In dieser Serie soll es um eine beispielhafte Gegneranalyse gehen. Wie sehen Vorbereitungen im professionellen Bereich aus? Welche Aspekte werden geschildert? Diese Fragen sollen... abseits.at scoutet Sturm Graz (3): Das Spiel in Ballbesitz und die Wichtigkeit von Marko Stankovic

Marko StankovicIn dieser Serie soll es um eine beispielhafte Gegneranalyse gehen. Wie sehen Vorbereitungen im professionellen Bereich aus? Welche Aspekte werden geschildert? Diese Fragen sollen beantwortet werden. Neben den vielen statistischen- und Videoanalysen gibt es nämlich auch zuhauf reine Textanalysen im Profibereich, mit denen dem Trainer der gegnerischen Mannschaft durch einen Überblick über die grundsätzliche Struktur des Gegners in den vier Spielphasen und bei Standards ein präziser Überblick gegeben werden soll. Meistens wird dies mit einzelnen Erklärungen, gelegentlichen Bewertungen und Ratschlägen garniert, welche das Trainerteam vom Scout erhält und dann bespricht, sowie ins Training implementiert.

Diese Textanalyse nimmt als Beispiel den SK Sturm Graz. Im dritten Teil geht es um das Spiel in Ballbesitz – also Aufbauspiel, Mittelfeldspiel, Positionsspiel, Angriffsstil und auch besondere Aspekte gruppentaktischer Bewegungen und der dafür verantwortlichen Einzelspieler.

Das Spiel in Ballbesitz

Das Aufbauspiel der Grazer ist relativ simpel und einseitig. Sie mischen lange Bälle direkt vom Abstoßpunkt aus, die dann in Richtung Flügel und Halbräume in kompaktere Situationen gehen um zweite Bälle zu gewinnen, mit simplem Aufbauspiel über die Innenverteidiger. Hierbei werden nur überaus selten und inkonstant einander unterstützende Bewegungen im Positionsspiel genutzt. Ab- oder Herauskippen der Sechser – also das Zurückfallen einer der Sechser nach hinten oder zur Seite zu den Innenverteidigern – wird zum Beispiel nur improvisiert genutzt.

Aus der Grundformation im Aufbauspiel wird das 4-2-3-1 somit zu einem 2-4-3-1, in welchem die Flügelstürmer sich leicht nach innen orientieren, die Innenverteidiger das Spiel entweder lang (besonders unter Druck oder bei guter Staffelung des Gegners) oder mit sehr simplen Pässen aufbauen. Somit gibt es zwei Sechser; meistens sind dies Offenbacher und Hadzic. Prinzipiell fungiert Hadzic als jener Akteur, der im Sechserraum die meisten Bälle fordert und auch erhält. Offenbacher ist ein technisch sehr versierter und intelligenter Spieler, der zwar wegen seiner starken Fähigkeiten in engen Räumen und seinen guten Distanzschüssen mitaufrückt, zumeist ist es aber Hadzic, der über seine stabile Ballzirkulation und über seine Athletik als vertikaler der beiden Sechser spielt.

Meistens bleibt es dadurch bei einer 3-1-Absicherung im eigenen Angriff. Durch den tieferen Außenverteidiger auf der ballfernen Seite sind sie somit vergleichsweise gut nach Ballverlusten abgesichert, haben dann aber offensiv natürlich entweder Probleme durch den Mangel an Breite auf der anderen Seite oder durch die mangelnden Verbindungen in der Mitte. Der ballnahe Außenverteidiger rückt aber meistens mit nach vorne; besonders gefährlich ist hier die linke Seite.

