Die Ukraine weihte das EM-Stadion in Lviv mit einem 2:1 (1:0)-Sieg gegen Österreich ein. Die Gäste aus der Alpenrepublik zeigten eine ansprechende Leistung, leisteten... Gut gespielt und doch verloren – Last-Minute-Tor bedeutet 1:2-Niederlage in Lviv

Die Ukraine weihte das EM-Stadion in Lviv mit einem 2:1 (1:0)-Sieg gegen Österreich ein. Die Gäste aus der Alpenrepublik zeigten eine ansprechende Leistung, leisteten sich aber zwei Abwehrfehler zu viel. So verkommt das mit 10 Legionären angetretene ÖFB-Team immer mehr zur „Anna Kournikova des Fußballs“.

Marcel Koller schickte die Mannschaft bei seinem Debut von Stürmer und Kapitän Marc Janko (Twente Enschede) angeführt auf das Feld. Dahinter sollte Marko Arnautovic (Werder Bremen) als Freigeist agieren, flankiert von Andreas Ivanschitz (Mainz 05) auf der linken und Martin Harnik (VfB Stuttgart) auf der rechte Seite. David Alaba (Bayern München) und Julian Baumgartlinger (Mainz 05) sollten eine spielerisch ansprechende Doppelsechs bilden. In der Verteidigung spielte Christian Fuchs (Schalke 04) gewohnt links, Franz Schiemer (Red Bull Salzburg) ungewohnt rechts. Die Abwehrzentrale bildeten Emanuel Pogatetz (Hannover 96) und Sebastian Prödl (Werder Bremen) die Innenverteidigung vor Robert Almer (Fortuna Düsseldorf).

Das ukrainische Urgestein Oleg Blochin setzte diesem 4-4-1-1 ein 4-5-1 entgegen und setzte wie gegen Deutschland auf Konter. Andrey Dikan (Spartak Moskau) stand im Tor, vor ihm Yaroslav Rakitskiy (Shakthar Donetsk) und Oleksandr Kucher (Shakthar Donetsk). Auf den Außenbahnen sollten Evgen Selin (Vorskla Poltava) links und der Hausherr Artem Fedetskiy (Karpaty Lviv) auf rechts den Österreichern die Flügel stutzen. Anatoly Tymoshchuk (Bayern München) und Ruslan Rotan (Dnipro Dnipropetrovsk) bildeten die Mittelfeldzentrale. Davor bildeten Evgen Konoplyanka (Dnipro Dnipropetrovsk), Alexandr Aliev (Dinamo Kiev) und Andriy Yarmolenko (Dinamo Kiev) das Offensivtrio. Ganz vorne spielte Artem Milevskiy (Dinamo Kiev).
Das Schiedsrichterteam kam aus Norwegen, Spielleiter war Svein Moen, ihm zur Seite standen Kim Haglund und Frank Andas.

Starker Beginn

Die ersten Minuten gestalteten die Österreicher recht ansprechend. Gutes Pressing und einiges an Selbstvertrauen waren zu sehen. Doch die gute Stimmung vom Absingen der Hymne wurde eher offensiv mitgenommen, defensiv wirkte das Ganze nicht so sicher. In der neunten Minute holte Andreas Ivanschitz ganz geschickt einen Freistoß heraus. Zentral, etwa 20 Meter vor dem Tor, stellten sich die starken Freistoßschützen Fuchs, Alaba und Arnautovic auf. Der Austro-Serbe schoss in die Mauer, der Nachschuss aus großer Distanz illustrierte das Selbstvertrauen.

„Schnell, einfach, direkt,“ bemerkte Kommentator Boris Kastner-Jirka. Erste Spielzüge wirkten schon eingespielt. Aber es war teilweise zu viel des Guten, beispielsweise als Ivanschitz in Minute zwölf einen Elfer schinden wollte. Da hätte es auch Gelb geben können. Die Ukrainer luden die Gäste auch tief in die eigene Hälfte ein. Einen dürfte Marcel Koller besonders packen: Marko Arnautovic arbeitete brav nach hinten.

