Hauptberuflich ist Christian Constantin ein erfolgreicher Architekt, seine große Leidenschaft gilt jedoch dem Fußball und hier im speziellen dem Westschweizer Traditionsverein FC Sion, dem... Sion und Christian Constantin gegen den Rest der Fußballwelt

Hauptberuflich ist Christian Constantin ein erfolgreicher Architekt, seine große Leidenschaft gilt jedoch dem Fußball und hier im speziellen dem Westschweizer Traditionsverein FC Sion, dem er seit 2003 zum zweiten Mal als Präsident vorsteht. Constantin, der in den Schweizer Medien für gewöhnlich nur „CC“ genannt wird, ist aber auch als Enfant terrible bekannt, das Trainer im Monatstakt wechselt (und sich dann nicht selten selbst interimistisch an die Seitenlinie stellt) und sich mit jedem, der sich ihm in den Weg begibt, anlegt. Aktuell trägt Constantin wohl seinen größten Kampf aus, geht es doch gegen niemand geringeren als FIFA, UEFA und Schweizer Verband.

Es begann mit einem ägyptischen Tormann

Der Ausgangspunkt des aktuellen Streitfalls liegt bereits im Februar des Jahres 2008 zurück, als Sion den ägyptischen Nationaltorwart Essam El-Hadary von Al-Ahly aus Kairo verpflichtete. Die Freude über den prominenten Transfer wehrte jedoch nur kurz, denn der ägyptische Club behauptete, nie einem Transfer zugestimmt zu haben, während man seitens Sion auf einen mündlichen Vertrag verwies. Die FIFA gab einer Klage Al-Ahlys statt und verurteilte Sion im Juni 2009 neben einer Geldstrafe von 900.000 Euro zu einer einjährigen Transfersperre, da El-Hadarys Exclub nie die Zustimmung zu einem Wechsel erteilt hatte.

Präsident Constantin tätigte jedoch weiterhin Transfers und verpflichtete unter anderem den Belgier Emile Mpenza, da er der Auffassung war, das Transferverbot gelte nur für die Amateursektion des Clubs. Dieser Ansicht widersprach kurze Zeit allerdings das Bundesgericht und erklärte, dass die Transfersperre selbstredend auch für die Profiabteilung des FC Sion gelte.

Das Transferverbot wird weiterhin ignoriert

Constantin hielt sich jedoch nicht an das Transferverbot und verpflichtete auch im Winter 2009/10 weitere zwei Spieler und erhob gleichzeitig Einspruch gegen das FIFA-Urteil beim internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne. Abgesehen von einer Reduktion der Geldstrafe auf 760.000 Euro blieb das Urteil jedoch bestehen, was Sion nicht daran hinderte, weitere Neuverpflichtungen vorzunehmen, die seitens der Schweizer Liga (Swiss Football League, SFL) auch die Spielgenehmigung erhielten, da der rechtskräftige Bescheid über die Transfersperre seitens des CAS erst nach Beginn der laufenden Wechselperiode zugestellt worden war. Sion verpflichtete in diesem Sommer unter anderem den serbischen Nationalspieler Dragan Mrđa von Vojvodina Novi Sad.

Erstmals wird der Weg der Sportgerichtsbarkeit verlassen

Im Winter 2010/11 tätigte Sion erstmals keine Transfers, ging dazu jedoch im Sommer des heurigen Jahres wieder dazu über und verpflichtete sechs Spieler, unter anderem niemand geringeren als Ex-Barcelona-Spieler Gabri. Constantin war der Auffassung, dass er mit dem Verzicht auf Transfers in einer kompletten und zwei halben Wechselperioden bereits die Strafe der FIFA erfüllt habe, diese pocht jedoch darauf, dass es sich um zwei komplette Transferzeiten handeln müsse.

Die SFL teilte mit, dass man entsprechend den Vorgaben der FIFA zu handeln habe und verweigerte den betroffenen Akteuren die Spielerlaubnis. Sion zog daraufhin vor das Rekursgericht der Liga, wo man sich ebenfalls eine Absage einhandelte und mit der Argumentation, dass die Strafe bereits abgedient worden sei, scheiterte. In den bisher bereits ausgetragenen Ligapartien war Sion nur unter Protest angetreten.

