Die Partie zwischen dem FC Bayern München und Real Madrid gilt bereits als vorgezogenes Finale in der Champions League. Schon vor dem Achtel- beziehungsweise... Real Madrid empfängt den FC Bayern München | Was uns vom vorgezogenen Finale aus taktischer Sicht erwartet?

Pep Guardiola (FC Bayern München)Die Partie zwischen dem FC Bayern München und Real Madrid gilt bereits als vorgezogenes Finale in der Champions League. Schon vor dem Achtel- beziehungsweise Viertelfinale galten die beiden Mannschaften als Topfavoriten auf den CL-Sieg, wobei sich bei beiden dieser Status in den letzten Wochen etwas gelegt hat. Die Madrilenen verloren im Clásico mit 3:4 und zeigten nicht die von vielen erwartete Leistung gegen kriselnde Katalanen, wobei sie sich allerdings fangen konnten und vor kurzem gegen den Erzrivalen im Finale der Copa del Rey mit 2:1 gewannen.

Die Bayern konnten ihre hervorragende Form der letzten Monate nicht konservieren und scheinen seit dem Gewinn der Meisterschaft, aber auch in einzelnen Spielen davor, etwas schwächer geworden zu sein. Trotzdem könnte Real ihnen zurzeit entgegenkommen.

Die Krux mit der Balance

Bayerns größtes Problem ist die mangelnde Abstimmung in eigenem Ballbesitz. Gegen Augsburg und den BVB passten die Abläufe gegen ein hohes Mittelfeldpressing nicht, in den Partien gegen Manchester United scheiterte man gegen ein tiefes und passives Abwehrpressing. Wieso könnte also Real den Bayern zurzeit entgegenkommen? Die Madrilenen werden sich nicht weit in die eigene Hälfte zurückziehen, sondern ebenfalls pressen. Dabei sind sie aber trotz all ihrer individuellen Klasse und der neuen 4-1-4-1/4-1-3-2-Mischformation nicht immer gruppentaktisch sauber und kompakt.

Diese etwas geringere Kompaktheit im Vergleich zum BVB könnte Bayern in die Karten spielen. Ohne den verletzten Thiago und trotz des kriselnden Mario Götze fehlt es ihnen aktuell an Spielern, die sich in diesen engen Räumen mit Dribblings konstant und raumöffnend behaupten können. Einzig Philipp Lahm kann dies, doch er wird auf der Sechs oder als Rechtsverteidiger benötigt, zusätzlich ist er ein eher passiver Typ in seiner Passverteilung und in seinen Aktionen. Schweinsteiger und Kroos sind zwar ebenfalls pressingresistent und enorm spielintelligent, aber kommen nicht über ihre Dribblings, sondern intelligente Weiterleitungen und eher statische Ballbehauptungen.

4-2-3-1 oder 4-1-4-1 gegen Real?

Gegen Real und den durchaus auffindbaren offenen Räumen könnte dieser kleine Mangel Schweinsteigers und Kroos‘ allerdings weniger zum Tragen kommen. Sollte das der Fall sein, wirkt sich dies auch auf die Ballzirkulation aus, welche in den letzten Wochen kaum Durchschlagskraft erzeugte. Mit Schweinsteiger, Kroos und Lahm als mögliches Mittelfeldtrio hinter z.B. Müller, Robben und Ribéry wäre man bei einem unkompakten Pressing vermutlich wieder stabiler in der Zirkulation, hätte mehr Vertikalität und würde öfter hinter die letzte Linie kommen.

Jedoch könnte Lahm auch wieder nach rechts rücken, um in der Defensive gegen die starken Flügelstürmer Reals zu helfen und offensiv die Defensivlethargie Cristiano Ronaldos auszunutzen.

Dann wäre ein 4-2-3-1 die logische Option, wo man mit Götze vor Kroos und Schweinsteiger einen weiteren spielstarken Akteur und Nadelspieler ins Spiel bringen könnte. Alternativ könnte auch Mario Mandzukic vor Mario Götze oder Thomas Müller spielen. Mandzukic wäre dann eine mögliche Option für lange Bälle unter Druck, als Abnehmer von hohen Flanken in den Strafraum und als Raumöffner für vertikale Läufe des Zehners und das Einrücken der Flügelstürmer.

Interessant wird in Anbetracht des Gegners auch, wie genau Guardiola die Außenverteidiger spielen lässt.

