Eine grausige Leistung des SK Rapid Wien hatte gestern Nachmittag eine 1:2-Niederlage beim Wolfsberger AC zur Folge. Rapid präsentierte sich ideenlos, wirkte im Kopf... Harter Boden, ein bisschen Angst und vor allem Rotation: Rapids mentales und sportliches Harakiri in Wolfsberg

Zoran Barisic (SK Rapid Wien)Eine grausige Leistung des SK Rapid Wien hatte gestern Nachmittag eine 1:2-Niederlage beim Wolfsberger AC zur Folge. Rapid präsentierte sich ideenlos, wirkte im Kopf müde, hatte mit dem schwierigen Geläuf zu kämpfen und suchte auf dem Platz vergeblich jemanden, der dem Team einen Denkanstoß geben könnte. Aber sind das wirklich Ausreden für eine Niederlage beim bis gestern „sportlichen“ Tabellenletzten?

Zoran Barisic erklärte nach dem Spiel im Sky-Interview, dass in diesem Spiel aufgrund des schwer zu bespielenden Untergrunds vieles dem Zufall überlassen war. Er betonte auch, dass seine Mannschaft das attraktive Spiel der letzten Wochen nicht aufziehen konnte, weil der Boden es nicht zuließ. Ein relativ einfacher Ausweg.

Wolfsberg konsequenter in Taktik und Zweikämpfen

Gar keine Frage: Der Rasen war einer Bundesligapartie nicht würdig und dennoch bespielte auch der Wolfsberger AC denselben Untergrund. Auch Wolfsberg bot gestern keinen Zauberfußball an, entschied das Spiel aber dank einfacher fußballerischer Grundsätze für sich. Die Kärntner sorgten dafür, dass zwischen Außenverteidigern und Flügelspielern eine Bindung bestand, nahmen die Zweikämpfe an und hungerten nach zweiten Bällen.

Keine Bindung und ängstliche Körpersprache

Ganz im Gegensatz dazu präsentierte sich Rapid: Die Außenpaare Schrammel/Burgstaller und Pavelic/Sabitzer fanden über 90 Minuten nie Bindung zueinander. In vielen entscheidenden oder zumindest richtungsweisenden Zweikämpfen im Mittelfeld zog Rapid eher zurück, auch aus Angst vor Verletzungen. Gegen einen knochenharten Gegner wie Wolfsberg ist Angst jedoch in jederlei Hinsicht mentales Harakiri. Rapid machte nicht den Eindruck das Spiel unbedingt gewinnen zu wollen, wollte eher eine lästige Pflichtübung vor dem Europa-League-Showdown in Kiev hinter sich bringen. Einigen Spielern merkte man es an, dass sie über eine Absage im Lavanttal nicht unglücklich gewesen wären.

Wolfsberg bekam mehr Platz als Rapid

Auf den ersten Blick waren außerdem die vielen technischen Fehler Rapids unverständlich. Bei genauerem Hinsehen verdeutlichten sich aber die Gründe dafür. Wolfsberg kam schnell als Block hinter den Ball, machte Rapids Räume eng und zwang eine grün-weiße Mannschaft ohne kreatives Hirn zu Fehlern. Speziell Putsche und de Paula zeigten gutes Stellungsspiel und waren sich für keinen Zweikampf zu schade. Weil Rapid auf der anderen Seite viel zu nachlässig staffelte, fand Wolfsberg größere Räume vor und machte gezwungermaßen weniger Ballfehler auf dem eisigen Boden.

Staffelungsprobleme, wenig Bindung, zu lineare Passoptionen

Rapid konnte keine spielerische Linie finden. Einerseits aufgrund der fehlenden Bindung zwischen den Mannschaftsteilen am Flügel, andererseits aufgrund einer tollkühn gestaffelten Mittelfeldzentrale: Behrendt als Sechser, Petsos als Achter und Aufbauspieler, Schaub als immer wieder abkippender Zehner. Linie statt Dreieck. Bindung mit den Außenpositionen hatten die zentralen Spieler ebenso wenig, weil eben zwischen den Außenspielern keine bestand und die meisten Passoptionen im Spielaufbau zu linear waren.

Rotation, wie sie nicht sein sollte

Das eigentliche Problem Rapids war aber einmal mehr Barisics Rotationwahn, der langsam aber sicher in die falsche Richtung abdriftet. Gestern war dies besonders offensichtlich, weil kein Spieler aus der Startelf im Stande war, das Spiel Rapids zu ordnen. Ein Spieler wie Christopher Trimmel, immerhin Ersatzkapitän und wohl der beste/kompletteste Spieler Rapids in der laufenden Saison, hätte in Wolfsberg schon alleine kämpferisch einen Unterschied ausmachen können. Wenn jedoch ein solcher Spieler wegen einer Sperre ausfällt und man zusätzlich mit Hofmann und Boskovic zwei umsichtige Akteure, die die vielen jungen Mitspieler leiten können, über 90 Minuten auf der Bank lässt, dann ist das nicht nur mentales, sondern auch sportliches Harakiri.

