Die Bayern sind unter Ancelotti etwas direkter und etwas simpler geworden. Nichtsdestotrotz sind sie wohl weiterhin die beste Mannschaft Deutschlands. Schalke hat auch den... Erst die Schlussphase bringt die Entscheidung: Bayern siegen auf Schalke

Robert Lewandowski - FC Bayern München_abseits.atDie Bayern sind unter Ancelotti etwas direkter und etwas simpler geworden. Nichtsdestotrotz sind sie wohl weiterhin die beste Mannschaft Deutschlands. Schalke hat auch den Trainer gewechselt: Markus Weinzierl übernahm die Geschicke bei den Knappen. Der Ex-Augsburger überzeugt nicht unbedingt in der Trainingsarbeit, denn die viele isolierte Übungsformen und Überbelastung im Trainingslager werden, zumindest auf lange Sicht, ihren Tribut zollen. Dennoch scheint Weinzierl ein gutes Gespür dafür zu haben, die richtige Startelf und die passende Strategie zu wählen.

Prinzipielle Ausrichtungen

Die Schalker pressten in einem mannorientierten 4-4-1-1/4-4-2. Dies wurde vor allem auf den Flügeln verdeutlicht, wo die Flügelstürmer ihre Gegenspieler oft weit verfolgten, anstatt das Zentrum zuzustellen. Huntelaar war die Speerspitze des Mittelfeldpressings und sollte nach Bogenläufen Verlagerungen zustellen, während Zehner Goretzka sich an Alonso orientierte. Dies ging so weit, dass er ihn sogar beim Abkippen verfolgte, sodass teilweise 4-3-3-Staffelungen im Pressing der Schalker entstanden. Mit viel Intensität und konsequent ausgeführten Mannorientierungen schafften es die Gelsenkirchner Zugriff auf die Bayern zu erhalten. Man wartete auf bestimmte Pressing-Trigger, meist war dies die Ballkontrolle des Passempfängers mit dem Rücken zum Tor. Dann attackierte man aggressiv und rückte weit nach. Ansonsten suchte man sich die „Schlachten“ bedacht aus, man wollte nicht schon zur Halbzeit völlig erschöpft sein, weswegen es immer wieder Phasen des tieferen Pressings gab.

Das Schalker 4-4-1-1-Mittelfeldpressing mit Mannorientierungen auf den Flügeln.

Im Aufbau versuchten die Schalker schon beim Abstoß flach herauszuspielen, selbst bei höherem Zustellen von den Bayern waren die Schalker mutig und versuchten es zumindest. Meist wurde jedoch schon der zweite Pass hoch gespielt, aufgrund der Mannorientierungen der Bayern hatte der Passempfänger sofort einen Gegenspieler und schlug diesen meist ebenfalls einfach vor, weshalb ein sauberer Ballvortrag nicht gelang, wenn die Bayern mal höher pressten.

Trotz dreifacher Zentrumsbesetzung waren die Schalker einmal mehr sehr flügellastig, Athlet Choupo-Moting und der Ostblock-Dribbler Konoplyanka wurden immer wieder gesucht, um Durchbrüche auf den Seiten und Hereingaben in den Strafraum zu generieren. Max Meyer fehlte den Schalkern eindeutig als Kreativzentrale, er wurde jedoch für den defensiv stärkeren Goretzka geopfert.

Im 4-3-3 pressten die Bayern ebenfalls recht hoch und wollten den Schalker Spielaufbau schnell unter Druck setzen. Die S04-Aufbauspieler mussten auch die meiste Zeit den Ball hoch und weit nach vorne schlagen, denn das mannorientierte Pressing der Münchner bot gute Zugriffsmöglichkeiten. In tieferen Zonen formierte man sich in einem 4-1-4-1, dies kam aufgrund der eigenen Dominanz im Ballbesitz jedoch selten vor.