Packt Guardiola gegen Bale und Cristiano Ronaldo die WM-Formation aus?

in eigenem Ballbesitz haben die Münchner in den vergangenen Partien die Außenverteidiger extrem weit einrücken lassen. Sowohl Lahm als auch Alaba standen dann wie defensive Mittelfeldspieler im Zentrum vor den Innenverteidigern, die teilweise sogar breiter standen als die beiden eigentlichen Außenverteidiger. Einer der Sechser ließ sich zwischen die Innenverteidiger fallen, während der andere sich nach vorne bewegte, wodurch ein 3-2-2-3 entstand – jene Formation, welche in den 30er-Jahren als WM-Formation Europa eroberte.

Mit dieser Ausrichtung verlor man zwar die Breite im ersten Spielfelddrittel, wodurch Robben und Ribéry weit vorne sehr breit spielen mussten, doch hatte mehr Absicherung im Zentrum. Der Gegner wurde nach Ballverlusten direkt auf die Seite gezwungen, was durchaus vorteilhaft sein kann. Gegen Real Madrid mit Marcelo und Carvajal als Außenverteidigern sowie Gareth Bale und Cristiano Ronaldo als Flügelstürmern und dem ausweichenden Karim Benzema als Mittelstürmer dürfte diese Ausrichtung aber eher kontraproduktiv sein.

Rückkehr zu mehr taktischer Orthodoxie?

Eine Option wäre es also ein eher klassisches 4-1-4-1 oder 4-2-3-1 zu spielen. Robben und Ribéry müssten sich etwas tiefer orientieren und nicht mehr situativ auf den Innenverteidiger des Gegners pressen, wie es schon oft gehandhabt wurde, sondern die Außenverteidiger wieder kompakter unterstützen. In eigenem Ballbesitz wäre eine Ausrichtung wie gegen Schalke mit drei eng aneinander spielenden und zurückfallenden Stürmern, den Außenverteidigern auf der Seite bleibend und flexibler Mittelfeldbesetzung denkbar. Wichtig wird hierbei aber auch, wie man mit der besonderen Formation Reals und ihren zwei Schlüsselspielern umgeht.

Angel Di Maria …

Auch wenn fast immer Bale und Cristiano Ronaldo als die wichtigsten Akteure Reals gelten, so sind es die beiden Achter, welche zumindest rein taktisch und in den meisten Spielphasen die weitreichendsten Aufgaben übernehmen und eine besondere Verantwortung haben. Nominell spielt Real in einem 4-3-3/4-1-4-1. Allerdings bleibt Cristiano Ronaldo gegen den Ball meistens weiter vorne und arbeitet defensiv nur situativ nach hinten, weswegen der halblinke Achter Di Maria den Linksverteidiger unterstützt und nach links arbeitet.

Auch offensiv unterstützt Di Maria. Wenn Cristiano Ronaldo sich von links ins Sturmzentrum orientiert, dann schiebt der Argentinier auf den Flügel. Bleibt Cristiano breit, dann geht Di Maria oft in die Spitze und versucht Räume zu öffnen. Dazu kommt bei Di Maria eine große Kreativität, eine starke Passquote unter Druck, herausragende Dribblings und eine fast absurde Laufbereitschaft, welche für einen extremen Mehrwert in der Defensive sorgt. Seine Mischung aus Dynamik, Ausdauer und Intelligenz sorgt für seine wichtige und häufig übersehen Bedeutung in allen Spielphasen.

… und Luka Modric als Spielentscheider?

Ähnliches trifft auch auf Luka Modric zu. In seiner ersten Saison bei Real wurde er noch nicht ordentlich eingebunden und musste zahlreiche Partien als Ersatzspieler auf der Zehn machen. Ihm kommt die Umstellung auf diese 4-1-4-1/4-1-3-2-Formation wie bei Di Maria ebenfalls sehr entgegen. Er kann sich nun neben Xabi Alonso im Aufbauspiel zurückfallen lassen, ist ein hervorragender Ballverteiler, geht immer wieder mit Ball am Fuß und Dribblings ins zweite und letzte Spielfelddrittel, kann den Ball auch unter großem Druck behaupten und besitzt eine herausragende strategische Intelligenz.

Defensiv wie offensiv dient er als Balancespieler, der die Bewegungen seiner Mitspieler ausgleicht, hervorragend absichert und vielleicht sogar der beste Achter der laufenden Saison ist – weltweit. Ihn werden die Bayern ebenso stoppen müssen wie Di Maria und die Flügelangriffe. Modric ist im Stande mit seiner intelligenten Ballverteilung, seinem Passspiel und seiner Pressingresistenz selbst ein sehr starkes Pressing auszuhebeln.

Vielleicht findet das Schlüsselduell zwischen diesen beiden Mannschaften in jenen Halbräumen statt, von wo aus Modric das Spiel aufbaut. Es wäre ebenso denkbar wie auf den Flügeln, wo beide Mannschaften sowohl offensiv als auch defensiv enorm gut besetzt sind.

Rene Maric

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