Thomas von Heesen übernimmt das schwere Amt als Trainer des Kapfenberger SV 1919 und folgt damit Werner Gregoritsch, der nach eigenen Aussagen die „Notbremse“... Offensive Denkweise und Erfahrung auf mehreren Ebenen – Thomas von Heesen ist neuer Trainer in Kapfenberg

Thomas von Heesen übernimmt das schwere Amt als Trainer des Kapfenberger SV 1919 und folgt damit Werner Gregoritsch, der nach eigenen Aussagen die „Notbremse“ zog. Zuletzt verloren die Obersteirer in Salzburg mit 0:6, der letzte Tabellenplatz scheint für den weiteren Verlauf der Herbstsaison einzementiert.

Der 50-jährige in Höxter, Nordrhein-Westfalen geborene Von Heesen übernimmt den Kapfenberger SV, der seit sechs Runden auf dem letzten Tabellenplatz steht, in einer schwierigen Phase. Die drei „Kennenlernspiele“ im verbleibenden Herbst sind richtungsweisend: Zunächst ist der aufstrebende SK Rapid zu Gast, gegen den kaum jemand einen Erfolg der Kapfenberger erwartet – auch weil die Vorbereitungszeit für Von Heesen bis zum samstäglichen Spiel knapp ist. Danach gastiert der KSV in Mattersburg und empfängt in der letzten Herbstrunde den FC Wacker Innsbruck. Der Rückstand auf den Tabellenneunten sollte danach zumindest nicht größer sein als jetzt.

Trainer und Sportdirektor in Deutschland und Zypern

Auf dem Trainersektor ist Von Heesen kein Neuling: Der ehemalige Mittelfeldspieler, der in 368 Bundesligaspielen für den Hamburger SV 99 Tore erzielte, trainierte bereits den DSC Arminia Bielefeld (wo er auch vier Jahre lang Sportdirektor war), den 1.FC Nürnberg und den zyprischen Klub Apollon Limassol. Zudem war Von Heesen fünf Monate lang Sportdirektor bei Hannover 96. Seine mehrmaligen Doppelfunktionen als Team-Manager oder Sportdirektor neben seiner Trainertätigkeit, lassen darauf schließen, dass er in Kapfenberg Rechte einfordern und versuchen wird, den Kader im Winter seinen Vorstellungen anzupassen – so es die Ressourcen zulassen…

Gerne offensiv, ungerne mit inaktiven Spitzen

Die Spielphilosophie des Thomas von Heesen entspricht seiner eigenen Spielanlage als aktiver Fußballer. Bei Apollon Limassol praktizierte der Deutsche hauptsächlich ein 4-2-3-1-System mit schnellen Flügelspielern im Mittelfeld. Auch mit einem 4-1-2-3-System ließ er oftmals erfolgreich spielen. Apollon wurde unter seiner Regentschaft Fünfter, in der Saison 2009/10 verließ Von Heesen den Klub in der Winterpause, als dieser auf dem dritten Platz der Meisterschaft stand. Selbst mit Arminia Bielefeld versuchte Von Heesen offensiv zu spielen: Sein etatmäßiges System bei der Arminia war ein 4-4-2 mit Mittelfeldraute, allerdings konnte der einstige Offensivspieler nicht immer aus seiner Haut, ließ etwa im April 2006 einige Ligapartien, etwa gegen Eintracht Frankfurt oder Schalke 04 in einem für Abstiegskandidaten damals untypischen 4-3-3 spielen. Das 4-4-2 der Arminia sah man unter Von Heesen jedoch in etwa 85% der Spiele, was jedoch auch damit zusammenhing, dass er damals mit Christian Eigler und Artur Wichniarek zwei Stürmer im Kader hatte, von denen er ungern einen auf die Bank setzte. Selbiges galt zuvor für den Südafrikaner Sibusiso Zuma und den Ghanaer Isaac Boakye. Von Heesen steht also auf Systeme mit beweglichen Angreifern, ist kein großer Fan von behäbigen Stürmern, die auf ihre Bälle warten. In der wohl denkwürdigsten Partie mit Von Heesen auf der Trainerbank besiegte Arminia Bielefeld am 16.September 2006 zu Hause den FC Bayern mit 2:1 – mit einem 4-4-2 und Wichniarek und Eigler im Angriff.

Aufstieg mit der Arminia, Abstieg mit Nürnberg

Seinen größten Erfolg als Teammanager feierte Von Heesen als er Arminia Bielefeld Ende der 90er-Jahre zurück in die Bundesliga führte. Als Trainer bewahrte er die Arminia vor dem Abstieg, zog sich jedoch in einer heiklen Saison vorzeitig zurück, nachdem Bielefeld neun Spiele in Folge nicht gewinnen konnte. In der Saison 2007/08 stieg er mit dem 1.FC Nürnberg in die zweite deutsche Bundesliga ab. Kurze Zeit später, nach dem Zweitligaauftakt, verließ Von Heesen jedoch auch die Nürnberger, nachdem ihm Präsident Michael A. Roth mangelnde Identifikation mit dem Verein vorwarf.

Kader zu groß, Chef nicht vorhanden

Der Kapfenberger SV 1919 setzte in der laufenden Saison insgesamt 27 Spieler ein – der erweiterte Kader der Steirer umfasst 32 Spieler. Zu viel für ein Team, das kompakt und stabil werden soll, auch weil sich das Training dadurch schwierig gestaltet. Von Heesen muss in seiner Funktion als Trainer mit Sportdirektor-Erfahrung dafür sorgen, dass der qualitativ zu schwache Kapfenberg-Kader im Winter aufgeräumt wird. Der Verein verfügt derzeit alleine über acht etatmäßige Angreifer, weit mehr als ein Abstiegskandidat, der einen sichtbaren Stamm finden muss, braucht. Zudem muss sich Von Heesen dafür einsetzen, dass im Frühjahr wieder ein echter Chef in Kapfenberg aufläuft, wie es einst Marek Heinz oder Milan Fukal waren. Einen derartigen Chef wird der Tabellenletzte allerdings nur im Ausland finden, wobei Von Heesen jedoch auch seine Kontakte nach Deutschland spielen lassen wird.

Legionäre nur bedingt Stützen

Auch wenn es in Kapfenberg nicht viel zu verdienen gibt (der Kader der Kapfenberger ist der deutlich Billigste in der heimischen Bundesliga), muss es gelingen einen (relativen) Kapazunder zu holen. Zwar haben manche Spieler im Kader, etwa Elsneg, Gucher oder Sencar, Potential für höhere Aufgaben, dennoch sind vor allem die Legionäre der Kapfenberger nur mit Abstrichen als echte Stützen zu bezeichnen. Einzig der Tscheche Michal Ordos ließ mehrmals seine Klasse aufblitzen und Raphael Wolf ist den Kapfenbergern ein sicherer Rückhalt. Der slowenische Abwehrchef Matej Mavric ist mit seinem Vorgänger Milan Fukal qualitativ nicht zu vergleichen, der deutsche Angreifer Roman Prokoph entpuppt sich immer mehr als Fehlkauf und vom technisch schwachen, 19-jährigen Russen Makhmadnaim Sharifi darf man keine Wunderdinge erwarten. Ein Legionärsplatz ist jedoch noch frei – und der muss dringend mit einem Leitwolf besetzt werden, was Von Hessen in seinen ersten Wochen als Kapfenberg-Trainer selbst bemerken wird. Nur wenn der Kader verkleinert und im Winter nachgerüstet wird, kann Von Heesen seinen zweiten Abstieg als Trainer verhindern.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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