Was hätte passieren müssen, dass Hofmann und Boskovic eingewechselt werden?

Die Einwechslung des 19-jährigen Dominik Wydra tat Rapid nur für kurze Zeit gut. Die Einwechslung von Terrence Boyd barg die Hoffnung auf einen altmodischen Lucky Punch in sich und die Einwechslung des in Bewerbsspielen völlig untauglichen, weil extrem leichtfüßigen Lukas Grozurek verstand ohnehin niemand. Was hätte passieren müssen, dass Hofmann und/oder Boskovic Einsatzminuten bekommen hätten? Es gibt kein Szenario, in dem sie dringender notwendig wären, als bei einem 1:2-Rückstand in einem Auswärtsspiel, während sich auf dem mehr oder weniger grünen Rasen eine völlig ideenlose, fast schon von den Bedingungen verängstigte, junge Truppe umherirrt. Ganz ohne Polemik: Da hätte man den beiden Routiniers auch gleich einen freien Tag mit der Familie gönnen können.

Gar nicht so sehr überspielt…

Die Rotation des Rapid-Trainers schießt am eigentlichen Ziel des Rotationsprinzips vorbei. Dies sind die Einsatzstatistiken der gestrigen Rapid-Startelf inklusive Nationalmannschaftseinsätze.

Jan Novota – 29 Spiele – 2.640 Minuten
Mario Sonnleitner – 27 Spiele – 2.460 Minuten
Christopher Dibon – 23 Spiele – 2.012 Minuten
Thomas Schrammel – 22 Spiele – 1.782 Minuten
Mario Pavelic – 5 Spiele – 207 Minuten (+ 900 Minuten Regionalliga)
Brian Behrendt – 27 Spiele – 1.588 Minuten
Thanos Petsos – 25 Spiele – 2.064 Minuten
Louis Schaub – 34 Spiele – 2.416 Minuten
Guido Burgstaller – 25 Spiele – 1.862 Minuten
Marcel Sabitzer – 26 Spiele – 1.971 Minuten
Dominik Starkl – 12 Spiele – 507 Minuten (+ 321 Minuten Regionalliga)

Und so lange spielten die Akteure auf der Bank bisher in der laufenden Saison. Rechnet man diese Bilanzen auf Wochenwerte um, so entdeckt man, dass Hofmann seit Saisonbeginn 83,3 Minuten pro Woche spielte, Boskovic gar nur 60,3 (wobei der Montenegriner insgesamt vier Wochen ausfiel).

Dominik Wydra – 11 Spiele – 409 Minuten (+ 253 Minuten Regionalliga)
Branko Boskovic – 18 Spiele – 1.266 Minuten
Steffen Hofmann – 24 Spiele – 1.751 Minuten
Lukas Grozurek – 21 Spiele – 682 Minuten
Terrence Boyd – 25 Spiele – 1.606 Minuten

Einsatzzeit: 80% Schaub = 100% Hofmann und Boskovic

Boskovic und Hofmann sind mit ihren jeweils 33 Jahren sicher nicht mehr so belastbar wie die vielen Jungspunde im Kader des Rekordmeisters. Aber wenn man vergleicht, dass Louis Schaub 80% der Zeit auf dem Platz stand, die Hofmann und Boskovic seit der Sommerpause gemeinsam abspulten, erklärt es sich schwer, wieso der überspielte Schaub auswärts gegen einen harten Gegner die mehr oder weniger alleinige Offensivschaltstelle mimen musste, während die Chefs des Kaders in der Kälte Däumchen drehen mussten.

Rotieren, ja – aber um 180°

Dass der Fokus Rapids derzeit auf der Erfüllung eines Traums in Kiev liegt, darf niemanden wundern. Ein Aufstieg in der Europa League wäre für den Verein sportlich und wirtschaftlich eine sensationelle Sache. Aber auf Kosten der Liga, in der man über den gesamten Herbst gesehen so schön in Spur und Rhythmus kam, darf dies niemals geschehen. Auch beim wenig glamourösen Auswärtsspiel in Wolfsberg sollte Rapid mit der besten Mannschaft spielen, die dem Trainer zur Verfügung steht. Rotieren? Ja, aber genau umgekehrt. Diejenigen, die ein bisschen „geschlauchter“ sind, sollten eher von Beginn an spielen, sich auspumpen und zu Beginn der zweiten Halbzeit oder nach einer guten Stunde duschen gehen dürfen.

Die bestmögliche Mannschaft

Vor der Winterpause stehen nun noch drei Pflichtspiele an, danach geht’s in den wohlverdienten Winterurlaub. Aber bis dahin gibt es keinen Grund, wieso die nominell stärkstmögliche Rapid-Elf durch regenerationsbedingte Rochaden auseinandergerissen werden sollte. Außer Barisic hat tatsächlich wohl durchdachte Sorgen um die Gesundheit einiger Spieler, die die Öffentlichkeit in Angesicht passabler bis guter Leistungen in den letzten Wochen und Monaten nicht sieht – dann müssten sie allerdings auch nicht auf der Bank sitzen.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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