Die Mattersburger schienen wie der perfekte Gegner für die Grazer. Diese hatten zwar seit Unzeiten nicht mehr auswärts gewinnen können, jedoch schien ein Punktverlust... Sturm gelingt der erste Auswärtssieg: Wie der 2:0-Erfolg in Mattersburg zustande kam!

Die Mattersburger schienen wie der perfekte Gegner für die Grazer. Diese hatten zwar seit Unzeiten nicht mehr auswärts gewinnen können, jedoch schien ein Punktverlust überaus unwahrscheinlich. Der Grund war, dass die Mattersburger selbst seit Ewigkeiten gegen den amtierenden Meister nicht mehr gewinnen konnten. Hinzu kam, dass mit Ilco Naumoski mit der wichtigste Mattersburger fehlte.

In einem akzeptablen Spiel zeigten sich die Grazer etwas überlegen und hatten mehr vom Spiel. Statistisch gesehen konnte die Heimmannschaft zwar etwas mehr Ballbesitz und sogar mehr Torchancen für sich beanspruchen, diese waren jedoch ineffektiv. Nicht nur, dass sie relativ schwach auf das Tor der Grazer gingen, es fehlte besonders die Dynamik und Zielstrebigkeit in den Aktionen. Man könnte sogar in gewisser Weise den Mangel an Willen kritisieren, welcher in vielen Vorstößen klar ersichtlich war. Ob dies an dem Einfluss der negativen Statistik lag?

Letztendlich wird es eher auf eine generelle Blockade deuten. Wenn der Gegner mit weniger Aufwand gefährlichere Aktionen sein Eigen nennen darf, dann kann das schon frustrieren. Wenn man sich allerdings noch vor der Halbzeit und danach zwei Tore einfängt, so gerät man ohnehin in große Schwierigkeiten. Der Begriff „zu einem psychologisch ungünstigen Zeitpunkt“ bekommt hier ausnahmsweise eine halbwegs logisch klingende Bedeutung. Alles in allem war die Mattersburger Leistung, wie man es auch drehen und wenden mag, zu wenig. Die Schüsse kamen unter Bedrängnis oder aus ungünstigen Positionen, während Graz in seinen Aktionen etwas mehr Glück hatte. Die Niederlage ist verdient und passend ausgefallen, ein Tor mehr wäre allerdings bereits übertrieben gewesen.

Wechselwirkung der jeweiligen Formationen

Die Grazer begannen mit einem 4-1-3-2. Auffällig war, dass Klem vor Weber agierte. Das interessante hierbei war nämlich, dass Klem auch über die Außen kommen kann und ein etwas anderer Spielertyp ist, als man sich auf dieser Position erwarten würde. Normalerweise müsste hier ein box-to-box-player (ein Spieler, der von Strafraum zu Strafraum seinen Aktionsradius besitzt) auftreten. Eine weitere Alternative wäre es, mit einem klassischen Zehner vor einem Sechser zu beginnen oder einen modernen Spielmacher einzusetzen. Damit ist ein Spieler gemeint, der sowohl defensiv wie offensiv stark ist und durch eine rege Teilnahme am Kombinationsspieler seine Mitspieler freispielt und kreativ in Szene setzt.

Klem hingegen ist, wenn man das so überspitzt sagen kann, eine Mischung aus box-to-box-Spieler und einem Achter. Mit seinem von der Außenbahn geprägten Spiel besitzt er durchaus die Fähigkeit, große Räume bearbeiten zu können. Seine kreativen Fähigkeiten hingegen befähigen ihn nur in gewisser Weise dazu, ein Spiel leiten zu können. Vielmehr setzt er sich durch seine Laufstärke dort ein, wo er aktuell in der Offensive am meisten gebraucht wird. Das bedeutet, dass er auch auf die Außenbahn ausweichen kann oder sich im Rücken der Abwehr in Position bringt. Allerdings heißt das ebenfalls, dass die Wechselspielchen des zentralen Mittelfeldspielers (Klem) mit seinem Hintermann auf der Sechs (Weber) der Vergangenheit angehören, zumindest bei dieser Spielertypverteilung. Dieses taktisch hoch interessante Mittel sorgte für Unberechenbarkeit, defensive Stabilität und sogar physische Schonung. Der konditionell angeschlagenere Spieler konnte sich hinten ausruhen oder je nach Situation die für ihn passendere defensive Aufgabe wählen, mit Weber als verkapptem Taktgeber aus der Tiefe kann Klem jedoch nicht so einfach die Position wechseln.

