Nach nur einem Jahr trennt sich Rapid von seinem brasilianischen Innenverteidiger Gerson Guimaraes Ferreira Junior. Somit wird der 21-jährige Abwehrspieler aus Rio de Janeiro... Gersons Vertrag nicht verlängert: Wenig Licht und viel Schatten im einzigen Rapid-Jahr des „Brasilianers mit Ablaufdatum“

Gerson (SK Rapid Wien)Nach nur einem Jahr trennt sich Rapid von seinem brasilianischen Innenverteidiger Gerson Guimaraes Ferreira Junior. Somit wird der 21-jährige Abwehrspieler aus Rio de Janeiro auch Österreich verlassen. Die etwas undurchsichtigen Besitzverhältnisse rund um den Brasilianer machen theoretisch auch Wechsel zu Atlético Madrid oder zurück zu Botafogo möglich. Angeblich soll Gerson allerdings in Mitteleuropa bleiben.

Rapid lieh den brasilianischen Innenverteidiger im Sommer 2012 aus. Vorerst für ein Jahr, mit vereinsseitiger Option auf eine weitere Saison. Die festgeschriebene Ablösesumme, die Rapid danach berappen müsste, wenn man den Abwehrspieler längerfristig binden wollte, wäre in Österreich nur für Red Bull Salzburg zu stemmen gewesen. Somit war von Anfang an klar: Auch wenn Gerson zum Zeitpunkt seines Wechsels nach Hütteldorf erst 20 Jahre alt war, ist er ein Spieler, der sofort einschlagen musste.

Ein Top-Mann mit Ablaufdatum

Gerson wurde somit von Beginn an ein „Ablaufdatum“ nachgesagt. Man hätte den Brasilianer mindestens für ein Jahr, maximal für zwei Jahre – aber das wäre bei einem Spieler seines Kalibers besser, als man hätte ihn gar nicht. Rapid entschied sich ob der Vorschusslorbeeren für die seltene Vorgehensweise einen Spieler für kurzfristige Verbesserung zu holen, ohne eine realistische Chance zu haben, die Kaufoption wahrzunehmen. Der Erfolg gab den Grün-Weißen zunächst Recht und Gerson startete fulminant in die Saison 2012/13.

Gute Spieler, Verrücktheit, die Hoffnung auf „Typen“

Zu Saisonbeginn spielte der Innenverteidiger tolle Partien, zeigte sich schnell, körperlich stark, sehr sprungkräftig und gut im Spielaufbau. In Juli, August und Anfang September erfreute man sich an Gersons Spielen, aber auch an seiner Verrücktheit, die sich vor allem in der offensichtlichen Freundschaft zu Terrence Boyd, einem weiteren Spieler mit Vorschusslorbeeren, äußerte. Man sah eine junge, hungrige Rapid-Truppe, bei der der Spaß nicht zu kurz kam und die etwa mit Boyd und Gerson eine neue Generation von „Typen“ in ihren Reihen hatte.

Geisterspiel gegen Rosenborg als Knackpunkt

Der erste schwarze Fleck auf Gersons weißer Weste war schließlich das Geisterspiel gegen Rosenborg BK am 20.September 2012. Der Brasilianer wirkte unsicher, war an den Gegentoren mitschuldig. Unmittelbar danach berief Schöttel den Innenverteidiger in zwei Spielen gegen Ried und Wiener Neustadt nicht in den Kader ein, begründete dies damit, dass Gerson mental wieder „runterkommen“ musste. Gerson kehrte beim 0:2 im Wiener Derby Ende Oktober 2012 wieder in den Ligabetrieb zurück. Von nun an war der Brasilianer auf dem Platz nicht mehr derselbe.

Immer schwächere Spiele, Tiefpunkt gegen Pasching

Gerson ließ seine Sicherheit im Zweikampf- und Stellungsspiel komplett vermissen, brachte die Fans mit seinen zahlreichen, unpräzisen weiten Pässen zur Weißglut. Torgefahr strahlte der normalerweise sehr fordernde, körperlich präsente Brasilianer bei offensiven Standardsituationen nie aus. Gerson war zwar in der Innenverteidigung der Hütteldorfer gesetzt, spielte in 37 Pflichtspielen von Beginn an, wurde aber dennoch eher mitgeschleppt. Gute Spiele sah man vom Brasilianer seit nunmehr sieben Monaten nicht mehr. Den absoluten Tiefpunkt erreichte er – wie auch viele andere – bei der 0:1-Heimniederlage gegen den FC Pasching. Gerson wurde nach einer katastrophalen Leistung bereits nach einer halben Stunde ausgewechselt, schlich unter den Pfiffen des Publikums vom Platz und machte dabei keine Anstalten das Feld so schnell wie möglich zu verlassen. Spätestens hier hatte Gerson all seine Kredite bei den Fans verspielt.

Viel Party – und das auch noch gut dokumentiert…

Zudem machten Gerüchte und Erzählungen über Gersons Einstellung und Hang zum intensiven Nachtleben die Runde. Der Brasilianer wurde nach seiner Übersiedlung nach Wien in Transdanubien, nahe einer bekannten Discothek einquartiert. In dieser war Gerson ein häufig gesehener Gast, was wiederum lethargische Phasen und einen bedenklichen Schlafrhythmus zur Folge hatte. Passend zur mangelnden Professionalität: Man musste gar nicht dabei sein, um Gersons Eskapaden zu verfolgen – der Brasilianer dokumentierte sein ziemlich lockeres Wiener Leben regelmäßig auf seiner privaten Facebook-Seite…

Gerson trainiert nicht mehr mit der Mannschaft

Gerson möchte sich nun einer Schulteroperation unterziehen, die ihn jedoch bis zu vier Monate außer Gefecht setzen könnte. Der 21-Jährige entschied sich die Operation aufzuschieben, buchte für Ende Mai seinen Urlaub in Brasilien. Dass Sportdirektor Helmut Schulte ihm nahelegte ab sofort alleine zu trainieren, oder sogar schon früher nach Brasilien oder gar Kapfenberg zu gehen, um sich dort fit zu halten, erfuhr der normale Fan ebenfalls über Facebook. Gerson ließ sich erneut auf seiner privaten Seite über die Art und Weise seines bevorstehenden Abganges aus. Einige Stunden später – die Kommentare zum Thema wurden immer zahl- und facettenreicher – wurde der Beitrag wieder gelöscht.

Die Suche nach einem echten Abwehrchef

Gersons Abgang hinterlässt bei Rapid eine nominell-personelle Lücke, aber auch eine große Chance endlich die Fühler nach einem echten Abwehrchef auszustrecken. Sonnleitner und Pichler sind aktuell die einzigen Spieler, die in der kommenden Saison fix bei Rapid spielen und in der Innenverteidigung eingesetzt werden können. Junge Alternativen wären etwa der an Horn verliehene Brian Behrendt (21) oder die Amateure Maximilian Hofmann (19) und der hünenhafte Christian Schoissengeyr (18), der jedoch trotz Jungprofivertrags und Stammplatzes bei den Amateuren insgesamt noch nicht gefestigt genug ist. Rapid ist somit auf der Suche nach einem starken Innenverteidiger, der jedoch keine Ein- bis Zwei-Saisonen-Lösung wie Gerson sein soll, sondern eine Stütze und ein Eckpfeiler in einer Mannschaft im Neuaufbau.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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