Verlusttreffer as usual

18. Minute: Aliev mit einem Stanglpass, Milevskiy war alleine und der Ball im Tor. Schuldiger war zunächst Franz Schiemer, der seinen Mann aus den Augen verlor. Pogatetz ließ den Torschützen bei Alievs Sprint auch alleine. Ein Wechselpass und die Abwehr war mehr als planlos. Das gab es auch oft unter Dietmar Constantini: Ein gutes Spiel, irgendwann der Verlusttreffer und dann komplette Planlosigkeit. Würde sich unter dem Schweizer Koller etwas ändern?

Diese Frage war zunächst nicht zu beantworten. Ukraine-Trainer Oleg Blochin ließ seine Mannschaft weiterhin tief stehen und überließ den Österreichern den Ball. Wenn sie vorkamen, dann aber gut. In der 24. Minute patzte wieder Schiemer und ein Stanglpass kam in die Mitte. Aliev wollte sich foulen lassen, der Schiedsrichter aber nicht narren. Und somit durften die Österreicher wieder den Ball herum schieben.

Einer, der mit der mit dem Spiel ebenfalls schlecht zu Recht kam, war Martin Harnik. Ging es nach vorne, rissen Fuchs, Alaba und Ivanschitz das Spielgeschehen auf ihre linke Seite, Der Stuttgart-Spieler musste sich zur Mitte orientieren oder eine zweite Spitze bilden. In der 29. Minute konnte Janko nach schönem Doppelpass mit Ivanschitz Arnautovic einsetzen, der zeigte mit einem Außenristschuss aus dem Stand seine feine technische Klinge. Der Ball strich knapp am linken Pfosten vorbei. In Zahlen hatte Österreich zu der Zeit 60 Prozent Ballbesitz – allerdings auch von dem Heimteam so gewollt. Janko ließ wieder gut prallen und Alaba konnte trotz Drucks von Tymoshchuk einen Flachschuss Richtung Tor ablassen.

Kein Zerfallen nach dem Gegentreffer

Zu dem Zeitpunkt konnte festgehalten werden, dass Team Austria nicht wie so oft zerfiel. Sei es wegen des neuen Trainers oder dem sehr passiven Heimteams, da waren viele verschiedene Ideen dabei. Fedetskiy musste in der 32. Minute Arnautovic foulen und sah Gelb. Nach einem Freistoß der Gäste ging es wieder über die rechte Seite. Harnik musste hinten aushelfen, scheiterte daran, der Ball flog jedoch in den Zuseherraum. Vor allem der Red Bull-Akteur wirkte als einziger planlos. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass es sich bei ihm um den einzigen Bundesligaspieler aus der Heimat handelte…

Indes kamen tasteten sich die Rot-Weiß-Roten weiter an den Strafraum ran. Arnautovic mit einem gefährlichen Schupfer und Baumgartlinger aus der Distanz. Koller strahlte derweilen Ruhe aus. Es wurde engagiert und mit Idee gearbeitet. Darüber hinaus agierten die Spieler – immer mit Ausnahme von Schiemer – planvoll und variantenreich. Der Umstand, dass die rechte Seite schlichtweg vernachlässigt wurde, schien niemanden zu stören. Minute 39 machte der Rechtsverteidiger dann wieder Negativwerbung.

Er ist schlichtweg kein Außenverteidiger und konnte diesen Umstand auch mit Einsatz nicht wett machen. Die Ukrainer hatten das verstanden und suchten gegen Ende von Durchgang eins die frühe Entscheidung. Hinten machten sie gut dicht und es entwickelte sich dann so etwas wie ein Handballspiel. Die Österreicher waren ratlos, was sie mit dem Platz anfangen sollen. Dann kam einer dieser Momente, die ein solches Spiel braucht. Gefoult. Solche Überraschungsmomente waren die einzige Möglichkeit, gegen die Heimmannschaft ein Tor zu erzielen. Fuchs schoss den Ball gut aufs Tor, Janko versuchte den Abpraller zu nutzen, kurz darauf setzte er einen Kopfball über den Kasten. Damit ging es auch schon ab in die Pause.