Ein anderer Punkt, der sofort ins Auge fällt, waren die beiden Stürmer der Grazer. Mit Okotie und Bodul lief eine ungemein interessante Paarung im Angriff auf. Die beiden Spieler sind unheimlich talentiert und bestechen sowohl durch körperliche als auch spielerische Stärken. Passend dazu ist, dass sie sich in ihrer Spielweise ausreichend voneinander unterscheiden, um nicht die gleichen Wege zu gehen. Okotie versucht sich etwas mehr durch seinen Körper ins Spiel zu bringen, während Bodul mehr seine Technik und seine Größe nutzt. Da sie aber beide vergleichsweise talentierte Spieler sind, besitzen sie auf Anhieb ein gewisses Verständnis zueinander. Dieses Sturmduo könnte bei richtiger Entwicklung und mit einem starken Spielgestalter hinter ihnen noch hervorragende Leistungen bringen. Wichtig ist dennoch, dass man die beiden Flügelspieler in dieses System einbaut. Bukva und Hölzl zeigen gute Ansätze, können diese jedoch oft nicht konstant auf dem Rasen zeigen.

Die Mattersburger begannen mit einem ziemlich ähnlichen System. Die 4-4-1-1-Formation hatte die Idee, Sturm vor zwei kompakte Viererketten zu stellen. Dennoch sollte man sagen, dass die Mattersburger durchaus defensiver hätten spielen können – und vielleicht sogar müssen. Allerdings sei dazu ebenfalls gesagt, dass die relativ offensive Ausrichtung der Außenverteidiger aller Ehren wert ist. Farkas und Rath sind noch sehr junge Spieler und besonders aufgrund der komplexen Position, die sie bekleiden, ist eine gewisse Freiheit nach vorne unabdinglich. Die beiden sind U21-Spieler und übernehmen dennoch als relativ sichere Stammspieler eine der wichtigsten Positionen im modernen Fußball. Um sie weiterhin zu forcieren und ihr Talent langfristig zu nutzen, müssen sie jedoch ihre aktuelle Freiheit im Offensivspiel behalten dürfen – die Fähigkeiten dazu bringen sie ohne Frage mit.

Ein weiterer entscheidender Punkt in diesem Spiel war die Positionierung des zentralen Mittelfelds. Teilweise spielten sie im Aufbauspiel relativ hoch, mit Seidl als tieferem Spielmacher. Hierzu fällt natürlich sofort auf, dass man „nur“ mit zwei Mann im Zentrum und desweiteren ohne den Sechser llsanker spielte. Das heißt, man hatte eine offensive Ausrichtung und wollte über den Verbindungsspieler Gartner und die Flügelstürmer zum Erfolg kommen. Die Wahl des Mittelstürmers Bürger passte dazu ausgesprochen gut, der Mattersburger Wandspieler ist überaus aktiv und lauffreudig. Oftmals bietet er sich auf den Halbpositionen an, was bedeutet, dass er sich Richtung Flügel bewegt, um dort als Anspielstation für Doppelpässe zu fungieren. Desweiteren zieht er die Innenverteidiger heraus und da bei den Mattersburgern die Flügelstürmer bei eigenem Angriff stark einrücken und die Außenverteidiger hoch aufrücken, kann er die Mitte für Diagonalbälle frei machen.

Das Tor

Während das 2:0 eine herausragende Soloaktion war, kann man beim ersten Tor noch taktische Begebenheiten erkennen, die im Kollektiv zum Erfolg führten. An der Grafik sieht man vier wichtige Punkte markiert, sowie den Ball in der Luft. Ganz links im Bild ist es Bukva, der sich fallen ließ und dort eine Halbfeldflanke spielte. Der zweite Pfeil neben ihm kennzeichnet den aufgerückten Außenverteidiger, der das Spiel breit machte. Er bot sich als Anspielstation an und half außerdem, dass Mattersburg Bukva nicht einfach pressen konnte. Man hatte nämlich Überzahl im Ball und mit Weber sowie Klem (die nächsten zwei Spieler im Bild) relativ einfache und sichere Anspielstationen.

