Positionsverteilungen: wahrlich kein Genuss für den Analysten. Ob in Zukunft die Briten mit ihrem hochwertigen Spielermaterial so spielen werden, ist dennoch eine Glaubensfrage. Seit fast fünfzig Jahren schwören sie in der Nationalmannschaft auf diese Einteilung und nur unter Protest konnten sie sich für kurze Zeit davon verabschieden. Spätestens nach McClarens Scheitern, der hin und wieder mit anderen System experimentierte, schien dem Erfolg des 4-4-2 keine Konkurrenz entgegenzustehen. Aber seitdem setzte sich das 4-2-3-1 in all seinen Facetten und seiner Flexibilität auf internationaler Ebene durch – und mit Wilshere und Co. kommen die jungen Spieler nach, welche dank ihrer fußballerischen Ausbildung und zahlreichen Fähigkeiten auf höchstem Niveau die limitierten Spielertypen der letzten Jahre ablösen. Auch wenn Hodgson bei dieser Europameisterschaft Erfolg haben sollte, so muss ein Umbruch erfolgen – im Notfall auch ohne den Fußballlehrer und Prediger des britischen Pragmatismus.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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