Mit einem 2:1-Heimsieg startete der amtierende Meister Borussia Dortmund gestern in die 50. Bundesligasaison. Gegen Werder Bremen hatte der Doublegewinner aber weit mehr Mühe... Taktisch unspektakulär aber sehr unterhaltsam – Dortmund schlägt Bremen zum Bundesliga-Auftakt

Mit einem 2:1-Heimsieg startete der amtierende Meister Borussia Dortmund gestern in die 50. Bundesligasaison. Gegen Werder Bremen hatte der Doublegewinner aber weit mehr Mühe als ihm lieb war. Zwar brachte Neuzugang Marco Reus sein Team vor 80.645 Zuschauern in Führung, Gebre Selassie zog für die Gäste aber gleich. Letztlich war es dem eingewechselten Mario Götze vorbehalten das erste Punktspiel der Jubiläumssaison zu entscheiden.

BVB-Trainer Jürgen Klopp war klar, dass seine Mannschaft „nicht die Sterne vom Himmel spielen“ würde. Unterm Strich fallen die ersten drei Saisonpunkte aber durchaus glücklich aus. Werder begann stark, hatte nach einem kleinen Durchhänger gute Chancen – unter anderem ein Stangenschuss von Arnautovic – ehe man den Ausgleich erzielte. Aber in der Defensive stellten sich die Bremer zu ungeschickt an, wodurch ein besseres Ergebnis aus der Hand gegeben wurde.

Kirch ersetzt Piszczek

Borussia Dortmund musste mit Lukasz Piszczek einen wichtigen Baustein seines Angriffsspiels verletzt vorgeben. Obwohl der Pole nominell als Rechtsverteidiger gelistet wird, ist er ein Aktivposten in der Vorwärtsbewegung und ein ständiger Gefahrenherd für die Außenbahn des Gegners. Den Platz des 27-Jährigen nahm Oliver Kirch, der vor der Saison überraschend von Absteiger Kaiserslautern kam, ein. Dass der Defensivallrounder in einer anderen Klasse als Piszczek spielt, wurde schnell klar. Viele Angriffe der Bremer kamen auf seiner Seite durch, die von seinen Kollegen oft nur in höchster Not abgewehrt werden konnten. Ansonsten vertraute Klopp auf das altbewährte Personal, gab Dauerläufer Großkreutz den Vorzug gegenüber dem formstarken Perisic. Siegtorschütze Götze ist noch nicht auf höchstem Fitnesslevel, weswegen er ebenfalls von der Bank kam.

Werder ohne klassischen Stürmer

Werder-Coach Thomas Schaaf wechselte im Vergleich zum Cup-KO bei Preußen Münster zwar nur auf einer Position, was aber eine gravierende Änderung der Spielphilosophie zur Folge hatte. Statt Stoßstürmer Petersen kam Arnautovic neu in die Mannschaft. Der ÖFB-Legionär ordnete sich auf dem rechten Flügel ein, wodurch de Bruyne ins Sturmzentrum wechselte. Als gelernter Mittelfeldspieler kippte der Belgier aber immer wieder aus diesem heraus, wodurch ein 4-6-0 entstand. Erfreulich aus österreichischer Sicht war vor allem, dass neben Arnautovic mit Junuzovic und Prödl zwei weitere Teamspieler nicht nur zur Startelf, sondern auch zu den auffälligsten Akteuren gehörten.

Ungelernte Außenverteidiger als Schwachstelle

Das Spiel setzte sich zunächst vor allem auf der kameranahen Seite fest – kein Zufall, spielten dort mit Kirch und Ignjovski doch zwei potentielle Schwachstellen auf den defensiven Außenbahnen. Beide Akteure sind ursprünglich im zentralen, defensiven Mittelfeld beheimatet und boten durch ihr lückenhaftes Stellungsspiel eine Menge Angriffsfläche. Sie öffneten immer wieder die Schnittstellen zum nahen Innenverteidiger. Die nebenstehende Grafik zeigt die angekommenen Pässe, gespielt aus dem Mittelfeldzentrum, von Gündogan (8) und Kuba (16) bzw. Fritz (8), Hunt (14) und Junuzovic (16). Wie man ganz klar erkennen kann bevorzugten die erwähnten Spieler bei Vorwärtspässe in erster Linie die anfälligen Zonen des Gegners. Die nennenswerteste Szene dabei war ein Steilpass von Hunt in der ersten Hälfte auf Elia, der Kirch entwischte, im Abschluss aber an Weidenfeller scheiterte.