Halbzeitfazit

Oleg Blochin hielt am Konterfußball fest und die Österreicher waren nicht in der Lage, mit genügend Nachdruck den Treffer zu erzwingen. Bei so viel Ballbesitz mussten die Gäste aufrücken, da war ein Gegentor eigentlich nicht unerwartet. Prohaska analysiert das so: „Wir sind noch nicht im Strafraum zu einem Abschluss gekommen, das fehlt uns noch.“ Er gestand Schiemer, den er auch als Schwachstelle erkannte, zu, den besten Gegenspieler zu haben. Dennoch, und den Vorwurf musste sich Koller gefallen lassen, den Salzburger dort aufzustellen, zeugt nicht von sehr viel Weitblick. Kurz und bündig: Er hat seine Stärken in der Zentrale. Ansonsten war nicht viel zu ändern, die Ukraine stand sicher, da musste ein Genieblitz her.

Ukraine gefestigter

Während Blochin mehr Kontrolle im Mittelfeld wollte und Denys Garmash (Dinamo Kiev) sowie Bogdan Butko (FK Illichivets) für Rotan und Fedetskiy brachte, änderte der Schweizer einmal nichts. Und Alaba setzte den im Strafraum verwaisten Kapitän auch mal ein, der ließ den Ball aber ungeschickt weg prallen. Schiemer machte mit einem Foul an der Mittellinie wieder Werbung für eine Auswechslung, Koller zeigte Unverständnis für diese schlechte Lösung des Spielers. In Minute 50 musste Almer aus dem Sechzehner raus, klärte aber gut. Genauso gut wie kurz darauf bei einem Stanglpass.

Es ging weiter. Janko hatte sich am Sechzehner frei getanzt, sein Schuss war aber zu unplatziert. Das Spiel stand zu Anfang des zweiten Durchgangs auf des Messers Schneide. Österreich probierte es spielerisch, die Ukraine durch Konter. In der 53. Minute kam es im Mittelfeld zwischen Kutscher und dem Kapitän, beide sahen Gelb. Es wurde laut im Stadion, zunächst wegen Andriy Shevchenko, dann zweimal gegen Milevskiy. Wieder kam der Angriff über Schiemers Seite. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass er von Harnik auch recht wenig Unterstützung bekam.

Das Nationalheiligtum kam

56. Minute, Riesenjubel. Nationalheiligtum Andriy Shevchenko (Dinamo Kiev) betrat für den Torschützen Milevskiy das Spielfeld. Die Ukraine hatte nun das Spielgeschehen besser im Griff, die Gäste wirkten zum ersten Mal in der Partie offensiv planlos, die langen Bälle aus der Innenverteidigung auf die Offensivleute häuften sich. Alaba und Ivanschitz präsentierten eine gute Freistoßvariante aus dem Halbfeld, der Mainz-Legionär verfehlte das Spielgerät aber im Strafraum. „Willi“ Kavlak (O-Ton Kastner-Jirka) von Besiktas Istanbul ersetzte nach einer Stunde den schwachen Martin Harnik.

Nun war offensichtlich, welcher Druck auf Team Austria lag. Die vielen guten Ideen hatten nicht zum Torerfolg geführt und Ratlosigkeit machte sich breit. Die Spielfreude verpuffte zusehends, die Härte nahm zu. Yarmolenko machte indes Platz für Oleg Gusev (Dinamo Kiev, 63.). Kurz darauf ein Fehler im Aufbau und Aliev wurde von Prödl zu Fall gebracht. Das war eine gute Distanz für einen Freistoß, halblinks, rund 20 Meter Distanz. Almer konnte Tymoshchuks Freistoß aber wieder einmal sicher halten. Marcel Koller wirkte ein bisschen so wie die Spieler – ratlos. Rakitskiy erhielt im Anschluss für ein Foul an Alaba die gelbe Karte.

