Sein Papa ist fast neun Jahre tot, das Kind seit 3 Jahren abgängig. Das Wiener Stadhallenturnier sorgte einst für Spannung in der Winterpause, jetzt... Hall of Fame – Gebt uns das Wiener Stadthallenturnier zurück!

FansSein Papa ist fast neun Jahre tot, das Kind seit 3 Jahren abgängig. Das Wiener Stadhallenturnier sorgte einst für Spannung in der Winterpause, jetzt wird es immer öfter abgesagt. Die Belastung ist schuld: Europäische Bewerbspiele setzen vor allem den Stammteams Austria und Rapid neben nationaler Meisterschaft und Cup zu. Dabei war das Turnier einst bei den Zuschauern außerordentlich beliebt, man freute sich die Rasenkicker auch mal am Parkett zu sehen.

Am 18. Oktober 2013 feiert die Grundsteinlegung für die Wiener Stadthalle ihr 60jähriges Jubiläum. Architekt Roland Rainer wurde einst von der Hauptstadt mit der Errichtung einer Mehrzweckhalle beauftragt. Im März 1954 wurde mit dem Bau, des von Rainer und dem damaligen Architekturstudenten Richard Gach konzipierten Gebäudes, begonnen. Mit einem internationalen Radballturnier am 19. Oktober 1957 fand die erste Veranstaltung in den Hallen A und B statt. Ein gutes Omen für die kommenden Hallenfußballspiele?

Schon kurze Zeit später nämlich „erfand“ Josef „Pepi“ Argauer das Stadthallenturnier. Argauer selbst hatte viele Berufe: So war er selbst Profispieler, dann Trainer und ÖFB-Teamchef (1956-1958), Funktionär, Scout, Sportjournalist und schließlich wurde er noch zum Vater des österreichischen Hallenzaubers. Genauso wie er das Talent eines Tommy Parits oder Josef Hickersberger erkannt hatte, dürfte Pepi auch der Boden der Mehrzweckhalle in Rudolfsheim-Fünfhaus inspiriert haben. Auf einem Spielfeld von 49 x 30 Metern Parkett sah er in Gedanken vielleicht schon einige seiner Entdeckungen kicken. In der Winterpause des Jahres 1959 war es erstmals so weit: Das Wiener Stadthallenturnier wurde zum ersten Mal ausgetragen. Sein „Erfinder“ konnte auch aus einem anderen Grund jubeln. Erster Hallenkönig wurde nämlich Austria Wien, jener Verein, für den Argauer auch als Talentsucher tätig war.

In der Folge entwickelte das Turnier großes Zuschauerinteresse, vor allem Wiener Fußballanhänger ließen sich den „Bandenzauber“ nicht entgehen. Austria, Rapid, der Sportklub, die Vienna und der Wiener AC waren oft dabei. Richtig beliebt wurde der Wettkampf in der Halle aber erst in den 60er- und 70er-Jahren. Von Entzugserscheinungen geplagt, flüchteten die Fans zum Vogelweidplatz und erwärmten sich an den technischen Finessen, die auf dieser kleinen Fläche gezeigt werden konnten. Sogar die großen Bayern waren einst zu Gast. Beckenbauer und Müller konnten 1971 sogar den Pokal mit nach Süddeutschland nehmen.

In Herberts Wohnzimmer

Auf den Parkettdielen war aber nicht ein jeder daheim. „Grätscher“ oder körperbetonte Spieler fühlten sich auf ihnen wahrscheinlich eher unwohl. Spieler, die aber ein stark ausgeprägtes Ballgefühl im Fuß hatten, fanden dort ihr Glück. Dreimal auf Holz klopfen!

Herbert Prohaska sprach einst vom Stadthallenturnier als „seinem Wohnzimmer.“ Der Spielmacher schleppte sich einmal sogar mit Fieber aufs Parkett, weil er kein Hallenmatch verpassen wollte. Seinen Masseur, der dem Trainer Prohaskas Spielunfähigkeit anzeigen wollte, hatte er vorher kräftig eingeschüchtert. Dem Techniker mit der eleganten Ballführung kam die Spielfläche naturgemäß entgegen. Auch die Austria-Legende äußerte Bedauern darüber, dass diese winterliche Tradition jetzt verkommt. „Typisch österreichisch“, sei es, dass man seine Gebräuche zu wenig respektiere und hochhalte.

Prohaska durfte einige legendäre Spiele erleben: 1979/80 schenkten die Violetten dem Erzrivalen aus Hütteldorf tüchtig ein: 8:2 vor ausverkauftem Haus hieß es am Ende für die Favoritner. Außerdem war „Schneckerl“ bei sechs von neunzehn Austria-Titeln in der Stadthalle mit von der Partie.

