Vor einer Woche gab Hertha BSC Berlin die Verpflichtung von Otto Rehhagel bekannt. Der neue Chefcoach soll verhindern, dass die aktuelle Saison für den... Otto Rehhagel auf Rettungsmission in Berlin – Messias oder Medien-Gag

Vor einer Woche gab Hertha BSC Berlin die Verpflichtung von Otto Rehhagel bekannt. Der neue Chefcoach soll verhindern, dass die aktuelle Saison für den Hauptstadtclub in einer Katastrophe endet. Während einige Trainer-Kollegen diese interessante Variante loben, halten sich andere nicht mit Kritik zurück.

Mit der Verpflichtung von König Otto kehrt eine große Persönlichkeit zurück in die Bundeshauptstadt, ein Trainer, der bereits vor 48 Jahren mit diesem Verein gegen den Abstieg spielte. Als die deutsche Bundesliga im Jahr 1963 gegründet wurde unterschrieb der damals 25-jährige Abwehrspieler einen Vertrag bei Hertha BSC Berlin. Diese Zeit sollte jedoch nicht als Omen für die aktuelle Saison herhalten, denn die Hertha stieg damals ab. Aus sportlicher Sicht gelang dem Verein zwar der Klassenerhalt, der DFB verhängte jedoch den Zwangsabstieg über den Klub, da unerlaubte Handgelder an einige Spieler bezahlt wurden. Da der Wiederaufstieg nicht gelang wechselte er 1966 zum 1. FC Kaiserslautern, wo er bis zu seinem Karriereende bleiben sollte.

Eine Verpflichtung mit Vor- und Nachteilen

Die Traditionalisten im Verein wurden allesamt zufriedengestellt, denn wem würden sie mehr vertrauen, als einem Mann, der schon zum Zeitpunkt der Bundesliga-Gründung für diesen Klub kickte. Dazu strahlt der Europameister eine Autorität aus, die nur wenige Trainer besitzen. Diese Autorität wird Rehhagel in den nächsten Wochen auch dringend benötigen, um innerhalb der Mannschaft wieder für Ordnung zu sorgen. Einigen Spielern fehlte zuletzt die nötige Einstellung, es wurde nicht an einem Strang gezogen und Gruppenbildungen waren an der Tagesordnung. Rehhagel wird so ein Verhalten nicht akzeptieren und unter den Fans laufen schon Wetten, ob es in nächster Zeit zu Suspendierungen kommen wird. Ein weiterer Pluspunkt ist seine große Erfahrung, die dem 73-Jährigen im Abstiegskampf sicherlich weiterhelfen wird.

Als Nachteil muss natürlich angesehen werden, dass er seit mehr als zehn Jahren keine Klubmannschaft trainierte und die tägliche Arbeit am Platz mit einer Mannschaft schon lange nicht mehr praktizierte. Dazu kommt der hohe Altersunterschied zu den teilweise nicht einfach zu handhabenden Spielern. Hier sind die bisherigen Interimstrainer René Tretschok (43) und Ante Čović (36) gefordert, die bei ihrem Debüt auf der Trainerbank gegen Borussia Dortmund trotz der 0:1-Niederlage die Mannschaft einen ordentlichen Job machten und die Mannschaft gut auf den starken Gegner einstellten. Einen Fehlstart wird sich König Otto nicht erlauben dürfen, denn wenn er in den ersten Spielen nicht punktet, dann wird sich die Berliner Presse auf ihn und auf Sportdirektor Michael Preetz gnadenlos einschießen, was die Unruhe im Verein nicht kleiner machen würde.

Welche personellen Änderungen sind zu erwarten?

Die Interimstrainer stellten schon letzte Woche einiges um und schickten eine Mannschaft aufs Feld, die sich gegen Borussia Dortmund gut verkaufte. Linksverteidiger Levan Kobiashvili spielte im defensiven Mittelfeld, eine Rolle, die der Georgier auch in der Nationalmannschaft und bei seinem ehemaligen Klub FC Schalke 04 immer wieder einnahm. Er machte einen guten Job und könnte auch unter Rehhagel zentral spielen. Als Rechtsverteidiger bekam Christoph Janker den Vorzug gegenüber Alfredo Morales, Stürmer Pierre-Michel  Lasogga kam hingegen erst als Joker in die Partie, da er einen überspielten Eindruck machte. Statt ihm begann Adrian Ramos, der zuletzt als linker Flügelspieler auflief, als zentrale Sturmspitze. Man darf gespannt sein, ob Rehhagel an diesen Änderungen festhalten wird.

Ein altmodischer Trainer?