Da sich Constantin diesem Entscheid wenig überraschend nicht beugen wollte, verließ er erstmals die Wege der Sportgerichtsbarkeit und rief am 5. August im Namen der sechs betroffenen Spieler das Bezirksgericht von Martigny, dem unfern von Sion gelegenen Hauptort des Kantons Wallis, an. Dort wurde eine superprovisorische Verfügung erlassen, laut der seitens der Liga den betroffenen Spielern die Einsatzgenehmigung erteilt werden müsse. Die Liga erklärte, dass man diesen Beschluss bekämpfen wolle und auch die FIFA forderte eine Prüfung der Sachlage, da Klagen vor einem Zivilgericht ihren Statuten widersprechen.

Morddrohung – Der Streit steht vor der Eskalation

Bereits einen Tag später stand das Auswärtsspiel in Basel auf dem Programm, nur wenige Minuten vor Anpfiff kam es jedoch zum Knalleffekt, da die Disziplinarkommission der SFL mitteilte, dass die sechs neu verpflichteten Spieler nicht spielberechtigt seien. Da der Gang vor ein Zivilgericht den Statuten widerspricht, erhielten sie eine Sperre von je einem Spiel. Constantin kommentierte dies damit, dass Ligaboss Thomas Grimm, der mit aller juristischer Härte gegen Sion vorgegangen war, „sein Todesurteil unterschrieben habe“. Dieser erhielt kurz darauf auch tatsächlich eine anonyme Morddrohung, worauf ihm in einer außerordentlichen Ligasitzung die Zuständigkeit für den Fall Sion entzogen wurde, was de facto einer Entmachtung entsprach. Einige Clubvertreter forderten zudem eine gemäßigtere Gangart seitens der Liga, nicht zuletzt deswegen, weil Constantin mit einer Klage in Höhe von 20 Millionen Franken aufgrund entgangener Transfereinnahmen drohte.
Ebenfalls wurde laut Schweizer Medien in dieser Sitzung darüber beraten, ob man Sion vom Spielbetrieb ausschließen solle, denn wenige Tage zuvor hatte der Schweizer Fußballverband (SFV) brisante Post seitens der UEFA erhalten, die damit drohte, sowohl Nationalmannschaft als auch Vereine aus dem internationalen Geschäft auszuschließen, wenn die Strafen der FIFA nicht umgesetzt werden sollten.

Luzern tritt unter Protest an

Nachdem die Spieler gegen Basel kurzfristig gesperrt worden waren, teilte der Verband in der Woche darauf mit, für den kommenden Spieltag keine Sperren gegen die sechs Neuzugänge von Sion auszusprechen. Aufgrund der Statuten und Reglements sei der Handlungsspielraum ausgeschöpft, hieß es weiter. Da Sion daraufhin mit einigen laut FIFA gesperrten Spielern gegen den FC Luzern antrat (1:1), fordert dieser nun einen 3:0-Sieg am grünen Tisch, wie Präsident Walter Stierli im Gespräch mit dem Tagesanzeiger ausführte. In der Woche darauf kam es zum Duell mit Aufsteiger Servette Genf, das Sion klar verlor. Die Genfer verzichteten darauf, unter Protest anzutreten.

Verlagerung auf das internationale Parkett

Da Sion regierender Cupsieger ist, verlagerte sich der Streitfall auch in den Europacup. Dort konnten die Walliser im Playoff zur Europa League zwar Celtic Glasgow ausschalten, setzten dabei aber erneut seitens der FIFA gesperrte Spieler ein, darunter auch den Doppeltorschützen aus dem Rückspiel, Pascal Feindouno. Celtic legte daraufhin Protest bei der UEFA ein, weshalb bei der Auslosung der Gruppenphase am Tag danach Sion unter Vorbehalt in eine Gruppe mit Atlético Madrid, Udinese und Rennes gelost wurde.

