Das Sonntagspiel zwischen dem SV Grödig und dem SK Rapid offenbarte einmal mehr die aktuellen Grundprobleme des Rekordmeisters, der trotz eines starken Saisonstarts und... Sechste Saisonpleite wegen falschem Werkzeug: Rapid unterliegt ohne Plan B in Grödig

SK Rapid Wien - Block West Pyro_abseits.atDas Sonntagspiel zwischen dem SV Grödig und dem SK Rapid offenbarte einmal mehr die aktuellen Grundprobleme des Rekordmeisters, der trotz eines starken Saisonstarts und wegen einer unliebsamen personellen Veränderung, keine Topmannschaft mehr ist. Eine solche würde von 15 Ligaspielen nicht sechs verlieren. Die spielerisch schwächere Austria zeigt sich flexibel, verlor erst zwei Saisonspiele und lacht von der Tabellenspitze.

Die grün-weißen Schwierigkeiten im Offensivspiel erklärten wir bereits vor einigen Wochen. Weiterhin ist Matej Jelic, der aber auch in Zilina Zeit brauchte, um ein unverzichtbarer Teil der Mannschaft zu werden, praktisch nicht vorhanden und mit dem im Rapid-System notwendigen Antizipationsspiel überfordert. Philipp Prosenik arbeitet hart, öffnet mit seiner ungestümen Zweikampfführung dem Faktor Zufall Tür und Tor. Deni Alar scheitert an seiner zu körperlosen Zweikampfführung und ist aktuell nur dritter Stürmer bzw. dritter bis vierter Zehner.

Gegen Starke hui, gegen Kleine pfui

Was hinter Rapids Solospitze passiert, ist jedoch weiterhin gut. Entgegen der historisch gewachsenen Rapid-Taktik entschied sich Zoran Barisic vor einiger Zeit ein tiki-taqua’eskes Ballbesitzspiel als Spielphilosophie zu definieren und hält – wie es mit Spielphilosophien so ist – eisern daran fest. Sieht man Spiele wie zuletzt gegen Viktoria Pilsen, Sturm Graz oder anderen starken Gegnern, so mutet Rapid homogen, zielstrebig, konzentriert und phasenweise schlicht bärenstark an. Nur gibt es gerade in Österreich jede Menge Gegner, die nicht den Anspruch haben, mit Rapid mitzuspielen – einer von ihnen ist der SV Grödig.

Praktisch mit Ansage

Beim heutigen Auswärtsspiel im Salzburger Land durfte sich Rapid über 74,2% Ballbesitz „freuen“. Aufs Tor schossen die Grün-Weißen zweimal. Einmal mehr bissen sich die Hütteldorfer an einem enorm tiefstehenden Gegner die Zähne aus. Ein Zeichen für mangelnde Variabilität bzw. für einen weiterhin fehlenden Plan B. Spiele wie heute gegen Grödig gab es bereits in der gesamten Ära Barisic, ebenso wie es sie unter Peter Schöttel gab. Dass so mancher gegnerische Trainer weiß, wie man sich auf Rapid einzustellen hat, um das Maximum aus der eigenen technischen Unterlegenheit herauszuholen ist klar und muss erwartet werden. Was aus Rapids Sicht jedoch noch ärgerlicher sein sollte, ist, dass das neuerliche Scheitern in Grödig praktisch mit Ansage kam.

Der falsche Hammer

Der Knackpunkt im Spiel war nicht das dumme 1:2 durch Venuto, Sekunden nachdem die Grödiger den Ball aus dem Tor und auf die Mittelauflage legten. Dieser Treffer war schlichtweg eine Momentaufnahme der Konzentrationsprobleme Rapids, ein Zeugnis für die Angst erneut gegen einen „Kleinen“ zu versagen. Sky-Kommentator Thomas Trukesitz stellte den Vergleich an, dass Rapid wie mit einem Vorschlaghammer auf eine Betonmauer einschlägt und hofft, dass sie umfällt. Rapids durchgängiges Problem im heutigen Nachmittagsspiel war jedoch, dass man den Hammer nie gegen einen anderen wechselte.

Rapid spielt sich selbst müde

Es bleibt dabei, dass die Hütteldorfer immer und überall dasselbe Spiel durchziehen, egal wie sehr der Gegner an einem technischen Kräftemessen interessiert ist. Die Tatsache, dass die verfügbaren Rapid-Angreifer selbst mit dem Ball (noch?) nicht per Du sind, führt bei 74,2% Ballbesitz allerdings zwangsläufig zu Problemen. Für die Hintermänner wird das Spiel ebenfalls nicht einfacher, weil die hohe Passintensität auf die Konzentration und auch an die kreative Substanz geht. Rapid spielt sich selbst müde, während der Gegner durch die wesentlich einfacheren Aufgaben mit Fortdauer des Spiels eher wacher wird.