Christian Klem ist einer der besten Linksverteidiger der Liga. Problematisch ist aber die strategische Entscheidungsfindung der Grazer im Offensivspiel. Sie gehen fast immer auf den Flügel und versuchen über die Flügel durchzubrechen. Zu Beginn der Saison wurde dies stärker in einem 4-4-1-1 praktiziert, wo Stankovic auf dem linken Flügel und Beichler spielte. Jetzt ist Stankovic im 4-2-3-1 der Zehner, was aber das Offensivspiel und die positionellen Bewegungen aufgewertet hat. Im 4-4-1-1/4-4-2 hatten sie keine Zentrumspräsenz, extrem flügelorientierte Bewegungen und nutzten Stankovics Potenzial kaum aus.

Auf der Zehn ist Stankovic nun deutlich besser eingebunden; er kann sich situativ etwas zurückfallen lassen und die Sechser unterstützen, er kann in den engen Räumen im Zehnerraum und auch im Sturmzentrum noch sehr gute Pässe spielen oder den Ball behaupten, wodurch sie Verzögerungsmomente generieren, die in ihrem kombinationsorientierten Angriffsspiel wichtig sind.

Das ist das Gefährlichste an ihrem Offensivspiel: Stankovic pendelt zwischen den Flügel hin und her, auf denen wie erwähnt vorrangig die Angriffe aufgebaut werden. Der Gegner verschiebt zum Ball und somit zum Flügel hin, wodurch die Mitte geschlossen ist. Normalerweise könnte man Sturm bei intensivem Verschieben und aggressivem Attackieren des Balles komplett isolieren; wenn es nicht Stankovic gäbe.

Kann man nicht über Klem und den Linksaußen durchbrechen (oder über rechts), dann ist Stankovic meistens zentral auch in engen Situationen anspielbar. In diesen engen Räumen behauptet er den Ball dann sehr gut, wodurch die Außenspieler und der Mittelstürmer sich weiter bewegen können. Stankovic kann den Ball dann auf die ballferne Seite verlagern, wo Räume offen sind oder innerhalb des kompakten Blocks gefährliche Pässe spielen; besonders häufig werden schnelle und aggressive Kombinationen in engen Räumen genutzt.

Grundsätzlich stellen sie also mit den vier Offensivspielern (leicht einrückende Flügelstürmer, entlang des Strafraums pendelnder Mittelstürmer und dem weit ausweichenden Stankovic) hinter dem gegnerischen Mittelfeld lokale Kompaktheiten her, die sie über diagonale Pässe vom Flügel bespielen möchten. Unterstützt werden sie von den Außenverteidigern und dem gelegentlich aufrückenden Hadzic; eine sehr simple Spielweise, welche durch die individuelle Qualität Stankovics und Klems funktioniert und stabil abgesichert ist. Besonders gefährlich ist das Überladen des Strafraums durch die Pässe Stankovics, die diagonalen Läufe des ballnahen Flügelstürmers und das häufig enorm weite Einrücken des ballfernen Flügelstürmers. Djuricin als Mittelstürmer unterstützt dies mit schnellen Ablagen und Sprints in die Schnittstellen der Abwehr.

Mithilfe dieser Kombinationen können sie also sehr gut abgesichert Präsenz, Verbindungen und schnelle Angriffe kreieren, die durch ihre Dynamik und ihre Simplizität im Verbund mit der individuellen Klasse Klems und Stankovics schwer zu verteidigen sind. Besondere Achtung sollte auf das ballferne Einrücken gegeben sein.

Das ballferne Einrücken der Flügelstürmer kommt häufig in sehr guten Momenten in der Endphase der Angriffe vor. Der Flügelstürmer sprintet ruckartig in Richtung Mitte und der nächste Gegenspieler wird durch die zuvor breitere Positionierung weggelockt. In gewisser Weise kreiert sich der Flügelstürmer durch seine vorherige Positionierung den Raum selbst. Außerdem kann der Gegenspieler des Flügelstürmers überrascht werden, weil er sich auf die andere Seite zum Ball hin orientiert. Durch den dynamischen Antritt hat der Flügelstürmer einen Vorsprung und kann in den entscheidenden Momenten früher und mit mehr Geschwindigkeit in den Angriff eingreifen.

Rene Maric

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