Die Fußballgeschichtsschreibung in Österreich ist sich sicher: Gustl Starek ist ein Wiederholungstäter. Der gebürtige Simmeringer und Krankl-Intimfeind war für seine emotionalen Vulkanausbrüche als Spieler... Anekdote zum Sonntag (18) – Der „Hosen-Gustl“

SK Rapid Wien (Logo, Wappen)Die Fußballgeschichtsschreibung in Österreich ist sich sicher: Gustl Starek ist ein Wiederholungstäter. Der gebürtige Simmeringer und Krankl-Intimfeind war für seine emotionalen Vulkanausbrüche als Spieler und Trainer bekannt. Wenn Gustl schäumte, war er nicht mehr zu halten. Das mussten auch seine Hosen erfahren: Starek zog ganze zweimal blank und zeigte, wie Kritiker bemerkten sein „wahres Gesicht“, auf welchem er sonst zu sitzen pflegte. Richtig gelesen: Gustl präsentierte Fans und Medien zweimal sein nacktes Hinterteil. Ein Kind von Traurigkeit war er freilich nie. Auch ein Schiedsrichter beim Wiener Stadthallenturnier soll seine Wut einmal in Form einer Tätlichkeit zu spüren bekommen haben – getreu Starkes Motto: „Wanns net kicken könnts, dann hauts wenigstens eine!“ Er konnte kicken, hervorragend sogar, nur wusste er auch schon damals: „Niemand war verrückter als ich!“

Verrückt ist auch die Ankunft des Wieners auf dieser Welt: Der Krieg ist fast verloren, die Russen stehen kurz vor Wien, es herrscht Chaos. Während eines Bombenangriffes erblickt August Starek am 16. Februar 1945 in der Schneidergasse in Wien 11 das Licht der Welt. Er ist nicht der erste Nationalspieler der im „Pariser Viertel“ im Arbeiterbezirk Simmering geboren wird: Peter Pumm, die Wagner-Brüder, Walter Haummer und Leopold Neumer kommen ebenfalls aus dieser Ecke von Wien. Mit Pumm stemmt der „schwarze Gustl“ später sogar bei den Bayern Schale und Pokal in die Höhe. Zunächst kicken sie jedoch beide auf der Gasse. Sein erstes Vereinsengagement führt Gustl dann auf die Simmeringer „Had“, wo heute ein Stück der Süd-Ost-Tangente verlegt ist. Bis 1970 verläuft Stareks Weg so steil wie die Kitzbühler Streif – nur umgekehrt: Ein Aufstieg des Simmeringer SCs und der darauffolgende Vertrag bei Rapid Wien sind die Vorboten des ganz großen Erfolges: Mit den Hütteldorfern wird der Offensivspieler zunächst nur Vize-Meister und Cupfinalist, holt aber ein Jahr darauf den Teller. Er wechselt trotz Ausländersperre zum 1. FC Nürnberg und wird gleich darauf mit dem Club Deutscher Meister. Jetzt ist er ganz oben: Er unterschreibt bei Bayern München und hat entscheidenden Anteil am Double-Erfolg der Roten – ein Traum aus dem das böse Erwachen folgt: Nach vier Meistertiteln in fünf Jahren und jeder Menge Starek-Toren wacht plötzlich ein 24-Jähriger Profi mit Gips am Fuß auf: Der Wiener spielt mit eingerissenem Kreuzband und beschädigtem Meniskus gegen seinen gesunden Menschenverstand und bekommt prompt die Rechnung dafür serviert: Sein Knie ist kaputt und wird nie mehr so, wie es einmal war. Die bayerische Klubführung sieht nur eine Lösung und schickt den Nationalspieler zurück in seine Heimat: Er soll sich bei seinem grün-weißen Stammverein erholen, dessen Trainer Springer braucht nicht zweimal zu überlegen: Ein Starek ist schließlich immer noch ein Starek. Doch Gustl kann in der Retrospektive sagen: „Ich war nie wieder der Alte.“ So bleibt aus dieser Zeit, die Starek eigentlich die Rückkehr an die Spitze und Rapid jede Menge Offensivpower bescheren sollte, nur der „Hoseneklat“ aus Innsbruck über. Diese Geschichte ist jedoch ein besonderes Gustostückerl. Eine Anekdote über einen Spieler, der ein echter Typ war.

November 1971, Tivoli-Stadion: Der SK Rapid spielt gegen SSW Innsbruck. Schon nach zwei Minuten erlebt das Match eine richtungsweisende Wendung: Der Tiroler Binder nimmt Stürmer Starek in den Schwitzkasten, dieser schlägt sich sofort frei. Ein echtes „Häferl“ ist Starek so und so. Außerdem hat er in Simmering neben dem notwendigen Fußball-Knowhow gelernt, dass nur der Stärkere weiterkommt. Das wurde dem späteren Deutschland-Legionär schon in frühester Kindheit eingebläut.

Schiedsrichter Drabek will beide ausschließen, entscheidet sich dann aber doch nur für den Rapidler. Gustl ist fuchsteufelswild, läuft nicht unter die Dusche, sondern setzt sich direkt auf die Ersatzbank. Hinter ihm tobt das Innsbrucker Publikum, denn die Tiroler führen die Wiener auf dem Platz vor: 5:0 für Innsbruck wird es am Ende heißen. Starek immer noch nahe an den 180, hat von den Schmähgesängen genug. Er lockert seinen Hosengummi und trommelt zart auf der einen Hälfte seines Apfelhinterns herum. Eine eindeutige Geste! Die Tiroler Fans werden daraufhin nur noch narrischer. Gustl lacht sich ins Fäustchen und wiederholt die Prozedur. Zwei Polizisten eskortieren den Aufmüpfigen schließlich in die Kabine. Doch selbst beim Abgang muss sich Starek noch produzieren und deutet höhnische Gesten an. Ausgerechnet die anwesende Skilegende Karl Schranz kann ihn beruhigen. In Zeitungsberichten wird aus dem bisschen Fleischbeschau gleich das verkörperte Götz-Zitat und die Bundesliga ist zum Handeln gezwungen: Starek wird zu einer Zehn-Spiele-Sperre verurteilt. Die Strafe für den Semi-Striptease wäre sogar noch höher ausgefallen, wenn Teamchef Stastny nicht zugunsten des Bayern-Leihspielers interveniert hätte. Dennoch bezahlen alle Beteiligten: Rapid, Starek und der FCB. Nach nur achtzehn Spielen und null Toren geht der „schwarze Gustl“ zurück nach Nürnberg um in der Regionalliga Süd zu kicken. 1980 beendet er bei der Vienna eine mehr als beachtliche Laufbahn. Angesprochen auf die „Hosen-runter-Story“ erzählt er viel später einer bayerischen Zeitung: „Das ist ein Märchen! Sagen wir, ich habe die Geste symbolisch angedeutet.“ Richtig, Gustl, das hast du. Nur sag uns, wo hat die Geschichte eigentlich ihre Fortsetzung gefunden?

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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