Deutlich öfter gab es hingegen Gegenpressingsituationen, die zwiespältig gelöst wurden. Aufgrund der nicht optimalen Struktur im Ballbesitz konnte man in manchen Szenen nur individuell nachsetzen, aufgrund der Mannorientierungen hatte man bisweilen jedoch dennoch Zugriff auf potentielle Passoptionen der Schalker nach Ballgewinn.

Die Bayern agierten im Aufbau in einem orthodox orientierten 4-3-3, wo die Positionen klar verteilt  waren und nicht sonderlich viel rotiert wurde. Einzig im Aufbau kippte situativ ein Achter ab, um eine Doppelsechs im Aufbau zu bilden. Im Gegensatz zum Ende der Zeit unter Guardiola waren es nun wieder die Außenverteidiger, die Breite und Höhe geben sollten, wobei Lahm doch einige Male, wenn es die Situation erforderte, sich im Halbraum befand und auch diagonale statt nur lineare Dribblings ausführte.

Viel wurde geredet über das spielstarke Innenverteidiger-Paar Hummels/Boateng, viele vergaßen hierbei jedoch, dass die Bayern einen weiteren, extrem passstarken Innenverteidiger haben: Javi Martínez. Seine Ballsicherheit zeigte er auch in diesem Spiel und krönte seine starke Leistung mit einem Assist.

Der FC Bayern im Ballbesitz.

Bayern mit mehr Ballbesitz (ah geh!)

Die Münchner hatten von Beginn an die Kontrolle über das Spielgerät übernommen und gaben diese auch nur selten her. Thiago und Sanches überzeugten mit Ballsicherheit, mit vielen kleinen Drehungen konnte man die aggressiv attackierenden Schalker immer wieder gerade noch von sich weghalten. Dennoch waren die Strukturen in der Offensive nicht ideal, dies lag auch an der mannorientierten Spielweise, die man in der Defensive übte. Denn durch Mannorientierung lässt man sich aus Positionen ziehen, man ist (bei Mannschaften, die Mannorientierungen ausreichend gut einbinden nur bis zu einem gewissen Maß) ungeordnet. Gewinnt man den Ball, dann bleibt diese Unordnung natürlich bestehen, weshalb es schwieriger ist den Ball effektiv zirkulieren zu lassen. Die Bayern haben die individuell bessern Spieler, deswegen kommen sie in einigen Situationen auch mit schlechten Staffelungen davon. Doch gerade bei so mutig attackierenden Gegnern wie es die Schalker waren kann sich das schädlich auswirken. Verbindungslosigkeit nach Ballgewinn bei richtigem Timing im Attackieren sehr gut genutzt werden, selbst wenn man jemanden wie Thiago in der Mannschaft hat, der sich stets passend vororientiert und weiß, was um ihn herum geschieht. Wenn jedoch niemand da ist, zu dem er spielen kann, weil die Strukturen schlecht sind, dann ist er leichter in ein Duell zu verwickeln und die Wahrscheinlichkeit eines Ballgewinnes erhöht sich. Sanches und Alonso sind zudem nicht besonders berühmt für ihre Orientierungsfähigkeiten, weshalb das situativ hohe Pressing der Schalker sehr wirksam war.

Im letzten Drittel versuchten die Bayern vor allem Ribéry und seine diagonalen Dribblings in Szene zu setzen, dies schaffte man durch raumschaffende Bewegungen von Alaba. Müller und Lewandowski besetzten den Strafraum dynamisch und versuchten Hereingaben zu verwerten. Auch auf rechts gab es diese Mechanismen, Lahm und Thiago wechselten bisweilen Positionen und zogen Gegner weg, Müller startete in die in der Viererkette der Schalker geöffneten Räume.

In dieser längeren Szene sehen wir ganz am Anfang, sowie am Ende des Spiezugs, Mechanismen um Räume für Müller und Ribéry auf den Flügeln zu öffnen.