Das Wintermenü für Fußballfeinschmecker

Auch einige seiner Tore waren sehenswert: Mit der Ferse schob Prohaska 1986 die Kugel ins Netz. Vorbei am ehrgeizigen Michael Konsel und direkt ins Herz der Grün-Weißen. In „seinem Wohnzimmer“ lief es eben, so wie er es wollte. Der raffinierte Treffer vom 5. Jänner wurde auch für die Wahl zum Tor des Jahrhunderts der Austria vorgeschlagen. Hierbei verlor Herbert allerdings.

Einem anderen, der ebenfalls bei dieser Wahl nominiert war, verschaffte er aber einst einen Pokal. 1992 erzielte Thomas Flögel für die Violetten ebenfalls ein Tor mit der Ferse, allerdings mit einem „Upgrade“ zu Schneckerls Goal versehen: Der Sohn der Rapid-Legende Rudi Flögel vollführte einen Bauchfleck und bugsierte den Ball mit der Ferse schräg in die rechte Torecke.  Grund genug für Prohaska den Veranstalter aufzufordern dem „Buam“ einen Pokal zu überreichen.  Dies war das erste Mal in der Geschichte des Turnieres, dass ein Tor prämiert wurde. Es ist bis heute wohl das schönste Tor geblieben, das je in der Wiener Stadthalle erzielt worden war.

Aber auch Rapidler sorgten für Glanzlichter: Maciej Śliwowski, ein polnischer Grün-Weißer netzte im Finale 1994/1995 ebenfalls kunstvoll ein. Er ließ eine scharfe Hereingabe zunächst durch die Beine passieren, um ihr mit der Sohle noch eine Richtungsänderung zu verpassen. Rapid wurde Hallensieger, Śliwowski Torschützenkönig des Turniers.

Jahre später stellte Veli Kavlak ebenso seine Fähigkeiten im Strafraum unter Beweis. Mit einer schönen Umdrehung wurden zwei Verteidiger vom Rapidler überspielt, der das Leder abschließend scharf hinter die Linie beförderte.

Auch den Kickern anderer Vereine gelangen Leckerbissen: So schoss Mario Konrad 2007, im Dress des LASK, Tormann Payer per „Gurkerl“ ein Tor. Schöne Goals anderer Klubs hin oder her, Rekordhallensieger bleibt die Austria aus Wien 10. Kein Wunder schließlich ist sie für ihre technische Spielweise bekannt und „Feinspitze“ waren auf dem Parkett eindeutig im Vorteil. „Tanzen“ und tricksen stand auf dem Programm.

Der (Neu)anfang ist das Ende

1998/99 wurde das eigenständige Turnier zur Vorrunde des österreichischen Hallencups umfunktioniert. Was die Veranstalter für einen guten Schritt hielten, entpuppte sich als Fehler. Teams aus ganz Österreich kamen jetzt nach Rudolfsheim-Fünfhaus. Das war gut für sie, aber schlecht für die Zuschauer. Das Publikum, das überwiegend aus Wien stammte, wollte „seine“ Mannschaften kicken sehen und delikaten Bandenzauber genießen. Zwar hatten nun viele unterklassige Vereine, wie Leoben oder Untersiebenbrunn, die Chance sich auf dieser Bühne zu präsentieren, die sie sonst nur als Zuschauer bei Konzerten und anderen Veranstaltungen mit einem Backstagepass erklommen hätten. Langweilige, glanzlose Partien waren aber die Folge dieser Integration und die Ränge der Halle blieben zusehendes leer.

2005 fand das letzte Turnier dieser Art statt, dann wurde es, Gott sei Dank, wieder „re-traditioniert“ und zu einem eigenständigen Bewerb erhoben. Nach einer Pause 2006, gingen ein Jahr später wieder einmal die violetten Favoritner als Sieger vom Platz. Danach herrschte aber wiederholt Katerstimmung.

Eigentlich hatte der ganze Ärger schon früher begonnen. „Schuld“ daran war Toni Polster, damals Generalmanager der Austria, der ließ 2005 nämlich nur seine B-Elf auflaufen. Als Grund wurde die Europacupbelastung angegeben, den Fans war das aber egal. Groß war die Enttäuschung bei Vielen. 2008 erhielt die Austria Schützenhilfe aus Hütteldorf, die Großvereine waren sich ein seltenes Mal einig: Beide wollten wieder nur mit ihrer zweiten Mannschaft am Stadthallenturnier teilnehmen. Für den Veranstalter ein Anlass, die ganze Veranstaltung platzen zu lassen. Wirtschaftlich rentabel wäre der Wettkampf ohne die Hauptattraktionen nämlich nicht gewesen. Dass aber auch generell ein Problem mit der Finanzierung besteht, mussten die Wiener Großklubs auch am eigenen Leib spüren: 2009 traten Rapid und Austria als Veranstalter auf und bezahlten Lehrgeld. Unterm Strich schaute nach dem Bandenzauber nur ein Minus heraus.

