Mattersburg, Vienna, Austria Kärnten, dreimal SV Ried, Pasching, LASK, Wolfsberg und nun die Admira. Dies waren nur die letzten zehn verlorenen Cupduelle von insgesamt... Kommentar | Rapid und der Cup-Fluch? Nein, Rapid und das Mentalitätsproblem!

Rapid Wappen Hochformat_abseits.atMattersburg, Vienna, Austria Kärnten, dreimal SV Ried, Pasching, LASK, Wolfsberg und nun die Admira. Dies waren nur die letzten zehn verlorenen Cupduelle von insgesamt zwanzig hintereinander. Seit 1995 – damals war mit Steffen Hofmann der heute älteste Rapid-Spieler 14 Jahre alt – konnte Rapid den ÖFB-Cup nicht mehr gewinnen. Aber im Grunde ist das „wurscht“ bzw. das kleinste Übel. Das gestrige Ausscheiden gegen die Admira fördert natürlich die mainstreamigen Cup-Fluch-Platitüden, mit denen nun wieder ordentlich Quote gemacht werden kann, viel mehr aber war es sinnbildlich für etwas anderes, größeres.

Der Cup ist nicht Rapids Problem. Die unheimliche Serie von 21 Jahren ohne Cup-Titel ist lediglich eine statistische Anomalie. Vom statistischen und wahrscheinlichkeitstheoretischen Standpunkt aus betrachtet, hätte Rapid den Cup in der Zwischenzeit längst wieder gewinnen müssen. Dass dem nicht so ist, fällt eher in die Kategorie Zufall. Genauso wie es im Grunde bereits Zufall war, dass Rapid nicht schon im Elferschießen gegen Amstetten rausflog.

Die zähen Spiele im Allgemeinen

Eine andere Liste von Rapid-Gegnern wird das eigentliche Problem der Grün-Weißen deutlicher machen: Admira, Admira, Grödig, Wolfsberg, Altach, Mattersburg. In diesen seit Ende August 2015 gespielten sechs Partien, verkaufte sich Rapid deutlich unter Wert, lieferte teilweise peinliche Leistungen ab, so wie gestern in der zweiten Halbzeit. Dem gegenüber stehen souveräne, beherzte Auftritte in Spielen, in denen es „sich zu kämpfen lohnt“.

Ausreißer nach unten nichts Neues

Die Mannschaft hat Charakter. Die Mannschaft hat eine gute Mentalität. Die Mannschaft hat viel Aufwand betrieben. Floskeln, mit denen man sich als Rapid-Fan anfreunden muss. Zumindest seit den letzten acht Jahren, in denen Rapid titellos da steht. Der regelmäßig wiederkehrende Leistungsabfall ist nichts, was die 2015/16er-Mannschaft der Grün-Weißen für sich gepachtet hat. Die peinlichen Auftritte gab es auch schon 2014/15: Wiener Neustadt, Wolfsberg, Grödig, Altach, Admira, Altach, Helsinki. Oder auch in der vorangegangenen Saison: Wolfsberg, Ried, Wiener Neustadt, Thun, Grödig, Admira, LASK. Allesamt Partien gegen kleinere Teams, die nicht mitanzusehen waren. Nicht etwa, weil eine „hohen Aufwand betreibende“ Rapid-Elf ihre zahlreichen Chancen nicht verwertete, sondern weil man jedes Mal das dumpfe Gefühl hatte, dass die Truppe doch nicht die tolle Mentalität oder Rapid die griffige Philosophie hat, wie der Öffentlichkeit gerne mitgeteilt wird.

„Wir sind Rapid“ vs. „Wir haben alles versucht“

Derartige Listen lassen sich bis ins Jahr 2009 zurück aufstellen. Das letzte Jahr der Ära Pacult war der Knackpunkt einer bis dahin positiven Entwicklung des Selbstverständnisses, das beim SK Rapid gemäß seines vor kurzem präsentierten Leitbildes gelebt werden muss. Aus „Wir sind Rapid“, der allseits beliebten „wir gehen da jetzt raus und fressen die“-Attitüde, wurde unter Schöttel und Barisic ein „wir hatten es heute mit einem guten Gegner zu tun“ und „wir haben alles versucht, aber es wollte halt nicht sein“.

Ausgeklügeltes und durchschaubares Wording

Egal, wie sich der interne Ton gestaltet: Nach außen hin sind genau das die Parolen, die von Rapid-Spielern oder –Offiziellen tunlichst vermieden werden müssen. Bei keinem anderen österreichischen Sportverein werden die Aussagen nach einem blamablen Spiel schneller und genauer auf die Waagschale gelegt, als bei Rapid. Deshalb ist man vorsichtig, will kein falsches Wort verlieren – vielleicht ist aber das Aussprechen des Ungemütlichen für Verantwortliche, wie für Spieler gerade das, was Rapid öfter braucht. Die nach außen verhätschelte Rapid-Mannschaft, die seit mittlerweile fünf Jahren „jung“ ist, muss nun langsam aus ihrer Komfortzone entlassen werden. Denn Fakt ist weiterhin: Seit fast acht Jahren gewann Rapid keinen Titel und der Streichelkurs wird daran nichts ändern. Mittlerweile wäre es für Rapid sogar besser „Wir wollen den Titel“ als Ziel auszugeben und dieses nicht zu erreichen, als „Wir wollen mehr Punkte als im Vorjahr machen“, dieses zu erreichen, dafür aber keinen Titel zu holen. Wortklauberei.