Nachdem Rehhagel die Europameisterschaft 2004 mit Griechenland gewann, erntete er nicht nur Lob, sondern wurde auch kritisiert, da er angeblich einen unmodernen, destruktiven Fußball spielen ließ. Dabei wird aber gerne übersehen, dass er während des gesamten Turniers die Mannschaft absolut perfekt auf die übermächtigen Gegner einstellte und die Abwehr um Dellas, Kapsis, Seitaridis und Fyssas komplett unterschiedlich einstellte. Wer den ausgezeichneten ballverliebt-Artikel zu diesem Turnier kennt, der wird sich mit Kritik zurückhalten und den Hut vor König Otto ziehen. Ihn für dieses Turnier auch nur ansatzweise zu kritisieren ist absurd. Mit dem vorhandenen Spielermaterial hat er das absolute Maximum herausholen können. Anders wären die Griechen nie Europameister geworden.

Uli Borowka äußerte sich in seiner 11-Freunde-Kolumne absolut positiv über Rehhagel und merkte an, dass der Trainer kein Defensiv-Apostel ist. Wenn er die notwendigen Typen in der Mannschaft hat, dann kann er auch eine richtig offensive Truppe in die Schlacht schicken. Als er mit dem SV Werder Bremen auf Volker Finkes Freiburg traf, stellte er neben Torhüter Reck mit Borowka, Eilts und Votava nur drei defensiv ausgerichtete Spieler auf, während Herzog, Basler, Neubarth, Bestchastnykh, Bode, Hobsch und Rufer in der Offensive ein Feuerwerk loslassen sollten. Der Mut wurde belohnt, denn Werder entschied die Partie mit 3:1 für sich. Es gibt wohl einige Trainer in der Bundesliga, die noch nie eine so offensive Mannschaft auf ihre Gegner losließen.

Kritik aus Kaiserslautern – aber auch viel Lob

Obwohl Hertha BSC Berlin die letzten fünf Meisterschaftspartien verlor und den letzten Sieg vor elf (!) Spieltagen feiern durfte, stehen die Berliner derzeit mit 20 Punkten als 15. der Tabelle auf einem Nichtabstiegsplatz. Die drei dahinterliegenden Mannschaften haben jedoch allesamt nur zwei Punkte Rückstand, sodass ein absolut spannender Kampf um den Abstieg erwartet werden darf. Gerade der 1. FC Kaiserslautern, Rehhagels ehemaliger Klub, sparte nicht mit Kritik und bezeichnete die Bestellung Rehhagels als  Medien-Verpflichtung. Der Vorstandsvorsitzende Stefan Kuntz ließ verlautbaren: „Ich kenne ihn nicht persönlich, weder als Spieler noch als Trainer. Ich glaube aber, dass das eine reine Medien-Verpflichtung war! Da wir in Lautern aber nicht in einer extremen Medienstadt leben, wäre das für mich kein Gedanke gewesen

Viele Trainer-Kollegen konnten der Bestellung aber auch positive Seiten abgewinnen. Werder-Coach Thomas Schaaf: „Wir wissen, was er verkörpert. Ich glaube, er ist ein absoluter Fachmann. Ich habe da keine Bedenken. Wenn Otto sich das zutraut, dann hat er auch einen Plan. Er weiß genau, was er macht.“

Auch Nürnberg-Trainer Dieter Hecking findet sein Comeback in der Bundesliga gut: „Ich habe Otto Rehhagel beim Champions-League-Spiel Bayer Leverkusen gegen FC Barcelona getroffen. Auf mich macht er den Eindruck, dass er heiß auf die Aufgabe ist. Ich glaube, dass es kein schlechter Schachzug von Hertha ist.“

Fazit

Nicht nur dir Trainer und Medien sind sich nach Rehhagels Bestellung nicht einig, ob dieses Comeback von Erfolg gekrönt sein wird, auch die eigenen Fans sind sich uneins. Preetz geht mit dieser Verpflichtung sicherlich ein hohes Risiko ein, aber nach dem Skibbe-Desaster steht er ohnehin mit dem Rücken zur Wand und kann sich keinen weiteren Fehlgriff leisten. Ein Abstieg wäre für den Verein eine wirtschaftliche Katastrophe von der sich der Klub nur schwer erholen würde. Es ist klar, dass Rehhagel nicht mehr der richtige Trainer ist, um langfristige Konzepte durchziehen zu können – aber das ist in der momentanen Krisensituation ohnehin nicht möglich. Momentan zählt nur jeder Punkt – eine langfristige Strategie, wie der Klub sein riesiges Potential nutzen kann, muss  man sich jedoch spätestens dann überlegen, wenn der Klassenerhalt gesichert ist.

Stefan Karger, www.abseits.at

Stefan Karger

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