Dieser Mix aus unterschiedlichen Motiven besiegelte nun das vorläufige Ende des Hallenfußballs. Seit 2010 wird kein Stadthallenturnier mehr ausgetragen.

Sicher, das Hallenturnier hat auch andere Nachteile: Hinfallen tut weh, liegen bleiben noch mehr. Der Urlaub der Spieler, der sowieso schon nicht lang ist, wird nochmals gekürzt. Die Umstellung von Rasen auf Halle bedeutet psychischen Stress für die Kicker und nicht jedem macht der Bandenzauber wirklich Freude. Ein Verteidiger, der von seiner Kraft und Schnelligkeit lebt, hat am Parkett kein Leiberl. Auch die Zuschauer sehen nicht gerne hilflose Bemühungen des FC Hintertupfing, sondern lieber das schöne Spiel eines Profiklubs. Bei Partien unterklassiger Mannschaften bleiben viele Fans deshalb lieber zuhause.

Bei genauerem Hinsehen, sind dies aber alles Probleme, die man beheben kann, wenn man will. Darum:

10 Gründe warum wir das Stadthallenturnier zurück wollen

1. Tradition kann man nicht kaufen

Einer der wenigen Punkte, wo sich Rapid- und Austriafans einig sind. Das Stadthallenturnier hat Tradition in Wien und in Österreich: 1959 geboren und niemals Ehre und Stolz verloren. So könnte man es zu mindestens sagen.

Warum halten langgediente Klubs den Parkettfußball nicht in Ehre? Zur Wertschätzung gehört, sich um ein Revival des Bandenzaubers zu bemühen. Ganz klar, die Meisterschaft und die internationalen Spiele gehen vor. Aber kann man nicht versuchen, ein, eventuell verkürztes, Turnier auszutragen, sodass die Fans wieder auf ihre Kosten kommen. Respekt ist wichtig, denn sonst werden die Erinnerungen an vergangene Triumphe auf dem Parkett bald verblassen

2. Training der anderen Sorte

Schon klar, Kicken in der Halle ist kein Rasenfußball. Es steht nicht zur Debatte, dass ein Spiel am Parkett kein vollwertiges Training ersetzt. Dennoch lernt man auf dem Parkett, so wie im Käfig, Dinge, die auch bei Bewerbsspielen am Rasen von Bedeutung sein können: Das Agieren auf engem Raum, technische Tricks, Schussgenauigkeit, Kurzpassspiel und richtiges Attackieren. Unsere Liga ist nicht nur langsam wie eine Schnecke, sondern auch nicht bestückt mit „Feinmechanikern“ wie beispielsweise unser „Schneckerl“ einer war. Vielleicht tun der Liga einige Technikübungen in der Winterpause doch ganz gut. Und diese Überlegung führt uns direkt zu Punkt 3.

3. Weg vom Image der Holzhacker

Die U18 der- wie kann es anders sein – Austria hat es vorgemacht. Beim Göttinger Sparkasse & VGH Cup  spielten sich die Wiener 2012 „mit Leichtigkeit“ ins Finale und hinterließen einen tiefen Eindruck. Eine Mannschaft aus Österreich, die trickste als gebe es kein Morgen. Ein anwesender Trainer verglich die Jungveilchen gar mit dem FC Barcelona. Wäre es nicht wunderbar, wenn das Stadthallenturnier helfen würde, auch das Bundesliga-Image ein bisschen aufzupolieren?  Hier könnten sich rot-weiß-rote Spieler einmal anders präsentieren und um die Herzen der Zuschauer gaberln.

4.  Der Winter ist lang und hart.

Für Fußballverrückte ist der Winter nicht nur im Freien kalt. Auch die Fußballseele friert, wenn sie sich nicht mit dem Tagesgeschäft des Vereines ihres Vertrauens beschäftigen kann. Ein kleines, aber feines Hallenturnier freut den Fan und die Kassa des Vereines. Die Treuesten der Treuen singen ihr Team sicher auch am Vogelweidplatz nach vorne und spülen so etwas Geld ins Budget.

5. Ihr Auftritt, bitte!

Das Stadthallenturnier war immer ein Wettkampf der Klubs aus Wien und dem dazugehörigen Speckgürtel: Neben den zwei Wiener Großklubs gehörten auch die Vienna, der Wiener Sport-Club, der FavAC sowie FC Admira/Wacker zum Stamm des Turniers. Gerade für kleinere Vereine war das Parkett ein wichtiger Repräsentationsort. Denn auch andere als nur Hardcore-Fans konnten die Spiele der traditionsreichen Elf jetzt sehen. Wo sonst hätten sich die heute unterklassigen Vereine mit ihren „großen Brüdern“ aus Favoriten und Hütteldorf messen können? Anhänger aller Farben versammelten sich nach Weihnachten um diese Aufeinandertreffen zu verfolgen. Die Vienna krönte sich 2009 gar zum letzten Turniersieger in der Halle.