Enorm viele Flanken…

Eine markante Änderung wies das Rapid-Spiel dennoch auf und diese verdeutlicht noch mehr, dass Rapid anderes Offensivpersonal bräuchte, um eine tatsächlich flexible Mannschaft zu werden: Der Tabellendritte schlug im Auswärtsspiel gegen Grödig 30 Flanken – und von diesen 30 Flanken erreichten nur vier einen grün-weißen Adressaten. Dies ist ein Wert, der für Rapid-Verhältnisse sehr hoch ist. Zum Vergleich: Im Heimspiel gegen Sturm (2:1) schlug Rapid 14 Flanken, gegen die Austria (1:2) waren’s 15, beim Horror-Spiel in Wolfsberg (1:2) gerademal neun.

…aber kaum eine kam an

Zu den technischen Problemen an vorderster Front kommen nun zwei weitere Probleme hinzu: Selbst wenn es Rapid – wie heute – mit einer äußerst kontrollierten Variante der Brechstange probiert und zumindest teilweise vom typischen Rapid-Spiel anweicht, ist a) kaum jemand in der Gefahrenzone anzutreffen, der richtig umrühren und sich behaupten kann und b) die Automatismen des sonst gebräuchlichen Flügelspiels, das auf das Durchbrechen zur Grundlinie ausgelegt ist, nicht förderlich. Wenn der Gegner dieses nämlich gut zu verteidigen weiß, wird Rapid zu hektischen Aktionen am Flügel gezwungen. Das Resultat sind dann 26 Hereingaben, die keinen Abnehmer finden. Das Stilmittel der Halbfeldflanken wird praktisch nicht eingesetzt, allerdings würde aber ohnehin das erste beschriebene Problem in Kraft treten.

Ein Königreich für den richtigen Offensivfehler: Wenn Kontrolle kontraproduktiv ist

Das Flügelspiel alleine ist natürlich kein Grund, dass ein Spiel in die Hose geht. Auch wenn Grödig sehr tief stand und reaktionären, wenn auch effizienten Fußball auf den Platz rumpelte, sind die viel zu langsamen, oft lethargischen und vor allem stets risikolosen Spielverlagerungen Rapids unentschuldbar. Rapid braucht viel zu lange, um Aktionen fertig zu spielen und sucht in den meisten Situationen, in denen der Gegner direkte Wege zum Tor zustellt, Sicherheit und Ordnung, die man in den zentralen, defensiven Mittelfeldspielern findet. Allerdings ist Rapid am torgefährlichsten, wenn man in höheren Zonen in Gegenpressingsituationen kommt und nicht, wenn man elf Gegner vor sich sieht, dafür aber in den sicheren Gewässern des zweiten Drittels Kontrolle über den Ball hat. Es mag kurios erscheinen, aber manchmal wäre es für Rapids Offensivspiel sogar von Vorteil, wenn man Fehler machen würde. Offensive Fehler sind im modernen Fußball im Grunde kein Problem mehr und spielen Rapids Mechanismen im letzten Drittel sogar in die Karten.

Europa ist eine Sache, die Meisterschaft eine andere

Da Zoran Barisic die grundlegende Spielanlage Rapids nicht verändern wird, braucht es neue Spieler, die in das vorgegebene Konzept passen. Man muss sich wohl oder übel eingestehen, dass der Meistertitel mit den vorhandenen Stürmern nicht erreicht werden kann, auch wenn man zumindest Jelic und Prosenik langfristig nicht abschreiben sollte. Zusätzlich zu einer logischen, perspektivischen Verpflichtung, wegen der Rapid im Winter im Burgenland anrufen sollte, muss man sich wohl oder übel erneut nach einem Beric-Ersatz umsehen. Andernfalls wird man eher in die Niederungen der Tabelle zurückfallen, anstatt sich wieder nach oben zu orientieren. Rapid kann sich speziell das in der Saison 2015/16, unmittelbar vor dem Einzug ins Allianz Stadion, definitiv nicht leisten. Von den herausragenden Leistungen im Europacup darf man sich in Hütteldorf nicht blenden lassen, auch wenn Rapid traditionell zu derartigen Verblendungen neigt.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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