David gegen Goliath – der Stoff, aus dem der Fußball ist. Die Tschechen konnten an die guten Leistungen in den letzten beiden Gruppenspielen nicht... Geduldige Portugiesen werfen defensive Tschechen aus dem Turnier

David gegen Goliath – der Stoff, aus dem der Fußball ist. Die Tschechen konnten an die guten Leistungen in den letzten beiden Gruppenspielen nicht anknüpfen, die spielerische portugiesische Übermacht setzte sich dank eines späten Tores von Cristiano Ronaldo in der 79. Minute durch.

Die Rollenverteilung war klar: Der Underdog aus Zentraleuropa gegen die physisch starken und ballverliebten Iberer. Die tschechischen Stärken kamen aber nicht wirklich zum Zug, abgesehen von Petr Cech, während Portugal nicht nur Willen zeigte (das tun sie fast immer), sondern auch Geduld (keine der portugiesischen Tugenden).

Bento bleibt sich treu

Paulo Bento hatte im Grunde genommen keinen Grund, sein Team gegenüber dem 2:1 im letzten Gruppenspiel über die Niederlande zu verändern. Und so ließ er seine Mannschaft in derselben Formation auflaufen, von der Ausrichtung her aber sicherlich noch offensiver als gegen Robben und Co. Das empfahl sich natürlich, da die tschechische Republik nicht über dieselbe Qualität der Einzelspieler verfügte. Die Herausforderung war es, gegen einen defensiv erwarteten Gegner dennoch die richtige Gewichtung zwischen Chancen-Erarbeitung und Absicherung zu finden.

Ohne Rosicky

Bereits in der zweiten Halbzeit gegen Griechenland konnte festgestellt werden, dass Tschechien ohne die genialen Momente des 31-jährigen Spielmachers Tomas Rosicky wesentlich unkreativer agierte, als mit. Gegen die polnische Defensive am letzten Spieltag hatte Daniel Kolář, kreativer Kopf bei Viktoria Pilsen, mit einfachen Pässen für Gefahr gesorgt, diesmal sollte es der erst 22 Jahre alte Vladimir Darida, ebenfalls bei Pilsen unter Vertrag, richten. Der sehr große Unterschied war später ersichtlich: Darida agiert im Verein und dann auch am Spielfeld gestern Abend defensiver als Kolář.

Tschechische Spielanlage

Michal Bilek wählte also eine sehr defensive Spielanlage, um über Konter zum Erfolg zu kommen. Darüber vergaß er aber die Offensive, denn am Ende standen exakt null Torschüsse aufs Tor und lediglich zwei Schüsse in die Richtung des Kastens Rui Patricios zu Buche. Zwei gefährliche Aktionen in der Anfangsphase waren mehr oder weniger alles, was zu Stande kam. In der zweiten Minuten fehlte der letzte Pass im Strafraum, als Václav Pilař in der 22. Minute einen Flankenball von Milan Baroš verpasste, fehlte die Genauigkeit. Neben der grundsätzlichen defensiven Ausrichtung hatte die mangelnde Offensivarbeit noch mehrere Gründe. Theodor Gebre Selassie, der in der Gruppenphase oft bis zur gegnerischen Grundlinie vorstieß, wurde auf seiner rechten Abwehrseite von Cristiano Ronaldo gut beschäftig, verfolgte diesen auch des Öfteren, wenn dieser sich zurückfallen ließ oder in die Mitte zog. Darüber hinaus musste das Mittelfeld auf den Flanken gegen Ronaldo und Nani oftmals aufdoppeln und –trippeln. Dadurch waren schnelle Gegenstöße nur sehr schwer durchzuziehen, da auch die Offensivspieler viel nach hinten arbeiten mussten.

Cristianos Rolle und das Nichtausnutzen seiner Verweigerung von defensiver Arbeit

Der portugiesische Superstar zeigte sich extrem spielfreudig, war viel unterwegs und fand einige tolle Chancen vor. Nachdem das Offensivspiel durch die gut gestaffelte tschechische Defensive zu Beginn des Spiels noch unterbunden wurde und Ronaldo bei seinen Gegnern gut aufgehoben war, tauchte er in der 24. Minute erstmals vor Petr Cechs Kasten auf. Nach einem Doppelpass in der Mitte prüfte er den Chelsea-Schlussmann, allerdings hatte Howard Webb zuvor schon auf Stürmerfoul entschieden. In der 32. Minute pfiff Webb Abseits, als Ronaldo es nach einem Corner mit einem Fallrückzieher versuchen wollte. Die Entscheidung stellte sich als falsch heraus. In dieser Phase hätten die Tschechen die Räume, die der Real-Spieler hinter sich aufriss, durchaus nutzen können. Es fehlte aber der Mut, wirklich mit zwei, drei Spielern nach vorne zu gehen und Jiráček und Gebre Selassie hatten wohl auch nicht ihren besten Tag, trafen bei den wenigen Möglichkeiten immer die falsche Entscheidung.