Eine Woche darauf, am 2.9., tagte das Dreiergremium der UEFA-Disziplinarkommission, das schnell zu dem Schluss kam, die beiden Spiele mit je 3:0 für Celtic zu werten und den Schotten den Platz in der Europa League zuzugestehen. In der schriftlichen Argumentation seitens der UEFA hieß es, dass Sion zum einen nach dem Transferverbot keine weiteren Spieler hätte verpflichten dürfen und zudem der Gang vor ein Zivilgericht die UEFA-Statuten verletzt habe. Sions Anwalt, Alexandre Zen-Ruffinen, gab sich damit nicht zufrieden, da die UEFA nicht zuständig sei, sich zum Transferverbot der FIFA zu äußern und der Fall aktuell beim CAS liege, der eine endgütige Entscheidung treffen soll. Zudem habe man die Kaderliste bei der UEFA bereits am 8. August eingereicht und diese sei damals genehmigt worden.

Viele Klagen, aber die UEFA bleibt hart

Da Constantin mit diesem Urteil gerechnet hatte, war er auch nicht unvorbereitet. Rund acht Anwälte waren damit beschäftigt, unter anderem auch Klage gegen UEFA-Generalsekretär Gianni Infantino einzubringen, da dieser den Brief mit der Ausschlussdrohung an den SFV unterschrieben hatte, was für Constantin den Tatbestand der Nötigung darstellte. Zudem befasst sich auch der CAS mit der Frage, ob die Verweigerung der Spielerlaubnis seitens der SFL rechtens war. In dieses Verfahren hat sich nun auch die FIFA eingemischt, die darlegen will, warum die Transfersperre auferlegt wurde.

Constantin gab sich indessen kämpferisch und ließ ausrichten „Am 15. September spielen wir in Madrid gegen Atlético! Darauf wette ich!“. Flüge und Hotels seien bereits gebucht gewesen und zur Not solle die UEFA eben eine Fünfergruppe einrichten. Neben der Berufung gegen das UEFA-Urteil klagte Constantin auch vor zwei Schweizer Gerichten eine superprovisorische Spielgenehmigung für die Europa League ein. Der Zivilgerichtshof des Kanton Wallis erklärte sich unzuständig für die Angelegenheit und wies die Klage zurück, während das Waadtländer Kantonsgericht Sion recht gab und eine superprovisorische Verfügung zur Teilnahme an der Europa League ausstellte. Dies kümmerte die UEFA jedoch nicht, so dass sie Sions Einspruch zurückwies, womit Celtic endgültig als Aufsteiger feststeht. Alles andere wäre nur zwei Tage vor dem Spiel in Madrid auch mehr als überraschend gewesen, zumal bekannt ist, dass es die UEFA sehr ungern sieht, wenn Zivilgerichte eingeschaltet werden.

Alles vergebens, Sion muss zuschauen

Somit blieb Constantins Kampf um eine Teilnahme an der Europa League, wie beinahe zu erwarten, vergebens, auch wenn Sion seitens der UEFA bereits die offiziellen Spielbälle zugesandt worden waren. Dass Constantin nun UEFA-Präsident Michel Platini aufgrund der Missachtung der Anordnung des Waadtländer Kantonsgerichts klagen will, wird diesen vermutlich kaum tangieren. Mit Spannung kann nun auf das endgültige Urteil des CAS erwartet werden; danach wird sich auch entscheiden, wie mit den Spielen der Schweizer Meisterschaft verfahren wird, die unter Protest ausgetragen worden waren.

Insgesamt steht der Schweizer Klubfussball dieser Tage in keinem guten Licht da: Neben der Causa Sion, die im Extremfall sogar die Suspendierung des gesamten Verbands seitens der FIFA bewirken könnte, treiben sich mit Bulat Tschagajew bei Xamax Neuchâtel und Majid Pishyar bei Servette Genf derzeit weitere unseriöse Gestalten an der Spitze von Super League Vereinen herum.

OoK_PS, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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