Der zweite Pfeil von rechts zeigt dann auf Okotie, der bereits die Lücke für den nachfolgenden Pass sucht. Er bewegt sich schließlich nach vorne und antizipiert bereits vor der Ballannahme Boduls, was dieser vorhat. Dieser (der erste Pfeil von rechts) bewegt sich instinktiv zum Ball und lässt ihn sofort nach vorne in die Lücke abtropfen, wo Okotie schließlich leichtes Spiel hat. Eine hervorragende Aktion, was Spielintelligenz und Taktik betrifft. Wobei die Taktik sich hier im Bereich der einzelnen Bewegung auf dem Platz zeigte und nicht, wie oft verkannt, im Sinne auf einem sturen System oder einer bestimmten Formation – Taktik ist doch etwas facettenreicher.

Vergleich mit dem letzten Spiel

Im Februar gab es das letzte Aufeinandertreffen zwischen Mattersburg und Sturm, wo man in Graz gegeneinander spielte. Damals gewann man zuhause denkbar knapp mit 1:0, biss sich aber an der kompakten Defensive den einen oder anderen Zahn aus.

Wichtig zum Verständnis dieser Wandlung sind zwei Dinge: Einerseits die extreme Veränderung der Grazer in der Aufstellung. Exakt drei Spieler von damals waren auch dieses Mal in der Startaufstellung – eine extreme Veränderung in nur zwei Monaten. Interessant auch, dass alle drei Spieler zur Defensive gehören: Weber auf der Sechs, Burgstaller und Popkhadze auf der linken Seite der Viererkette.

Bei den Mattersburgern war der Unterschied zum Sonntag hauptsächlich in der Formation zu finden. Ohne Ilsanker trat man mit einem Stürmer mehr an, was eine Veränderung von einem 4-1-4-0-1 – respektive einem sehr defensiven 4-5-1 mit Viererkette im Mittelfeld – zu einem offensiveren 4-4-2 mit hängendem Stürmer nach sich zog. Hatte man im letzten Aufeinandertreffen noch die Stürmer vom Mittelfeld abgeschnitten und sehr schnell mit abgesicherten Flügelstürmern und aufgerückten Außenverteidigern gekontert, gestaltete sich dies gegen eine stärkere Sturm-Elf deutlich schwerer. Man hatte letztlich in der Defensive einige Lücken, die niemand stopfte und konnte nie kompakt Druck im Mittelfeld ausüben.

Ein kleiner Punkt: Interessante Spielverlagerungen

Als abschließender Aspekt eine ungemein kleine und dennoch nicht zu vernachlässigende Sache. Die Mattersburger hatten mit einer sehr ungewöhnlichen Methode einige wenige Male versucht, die Raumdeckung der Grazer auszuhebeln und die eigenen Außenverteidiger offensiv einzusetzen. Dies geschah, indem der ballführende Außenverteidiger – in diesem Szenario Farkas – den Ball diagonal über den Platz schlug. Während im Normalfall hier der Außenstürmer angespielt wird, wollten die Mattersburger mehr als einen normalen Seitenwechsel erreichen.

Indem der Außenstürmer stark einrückte und sich die Mannschaft generell kollektiv sehr Richtung Ball verschob, musste Sturm reagieren. Dadurch schoben diese ebenfalls zum Ball hin und öffneten weit außen Raum, in welchen Rath startete. Da dieser als ballferner Außenverteidiger in diesem Moment ohnehin keine akuten Defensivaufgaben hatte, brachte dies keinen direkten Nachteil. Farkas würde nun einen weiten Ball schlagen und dadurch diese Raumdeckung der Grazer aus den Angeln hebeln. Im Idealfall würde Rath in den Raum nach vorne stoßen und der chaotischen Grundordnung des Meisters einen erheblichen Schaden zufügen, indem er durch eine scharfe Hereingabe das Momentum nutzte. Die Grazer Abwehr hätte sich nämlich während eines sehr schnellen und dringenden Verschiebens formieren müssen, die Mattersburger hätten relativ geradlinig aufrücken und sich nach Belieben positionieren können.

Allerdings war das Problem an dieser Idee, dass Rath selten schnell genug den Ball unter Kontrolle und nach vorne treiben konnte, bevor er von der Viererkette Sturms gestellt wurde. Jedoch gab es trotzdem den positiven Effekt, dass die Grazer nach hinten gedrängt wurden und sich tiefer positionieren mussten. Neben dem breiten Aufbauspiel und dem Heimvorteil war dies sicherlich einer der vielen kleinen Gründe, wieso die Mattersburger relativ viel Ballbesitz für sich verbuchen konnten. Wirklich Zählbares kam dabei dennoch nicht heraus.

Quelle Livegrafik: Sky Sport Austria – jetzt Sky Sport Austria auf Facebook liken!

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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