Petr Cech als Garant, Baros überm Zenit

Mit einem Klassetormann wie Petr Cech verteidigt es sich im Grunde genommen noch einfacher, da er sowieso da ist, wenn einmal einer durchkommt. In der ersten Halbzeit half ihm in der 45. Minute die Stange, in der zweiten klatschte das Spielgerät, beide Male von Ronaldo geschossen, bei einem Freistoß in der 50. Minute ebenfalls an den Pfosten. Insgesamt fünf Mal musste Cech entscheidend eingreifen, 20 Schüsse flogen in die Richtung seines Tores. Vor allem in der zweiten Halbzeit hatte er viel zu tun, da die Konzentration in der Abwehrarbeit durch das Zustellen der Räume und dem den-Ball-Nachlaufen litt. Das lag vor allem daran, dass die wenigen Konterchancen so schlecht genützt wurden. Konnte die Schwäche der rechten Offensivseite noch durch die ständige Beschäftigung in der Defensive erklärt werden, so fiel wieder einmal auf, dass mit Milan Baroš kein Konterspiel mehr zu machen ist. Der Türkei-Legionär konnte die Bälle nicht zur Entlastung halten, ein Nachrücken von ein, zwei Männern zur Unterstützung war so gut wie unmöglich. Die Einwechslung Tomáš Pekharts statt dem Sechser Hübschman zur Unterstützung kam in Minute 86 viel zu spät.

Gezwungene Brechstange durch Almeida

Die 57 Prozent Ballbesitz der Portugiesen halfen vordergründig viel, das Gehäuse und Cech verhinderten aber lange Zeit den entscheidenden Treffer. Bereits in der 40. Minute musste Bento wechseln, Helder Postiga hatte sich ohne Fremdeinwirkung verletzt, für ihn kam Ex-Bremen-Spieler Hugo Almeida. Spätestens in der Pause hätte der Coach aber ohnehin wechseln müssen, Postiga war bei Sivok und Kadlec ohnehin gut aufgehoben, konnte seine technischen Stärken nicht ausspielen. Der bullige Almeida schien da ohnehin die bessere Option zu sein, immerhin öffnete er Nani und Ronaldo noch mehr Räume, da die Innenverteidigung nun mehr auf ihn fokussiert war. Meireles kam zu einem Schuss, der abgeblockt wurde (57.), Almeida selbst köpfelte ein Abseitstor (58.) und Ronaldo verpasste auch eine gute Einschussmöglichkeit innerhalb des Strafraums (68.)

Geduld macht sich bezahlt

Die Portugiesen kamen dem Tor immer näher, trafen aber zunächst noch nicht gegen die in der zweiten Halbzeit noch tiefer stehenden Gegner. Salopp formuliert: Nun wissen Pepe, Coentrao und Ronaldo genau, wie sich Barcelona in einigen Classicos gefühlt haben muss! Die Hoffnung auf Verlängerung wurde auf Seiten der Tschechen aber in der 79. Minute zunichte gemacht. Moutinho setzte sich auf der rechten Seite durch und brachte die Flanke vors Tor. Die Innenverteidigung konzentrierte sich auf Hugo Almeida, Cristiano Ronaldo kam aus dem Rückraum, hechtete in die Flanke und Petr Cech war spät, aber doch bezwungen. In einem Spiel, in dem wohl viele Mannschaften Mitte der zweiten Halbzeit die Geduld verloren hatten und unwirsch vorgeprescht wären, behielten die Portugiesen die Nerven und machten das entscheidende und verdiente Siegtor.

Tschechien: Nicht trauen, nicht gewinnen

Klar schmerzte der Ausfall Rosickys, aber dennoch hätte ein mutigeres Auftreten ein besseres Spiel bedingt. Wie Bilic den Kroaten gegen Spanien, die sich lieber hinten einigelten, als auf ihre offensiven Stärken zu bauen, verordnete Bilek seinem Team hauptsächlich Defensivarbeit. Eine nach hinten orientierte Spielanlage ist gegen Ronaldo, Nani und Moutinho an sich legitim, aber wenn die schnellen Spieler für die Konter fehlen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Spielgerät im eigenen Tor landet. Darüber hinaus fehlte die berühmte „Dreckssau“, denn einzig Limbersky holte sich in der 90. Minute eine gelbe Karte ab. Tschechien traute sich nicht, wollte das Glück bemühen. Dieses belohnt aber gemeinhin den Tüchtigen – und das war an diesem Abend Portugal.

Portugal: Geduldig und dadurch Titel-reif

Gegen Deutschland fehlte das Glück zum Sieg, danach zeigten die Portugiesen geduldige Partien. Nani und Veloso, die in der 26. und 27. Minute Gelb sahen, machten dazu gegen Tschechien früh klar, wer der Herr im Hause sein wollte. Man ließ sich nicht vom Gegner einlullen, hielt die Konzentration in der Defensive über 90 Minuten hoch und auch Cech konnte Bentos Team nicht entnerven. Cristiano Ronaldo spielt sich mehr und mehr in Form und mit dem geduldigen Spiel ist auch gegen Spanien oder Frankreich viel drinnen. Überhaupt präsentiert sich Portugal bis jetzt als sehr kompakt und im Durchschnitt auch konstantesten – die Tugenden, die einen Meister ausmachen!

Im Kopf

Der Wille war auf der Seite der Portugiesen erkennbar, die Tschechen wollten oder konnten einfach nicht. In einem Viertelfinale wird die Taktik sekundär, da die Leistungsdichte extrem hoch ist, da entscheiden Kleinigkeiten – Wie in dem Fall Ronaldos Wille, einen Titel mit dem Nationalteam zu holen. Damit hätte er seinem Widerpart Lionel Messi einen internationalen Titel bei einer Kontinental- oder Weltmeisterschaft voraus…

Georg Sander, abseits.at

Georg Sander

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