Er war behäbig, laut, gefräßig, liebte es Zoten und derbe Späße zu reißen, doch vor allem war Alfréd „Spezi“ Schaffer ein herausragender Kicker. Sein... Die Anekdote zum Sonntag (4) – Die Geschichte des Alfréd „Spezi“ Schaffer

Logo Austria Wien schwarz-weißEr war behäbig, laut, gefräßig, liebte es Zoten und derbe Späße zu reißen, doch vor allem war Alfréd „Spezi“ Schaffer ein herausragender Kicker. Sein Talent machte aus dem Ungarn einen „Fußballkönig“ und ersten vagabundierenden Profispieler, der dorthin ging, wo Krone und Mark in Hülle und Fülle flossen.

Sein Benehmen abseits des Platzes entsprach seinem Sonderkönnen auf demselben. Auch die Presse ergoss sich in Lobeshymnen über den kräftigen Stürmer: Das „wandelnde Gestirn am europäischen Fußballhimmel“ oder „die Fußball-Extraklasse in Potenz“ ward der Spieler geheißen. Mit dem „Wandeln“ war jedoch einzig und allein Schaffers permanente Suche nach Geld gemeint. Der 1893 in Pressburg (nach anderen Quellen: Budapest) Geborene wollte vor allem Spaß haben und das Leben in vollen Zügen genießen. In anderen Worten: Es reichte Schaffer „Gurkerl“ zu schieben, Schmäh zu führen und eine ordentliche Gage zu kassieren. Er ging wohin ihn ertragreiche Engagements führten und kam so auch nach Wien.

Als er Österreich beehren sollte, zählte Schaffer bereits 29 Lenze und konnte auf eine fruchtbare Laufbahn zurückblicken: Sechsmal hatte er mit MTK Budapest die ungarische Meisterschaft geholte und war mit insgesamt 70 Toren zweimal Torschützenkönig geworden. Anschließend stand er als großer Star beim 1. FC Nürnberg im Mittelpunkt und kickte für Wacker München sowie den FC Basel.

Für 25 Millionen Kronen sicherte sich der Austria-Vorgänger, die Amateure, Schaffers Dienste. „Der Schaffer spielt für jede Währung.“ – hieß es damals bereits im Volksmund. Und wie er spielte. Er war zugleich robust und grazil, ein glänzender Vorbereiter und ein noch besserer Vollstrecker, gelassen und parallel dazu handlungsschnell. Wer ihn spielen sah, sollte ihn nicht vergessen. Seine stramme Figur (95 Kilogramm Lebendgewicht) tat seiner traumhaften Ballbehandlung keinen Abbruch: Flanken, Pässe, „Gustostückerl“ – alles was er tat war „spezial“. So kam Alfréd Schaffer zu seinem Spitznamen „Spezi“. Distanzlos und rotzfrech war er ohnehin.

Gerne lief er während dem Match in Richtung Ehrentribüne um mit den dort versammelten wohlbetuchteren Herrschaften Wetten auf das nächste Tor abzuschließen. Wer gegen ihn setzte, zog meistens den Kürzeren.

Bei den Amateuren bildete Schaffer mit seinem Landsmann Kalman Konrad ein gefürchtetes Angriffsduo. Gemeinsam holten sie Schale und Pokal und waren nebenbei auch Lehrmeister für die wohl berühmteste Austria-Wien-Legende und den besten europäischen Fußballer seiner Zeit: Matthias Sindelar. Wenn Schaffer nicht am Feld im Zentrum des Interesses stand, wurde er außerhalb davon hofiert und bewundert. Im Caféhaus versammelte er Runden um sich, speiste und trank wie ein (Fußball-)König und verfügte über den Ruf eines Frauenheldens erster Güte. Seine Trägheit am Platz machte er durch intelligentes Spiel wett: „Ein langsamer Schritt Schaffers war oft mehr wert als ein Dutzend Sturmläufe unserer „Immerfestedruffs““, schrieb die Presse nach Schaffers Abreise aus Wien.

Nachdem er 1924 mit den „Veilchen“ die Meisterschaft geholt hatte, kickte der Ungar zwar kurz bei Sparta Prag, vermisste aber das liebgewonnene Wien bald und wollte wieder zurück. Das neugeschaffene Inländer-Schutzgesetz verhinderte jedoch einen Transfer und „Spezi“ hing in der Warteschleife. Erst 1929 bahnte sich ein erneuter Wechsel an, der FK Austria Wien (wie die Amateure seit 1926 hießen) meldete sich per Telegramm: „Spezi“ per Drahtfunk zurück nach Wien: „Komme mit 1.000 Freuden – stop – Monatsgage 2.000 Schilling“. Die Wiener ließen sich jedoch nicht lumpen und begegneten Schaffers Abzocke mit einer kreativen Antwort: „Komme mit 2.000 Freuden – stop – Monatsgage 1.000 Schilling“ funkten sie durch den Draht. Das übliche Schaffer-Salär hätten sich die „Veilchen“ nie leisten können, lag doch die Durchschnittsgage eines österreichischen Kickers bei 300 Schilling. Trotzdem war das Schlitzohr wieder einmal der Topverdiener der Mannschaft, aber auch konnte im reifen Alter von 36 Jahren keine Wunder mehr vollbringen.

Nach der Beendigung seiner Profikarriere drehte der Ausnahmekönner aber nochmals auf. Schaffer beglückte als Trainer Mannschaften wie die ungarische Nationalmannschaft und die AS Roma, die er zur ersten Meisterschaft ihrer Geschichte führte. Nach seinem ausschweifenden Leben erschöpften sich seine Kräfte jedoch bald und er starb auf einer Zugfahrt in Prien am Chiemsee, wo er auch begraben wurde. Alfréd „Spezi“ Schaffer – erster „Profi-Spieler“, Fußballkönig und lebensfroher Spaßvogel wurde 52 Jahre alt.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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