Mit Fortlauf der Spielzeit kippte Alonso öfter zwischen die beiden Innenverteidiger ab, dies wurde jedoch dennoch von Goretzka verfolgt, sodass sich 4-3-3-Staffelungen im Pressing der Schalker ergaben. Hierbei halfen die Mannorientierungen der Schalker, die dadurch unter Druck gesetzt wurden, aus dem sie sich nur schwer befreien konnten. Oft bekamen zur Unterstützung zurückfallende Spieler den Pass mit dem Rücken zum gegnerischen Tor und konnten meist gestoppt werden, wenn auch teilweise mit Fouls. Die Defensive der Gastgeber funktionierte gut genug, um in Halbzeit zwei kaum gefährliche Angriffe der Bayern zuzulassen. Einzig in der Offensive hatte man selbst Probleme, auch hier kämpfte man mit der eigenen Unverbundenheit, Huntelaar lag in der Luft und hatte kaum Ballkontakte. Nicht mal simple Ablagen konnte er spielen, da das Zentrum im Aufbau der Schalker stiefmütterlich ignoriert wurde.

Spiel beginnt mit Kimmich

Die Geschichte des zweiten Durchgangs ist sehr schnell erzählt: In der zweiten Halbzeit zeigte sich lange Zeit ein ähnliches Bild wie in den ersten 45 Minuten, nämlich teils unverbundene Bayern mit unsauberen Angriffen, schwach strukturiertem Gegenpressing und vielen Schalker Konterversuchen. In der 61. Minute wechselte Ancelotti Vidal für Alonso und Costa für Ribéry, er wollte mehr Vertikalität. Richtige Auswirkungen hatten diese Wechsel jedoch erst, als der entscheidende Mann für Sanches kam: Joshua Kimmich. Der Pep-Liebling agierte auf der Acht und brachte mit Thiago auf der Sechs endlich wieder Struktur ins Ballbesitzspiel. Durch die kluge Positionierung der beiden war man offensiv wie defensiv stabiler, die Passgenauigkeit der gesamten Mannschaft nahm nach der Einwechslung Kimmichs um fast zehn Prozent zu.

In Minute 82 war es dann so weit, die Bayern erzielten die Führung: Nach klugem Aufrücken von Martínez und somit Ausnutzen der Zuordnungen bei Mannorientierungen und seinem Schnittstellenpass in die Tiefe konnte Lewandowski allein vor dem Tormann zum 0:1 einnetzen. Die Schalker versuchten nochmals mit höherem, aggressiverem Pressing wieder ins Spiel zu finden. Durch kluges Freilaufverhalten und Direktpässen konnten die nun gut strukturierten Bayern sich über die durch die Bank spielstarke Defensive und Thiago und Kimmich durchspielen. Mit deutlich mehr Ballbesitz und besserem Positionsspiel erinnerten die Bayern wieder etwas an letzte Saison, auch hier suchte man die entscheidenden Durchbrüche am Flügel.

Die Schalker konnten oft nur über individuelle Aktionen Angriffe starten, Ben Taleb und der eingewechselte Embolo waren hierbei treibende, jedoch in der Luft hängende Kräfte. Es fehlte ein klarer Plan in der Offensive bei den Gelsenkirchner, die mit einem solchen vor allem in der ersten Halbzeit mehr aus dem Spiel hätten machen können. Kurz vor Abpfiff konnten die Bayern dann noch auf 2:0 erhöhen. Kimmich krönte nach einem Konter seine herausragende Leistung mit der erhöhten Führung.

Fazit

Die Bayern zeigten lange Zeit eine schwache Leistung, aggressiv und konsequent agierende Schalker ließen in der Defensive nichts anbrennen. Nach der Einwechslung Kimmichs stellte man im Mittelfeld wieder Struktur im Ballbesitz her und konnte das individuelle Potential besser ausschöpfen.

David Goigitzer, abseits.at

David Goigitzer

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