Rüpel Pacult

Den letzten Titel sicherte sich Rapid in der turbulenten, aber auch spektakulären Ära Pacult. Ein Trainer wie Schleifpapier, der auf taktischer Ebene aktuell maximal Ligadurchschnitt wäre und sich nie zu schade für Rundumschläge war. Aber auch ein Trainer, dessen Spieler sich keinen Zirkus erlauben durften. Die Höchststrafe einer Auswechslung nach einer halben Stunde war beim Floridsdorfer schon mal drin. Das ist heute nicht mehr der Fall, man fährt die geduldigere Schiene.

Emotionale Vollbremsung unter Schöttel

Die Ära Schöttel war eine emotionale Vollbremsung. Von Pacults Impulsivität war kaum mehr etwas zu sehen, dafür wurde das Spiel modernisiert, Rapid langsam in spielphilosophisch sicheres Fahrwasser geführt. Allerdings ohne klares Ziel und zu häufig wechselndem Fokus – endend in Horrorleistungen unter einem ängstlichen Trainer, der ängstliche Spieler auf den Platz schickte.

Barisic schafft Spielphilosophie und formt ein Team

Barisic orientierte sich in seinem Grundprinzip eher an Schöttel, als an Pacult. Auch wenn die von ihm geschaffene Spielphilosophie gegen den historisch gewachsenen Stil steht, den Rapid ursprünglich verkörperte und der im Selbstverständnis des Vereins verankert ist, ist es eine klare Philosophie, die Barisic mit seinem gut zusammengestellten Trainerteam verfolgt. Die Gewaltenteilung innerhalb des Trainerteams lässt sich auch gut an, wird vom als ausgezeichneten Psychologen und Pädagogen bekannten Barisic gut geführt. Die ohnehin mehrfach thematisierten Probleme im In-Game Coaching mal ausgeklammert.

Alles leiwand – oder?

Der SK Rapid verfolgt eine klare Philosophie. Sowohl auf dem Platz, als auch in seiner Personalpolitik. Der Verein ist wirtschaftlich gesund, hat (untypischerweise) ordentlich Kohle auf der Kante und freut sich auf sein neues Stadion, das im Sommer eröffnet wird. Die Geschäftsstelle wächst und wächst, der wirtschaftliche Zweig Rapids wird nach und nach professioneller aufgestellt. Der Klub überwinterte europäisch, hat wohl den zweitbesten Kader der Liga. Gleich mehrere Spieler werden von Klubs aus europäischen Topligen umworben. Wo ist nun also das „ABER“ im grün-weißen Werkl.

Flexibilität, Kontinuität…

Ich denke, dass es nötig ist, auf sportlicher Ebene weiter auf Kontinuität zu setzen, aber ohne die Personalphilosophie in ein zu enges Korsett zu schnüren. Wenn Rapid ein Routinier helfen kann, dann soll’s auch mal ein „nicht verkaufbarer“ Routinier sein, der die Kohlen für Grün-Weiß aus dem Feuer holen darf. Gleichzeitig sollte man sich emotional von der Ära Schöttel wegbewegen und zur Ära Pacult annähern. Barisic und Co. sollen natürlich nicht zu Misanthropen werden, sich aber sehr wohl impulsiver positionieren und den Geist des „Wir sind Rapid“-Leitspruchs, der in den recht erfolgreichen, vor allem aber spannenden und attraktiven letzten 2000er-Jahren tatsächlich von allen gelebt wurde, wieder aufleben lassen.

…Mentalität!

Tatsächlich angesprochen sind aber die Spieler. Weiterhin übernehmen einige derer, die von großen Karrieren träumen, zu wenig Verantwortung und reißen das Ruder nicht herum, wenn das Schiff zu kentern droht. Man verlässt sich gerne auf den anderen und umgekehrt. „Es wird schon irgendwie gehen“. Nach wie vor hat die Mannschaft des Rekordmeisters ein ernstes Mentalitätsproblem. Ein Motivationsproblem in den nicht ganz so glamourösen Spielen. Diese Elf ist im Vergleich zu den Teams, die zwischen 2007 und 2009 für Furore sorgten, viel zu satt! Sie will gegen die Großen überraschen und ihr Potential offenlegen, aber die Kleinen nicht überrollen. Die Mannschaft lebt im Bundesliga-Alltag (und auch gestern im Cup) ihre „schaun mer mal“-Mentalität und macht die Kleinen damit größer als sie eigentlich sind. Ziel muss es aber sein, jede Partie gleichermaßen ernst zu nehmen und jedem Gegner – auch den großen! – mit der unmissverständlichen und leicht arroganten „Wir sind Rapid“-Attitüde gegenüber zu treten, wie zu den Zeiten, als Rapid Titel feierte. Diese Attitüde war nämlich über viele, viele Jahre der Hauptgrund für diese Titel. Das müssen die Spieler, von denen die meisten weiterhin nichts erreicht haben, behirnen und das Trainerteam bzw. die sportliche Leitung vorleben – und zwar öffentlich offensiv und nicht nur bei Mitgliederveranstaltungen offensiv. Halst dieser Mannschaft und auch euch selbst größeren öffentlichen Druck auf und es wird Erfolge geben! Die Geschichte des SK Rapid bestätigt dies. Die Handlungsweise von unzähligen internationalen Topvereinen ebenfalls.

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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