ÖFB kämpfte sich zurück – 1:1

Während Boris Kastner-Jirka über Oleg Blochins 100 Meter-Zeit schwadronierte, flachte das Spiel ab. Mitten in das Ballgeschiebe eroberte Fuchs den Ball, lief tief in die gegnerische Hälfte. Die Flanke fand Jankos Kopf, der Ball Kutschers oder Arnautovics Fuß und es stand 1:1 (71.). Das war eine tolle Aktion, einer dieser ungewöhnlichen Momente. Der Ball wurde lang und länger, die gesamte Entstehungsgeschichte hatte die Hintermannschaft der Heimmannschaft verwirrt. Ein verdienter Ausgleich für die Österreicher. Blochin brachte Marko Devic (Metalist Kharkiv) für Aliev und suchte den Sieg. Die Brust wurde bei Gästen wieder breiter, Prödl versuchte den Spielaufbau beispielsweise gegen gleich drei Gelbe. In Minute 75 wurde Ivanschitz auf der Seite gut eingesetzt und Pogatetz, nach einem Eckball war er noch vorne, den Ball nicht entscheidend drücken.

Mehr Druck folgte auf den Fuß. Janko setzte wieder den Mainzer ein, dieser zog halblinks direkt ab und Goalie Dikan konnte den Ball nur zur Ecke prallen lassen. Nach dem Eckball kam wieder Pogatetz an den Ball, wieder Corner. Die Ukraine stand mit dem Rücken zur Wand, die Österreicher machten Druck. Klar, viele Wechsel hatten die Ordnung der Hausherren gestört, aber nun war der Knoten im Kopf der Gäste geplatzt – bis auf den gordischen in Schiemers Kopf.

Rote Karte, Ukraine nur noch zu zehnt

Aufregung in Minute 80! Arnautovic sprang übermotiviert in einen Zweikampf, ein Tumult entstand. Kucher machte mit und es gab Gelb für beide sowie ein weiteres Handgemenge. Während der Ukrainer mit der zweiten gelben Karte den Platz verließ, beruhigten sich die Gemüter sehr langsam – unnötig in einem Freundschaftsspiel. Zehn Minuten plus Überspielzeit waren noch zu spielen und Österreich war ein Mann mehr als der Gegner. Alaba konnte nach einer guten Fuchs-Flanke auch gleich einmal zeigen, wer hier gewinnen wollte. Kurz darauf schlug Kavlak nach einem kurz abgespielten Freistoß einen guten Querpass an den Fünfer, Ivanschitz brachte aber zu wenig Druck hinter den Ball.

Das Selbstvertrauen war wieder voll da, sie trauten sich etwas. Blochin wollte das Unentschieden absichern, Sergiy Nazarenko (Tavriya Simferopol), eigentlich in der Startformation erwartet, kam für Konoplyanka. Die Österreicher versuchten indes, die Gegner mit Pressing unter Druck zu setzen, das Spiel war unter Kontrolle. Drei Minuten waren noch zu spielen und es folgte das, was für Ass-König folgen musste: 91.Minute, Devic traf nach großer Verwirrung. Die Österreicher wollten die Situation spielerisch lösen, Nazarenko setzte sich durch und der gebürtige Serbe konnte unbedrängt und souverän einnetzen. Da hätte der Ball weggedroschen gehört! Das Spiel war nach zwei Schüssen von Baumgartlinger und Janko zu Ende.

Fazit

Wer nicht trifft, gewinnt kein Fußballspiel. Die abgezockten Konterspieler der Ukrainer zogen den Österreichern weitgehend den Zahn, Chancen waren zwar zur Genüge da, aber nicht zwingend genug. Hier kommt die Klasse zu tragen. Wer phasenweise bis zu 64 Prozent Ballbesitz hat, sich so viele Möglichkeiten erarbeitet, dem fehlt schlichtweg die Qualität des Kollektivs, das Spiel bis zum Ende durchzuziehen. Kurz gesagt: Ergebnisse müssen her, vom Schönspielen bekommt man keine Punkte. Wie nannte es Rainer Pariasek? „Saudumme Gegentore.“

Georg Sander, abseits.at

Georg Sander

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