6. Kurzweil, Spaß und Heiterkeit, ein Hallenspiel des Kickers schönster Zeitvertreib.

„A Scheiberlspü‘“ auf Holz ist auch für die Spieler Abwechslung. Den Fan freut es erst recht im

Warmen zu sitzen und seiner Mannschaft in ungewohnter Umgebung auf die Beine schauen zu dürfen. Doch auch für die Spieler ist der Hallenflair vielleicht ganz attraktiv, schließlich müssen sie an der Bande Situationen anders lösen als am Rasen. Körper und Geist werden ungewohnt beansprucht. Parkettzauber bringt ein bisschen Farbe in den grauen Trainingsalltag. Das ist wichtig, denn schließlich ist Übungsvariation ja die halbe Miete im Leistungssport.

7. Legenden sterben nie

Bei den Legendenderbys der letzten Jahren hat man es gesehen: Alte Liebe rostet nicht. Für Ehrgeiz gilt das offenbar genauso. Ein wild gestikulierender Toni Polster, ein diskutierender Peter Schöttel und ein fuchsteufelswilder Herbert Prohaska standen am Parkett und traten gegen den jeweiligen Erzrivalen an. Für die Fans ein Genuss, für die Ex-Spieler wahrscheinlich auch. Näheres haben wir aber eh schon bei den Punkten 1 und 4 geklärt.

8. Make Change possible!

In dieser Form kann das Turnier nicht mehr ausgetragen werden. Die Großklubs spielen fast jedes Jahr international und ohne diese geht es nicht. Eine Pause zu haben, in welcher die Spieler den Kopf frei bekommen, ist ungemein wichtig. Aber könnte man keinen Kompromiss finden?

Ein Hallenturnier, verkürzt und komprimiert. Jeder Trainer und Spieler weiß, dass die Saison zu lange dauert. Der Urlaub der Spieler ist sportmedizinisch gesehen viel zu kurz gehalten. Ist es so absurd eine Runde in der Bundesliga gegen das Stadthallenturnier einzutauschen?

Außerdem muss der Hallenbewerb attraktiver werden. Unterklassige Vereine müssten eine Art Vorrunde spielen, um dann gegen gesetzte Klubs aus der Bundesliga anzutreten. So kommt es in den ersten allgemeinen Runden auch zu „David gegen Goliath“-Duellen, aber das Turnier wird nicht von Fußballzwergen aus ganz Österreich „überschwemmt“.

9. Werbung für dich und mich

Ein Veranstalter muss gefunden werden, ein reizvolles Turnier muss entworfen werden, Sponsoren müssen die Tasche öffnen und genug Betriebe müssen sich beteiligen. So sieht die To-do-Liste für ein Revival am Vogelweidplatz aus. Ohne eine Finanzierung von außen wird es nicht zu schaffen sein.

Sie wollen dem österreichischen Fußball helfen? Handeln Sie bitte hier, Herr Mateschitz oder Herr Stronach! Jede Menge Werbung für ihr Zuckerwasser oder ihre Ersatzteilgreisslerei gibt es als Dankeschön. Kleinbetriebe, wie z.B. die berühmten Fressstandl‘n können sich auch sicher sein: Popcorn und kandierte Früchte lassen sich, besonders bei Remis-Partien, sicher absetzen. Auch Fanshop-Zweigstellen sind gerne gesehen, vielleicht findet der eine oder andere Anhänger ja noch ein verspätetes Weihnachtsgeschenk. Auch eine Autogrammstunde kommt immer gut an.

10. Neun Gründe sind genug!

Anstatt einem zehnten Grund, folgt zuletzt ein Appell: Erweckt das schlafende Turnier zum Leben, sonst ist es bald tot! In der Halle gibt es alles, was guter Fußball braucht: Tradition, Leidenschaft und Spielcharakter. Man muss den Bandenzauber nur aufpeppen und modernisieren. Holt euch das Wiener Stammpersonal zurück, dazu ein paar gute Amateurmannschaften, vielleicht garniert mit ein, zwei internationalen Teams. Macht den Wettbewerb kompakt, so dass die Regenerationsphasen für die Spieler nicht zu kurz sind. Spielt von mir aus Futsal, aber sorgt dafür, dass wir bald wieder Hallenfußball in der Winterpause sehen können!

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert