Bayern München verliert sein Auftaktspiel gegen Borussia Mönchengladbach mit 0:1. Dies bedeutet die erst zweite Heimniederlage der Bayern gegen Mönchengladbach überhaupt, nachdem man schon... 0:1 gegen Gladbach – warum sich die Bayern an einer doppelten Abwehrmauer die Zähne ausbissen

Bayern München verliert sein Auftaktspiel gegen Borussia Mönchengladbach mit 0:1. Dies bedeutet die erst zweite Heimniederlage der Bayern gegen Mönchengladbach überhaupt, nachdem man schon vor 17 Jahren durch einen Treffer von Stefan Effenberg und ein Eigentor von Andreas Herzog im Olympiastadion mit 1:2 unterlegen war. Nach den fast schon gewohnt arroganten Meisterparolen ist in München bereits nach dem ersten Spieltag wieder Feuer am Dach.

Dabei ließ die anfängliche Spielanlage der Bayern vermuten, dass der Führungstreffer nur eine Frage der Zeit sein würde. Mit über 60% Ballbesitz schnürte man Lucien Favres Gladbacher in der eigenen Hälfte ein. Das ist zumindest eine Sicht der Dinge. Eine andere wäre, dass sich die Borussia einschnüren ließ. Favre ist nicht erst seit gestern als brillanter Taktiker bekannt, bewies auch mit der Einstellung seiner Elf in der Allianz-Arena großes Gespür. Während der belgische Stürmer Igor de Carmargo als Freigeist an der Mittellinie verweilte, waren nicht selten alle anderen Gladbacher Akteure hinter dem Ball. Der Norweger Havard Nordtveit spielte einen Stopper vor der Abwehr, alle anderen Mittelfeldspieler bauten keine 15 Meter vor der sicher stehenden Viererabwehrkette der Gladbacher eine zweite Wand auf, die den Bayern den Spielaufbau erschwerte. Selbst die sonst offensiv eingestellten Mike Hanke und Marco Reus verrichteten aufopferungsvolle Defensivarbeit.

GOMEZ WEITESTGEHEND ABMONTIERT

Als Resultat gelang den Münchnern nicht all zu viel. In der ersten Halbzeit wurde das Team ausschließlich über links gefährlich, spielte bis zum Strafraum teilweise gefällig, schaffte es jedoch nie den letzten Pass anzubringen. Dieser entpuppte sich angesichts der dichten Gladbacher Abwehr auch als sehr schwer, weil Mario Gomez de facto die einzige Anspielstation in der Spitze war. Der aktive und technisch gute Müller klebte am linken Flügel, der niederländische Superstar Arjen Robben am rechten. Dahinter trauten sich weder der unauffällige Schweinsteiger, noch der bemühte, aber ebenfalls ineffiziente Kroos in die Spitze zu stechen, um Entlastung für Gomez zu schaffen. Die Gladbacher Innenverteidiger hatten verhältnismäßig leichtes Spiel, zumal sie sich zu 90% auf den Schützenkönig der Vorsaison konzentrieren mussten. Auch als Bayern-Coach Jupp Heynckes Zweitliga-Schützenkönig Nils Petersen brachte, änderte das nicht viel am Spiel. Da Gladbach zu diesem Zeitpunkt bereits in Führung lag, machte die mögliche offensive Entlastung den Jungs von Lucien Favre das Leben leichter.

AUSSENVERTEIDIGER ZU INAKTIV

Bezeichnend, dass der beste Spieler der Bayern an diesem Abend ein defensiver war. Der defensive Mittelfeldspieler Luis Gustavo, der vor einem halben Jahr aus Hoffenheim kam, glänzte vor der Abwehr als Balleroberer und –verteiler, wies nahezu perfekte Zweikampfstatistiken auf. Was jedoch hinter ihm geschah, wird beim FC Bayern in Zukunft nicht mehr lange toleriert werden: Die Außenverteidiger Lahm (nur in den ersten 25 Minuten halbwegs aktiv) und Rafinha spielten total verhaltene Partien, sahen über 90 Minuten wie unmoderne Defensivsicherungen für ihre Vorderleute Müller und Robben aus. Gerade als letztere regelmäßig gedoppelt wurden, wären weitere Offensivkräfte von Nöten gewesen, um das bayrische Powerplay gegen die Abwehrwand der „Fohlen“ noch zu verschärfen. Während man Innenverteidiger Badstuber defensiv keinen großen Vorwurf machen darf, steht sein Nebenmann Jerome Boateng bereits nach der ersten Partie in der Kritik. Der 22jährige Abwehrallrounder, der auch eine tragende Rolle im Nationalteam bekleiden soll, zeigte in seinem ersten Ligaspiel für den FC Bayern München dieselben Probleme auf, die ihn schon in seiner Zeit bei Manchester City „auszeichneten“. Boateng macht alles in einem Tempo, es gibt kaum Wechsel in seiner Spielintensität, seine Körperhaltung ähnelt vor allem in brenzligen Situationen eher der einer Ballerina, als der eines Profifußballers. Der hochgelobte Boateng ist für einen Verteidiger, der eine Chefrolle im Spiel eines europäischen Spitzenklubs einnehmen soll, (noch) eindeutig zu leichtfüßig. So sah sein Missverständnis mit Manuel Neuer vor dem 0:1 ebenso schlimm und teilnahmslos aus, wie auch sein katastrophales Zweikampfverhalten wenige Minuten später, als er Juan Arango im Strafraum nichts entgegensetzte, den gefährlichen Venezolaner einfach so passieren ließ und damit beinahe das 0:2 verschuldete.

BROUWERS UND DANTE GRANDIOS

Anders die Abwehr der Gladbacher. Bereits nach dem ersten Spieltag hat die Bundesliga ihre erste absolute Top-Defensivleistung. Die Innenverteidiger Roel Brouwers und Dante spielten fehlerfrei, vor allem der technisch starke Brasilianer zeigte, wieso seine kürzliche Vertragsverlängerung jeden Cent wert war. Auch die Außenverteidiger erlaubten sich keine Schnitzer: Der 32jährige Belgier Filip Daems spielte gegen Robben taktisch klug, zwang den Holländer zu Aktionen, die er eigentlich nicht setzen wollte. Auf der anderen Seite ließ sich der junge Tony Jantschke in seinem erst 22.Bundesligaspiel nie aus der Ruhe bringen, bewahrte die Nerven. In dieser Form werden die Außenverteidigerpositionen zu keinem Problem für die Gladbacher werden, vor allem da man mit dem Schweden Oskar Wendt, der vom FC Kopenhagen kam, noch einen absoluten Klassemann mit moderner Spielanlage in der Hinterhand hat.

TER STEGEN ALS „SIEGER DER TORHÜTER“

Auch kein Problem hat Lucien Favre bei der Torhüterwahl: Der 19jährige Marc-André Ter Stegen strahlte in seinem 7.Bundesligaspiel fast schon unverschämt viel Ruhe aus, hielt alles was zu halten war, ließ sich in der zweiten Halbzeit nicht mal ansatzweise auf versuchte Provokationen von Mario Gomez ein. Sein Gegenüber Manuel Neuer hatte hingegen nach einer knappen Stunde Lust auf zwei weite Ausflüge. Beim ersten Ausflug wäre er ins Leere gesprungen, als Igor de Carmago per Kopf auf 1:0 für Gladbach stellte – doch der Linienrichter sah ein Foul des in Brasilien geborenen Belgiers an dessen Gegenspieler. Eine harte Entscheidung, auch wenn es leichten Kontakt gab. In der 62.Minute klingelte es dann aber wirklich: Neuer wollte einen weiten Pass gut 20 Meter vor seinem Tor ausputzen, Boateng stellte den Widerstand ein, nachdem er Neuer aus dem Kasten fliegen sah. De Camargo nutzte die Verwirrung und erzielte per Kopf aus 18 Metern das Siegestor für Gladbach… ein Treffer, den der DFB-Teamkeeper auf seine Kappe nehmen muss, während sein sechs Jahre jüngeres Pendant im Gladbach-Tor einen wesentlich härteren Arbeitstag hatte, diesen jedoch fehlerlos bestritt.

DAS WARTEN AUF EINGESPIELTHEIT

In München gewinnt man trotzdem zumeist nur mit einem Quäntchen Glück. Das Abseitstor von Thomas Müller, etwa zehn Minuten nach dem Führungstreffer der Gladbacher, wurde wohl zu Unrecht aberkannt. Doch zusammenfassend muss man festhalten, dass der letztjährige Fastabsteiger aus Gladbach den FC Bayern im eigenen Stadion mit einer taktisch hochdisziplinierten Leistung aus der Fassung brachte. Die Bayern hatten zwar die Herrschaft im Mittelfeld, nicht mehr aber rund um den Sechzehnmeterraum des Gegners. Das schnörkellose, direkte Kurzpassspiel, das Borussia Dortmund am Freitag gegen den Hamburger SV nahezu in Perfektion praktizierte, blieb in der Allianzarena aus. Die Protagonisten des Bayern-Spiels wollten Tore erzwingen, bissen in dieser verkrampften Manier aber auf steinharten Gladbacher Granit. In dieser Form und angesichts der eklatanten Ideenlosigkeit in letzter offensiver Instanz hat der FC Bayern wohl nicht mal etwas mit dem Titelkampf zu tun. Und trotzdem darf man den historischen Sieg von Borussia Mönchengladbach nicht überbewerten und muss auch die Niederlage der Bayern relativieren, denn der Schweizer Trainer Lucien Favre bemerkte schon vor dem Spiel, dass die Bayern in der ersten Runde auswärts ein dankbarer Gegner ist, da es einige Spieltage dauern würde, Qualität in Unwiderstehlichkeit zu verwandeln. Der 53jährige behielt Recht – noch war der Vorjahresdritte der abgelaufenen Saison relativ handzahm. Aber die Bayern kommen schon noch – die erste Schlappe der neuen Saison kam zu einem guten Zeitpunkt…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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