BVB-Angriff abgeschnitten

Neben ansehnlichen Offensivaktionen hinterließ Werder Bremen aber auch defensiv einen starken Eindruck. Mit meist allen Spielern hinter dem Ball, auch bei weit fortgeschrittener Spielzeit, verschoben die Grünen kompakt, stellten die zentralen Schnittstellen zu, wodurch vor allem Lewandowski und Reus vom Aufbauspiel abgeschnitten wurde. Zudem wurde der polnische Torjäger von Prödl auf Schritt und Tritt verfolgt. Am Ende standen beim Steirer 24 gewonnene, bei sieben verlorene, Zweikämpfe zu Buche – so viele wie bei keinem anderen Spieler. Auch Gündogan, der vor allem in der letzten Rücksaison aus dem zweiten Drittel für Gefahr sorgte wurde von Werder Zentrale gut isoliert. Im Normalfall hat die Borussia für solche Fälle mit Innenverteidiger Hummels ein weiteren tiefen Spielmacher im Talon, der Innenverteidiger agierte aber ungewohnt verhalten im Spielaufbau. Selten setzte er zu Vorstößen an um die Gegenspieler aus ihrer Position zu locken, auch die gefürchteten Weitpässe blieben aus. Stattdessen nahm er stets eine absichernde Position ein. Man wollte damit offenbar jegliche Gefahr in leichtsinnige Konter zu laufen verhindern.

Überladenes Zentrums als Ausgangspunkt beider BVB-Tore

Ansonsten setzte Borussia Dortmund auf das gewohnte Angriffsmuster: Die beiden Flügelspieler positionierten sich sehr zentral, wodurch man eine Überzahlsituation im Zentrum erzielen wollte. Die Seiten besetzen dann die beiden Außenverteidiger, was Schmelzer konsequenter tat als Kirch. Obwohl viele dieser Versuche ohne Erfolg blieben, war es genau dieses Szenario, das schließlich Ausgangspunkt der beiden Tore war. Vor dem 1:0 standen, nachdem der BVB einen Freistoß zu seinen Gunsten abfing, gleich drei Schwarz-Gelbe in Mittelfeldzentrum alleine. Kuba konnte in der Folge unbedrängt nach vorne marschieren, die Orientierungslosigkeit von Ignjovski und die Abschlussstärke von Reus taten ihr Übriges.

Auch dem Siegtreffer ging eine lokale Überlegenheit im zweiten Spielfelddrittel voraus und wieder war es Kuba, der diese durch sein Einrücken erzwang. Nachdem er den übermütig heranstürmenden Arnautovic austanzte, ließ er zwei weitere Bremer stehen und gab das Leder an seinen Landsmann Lewandowski weiter, der Götze einsetzte. Schmelzer am unteren Bildrand sorgte dafür, dass sich Gebre Selassie nach außen orientierte, wodurch der Rechtsverteidiger die entscheidenden Schritte zu spät kam und Deutschlands Supertalent nicht am Abschluss hindern konnte.

Stürmerloses System stellt Dortmund vor Schwierigkeiten

Auch Werder Bremen war bemüht die Oberhand im Zentrum zu erlangen, tat dies aber auf eine andere Art und Weise. Stürmer de Bruyne ließ sich zurückfallen und Junuzovic rückte etwas auf. Auch Hunt konzentrierte sich auf den zentralen Bereich des Spielfelds, wie man den durchschnittlichen Positionen entnehmen kann – jene von Fritz ist deshalb so weit links, weil er nach Ignjovskis Auswechslung links hinten spielte. Dadurch brachte man vor allem Dortmunds Innenverteidiger in eine unangenehme Lage. Einerseits konnten sie aufgrund der Tatsache, dass Werders Flügelspieler die Außenverteidiger durch breites, hohes Stehen zurückdrängten, nicht planlos nach vorne rücken, da sie sonst etwaige Räume für nachstoßende Bremer aufreißen würden. Andererseits überließen sie sonst die Zentrale ihren Konkurrenten. Unterm Strich stand aber ein recht ausgeglichenes Kräfteverhältnis in dieser Zone.

Dortmund individuell besser

Im Großen und Ganzen war das Eröffnungsspiel der 50. Bundesligasaison kein besonderes Taktik-Highlight. Beide Mannschaften kämpften um das Zentrum, hatten dort in der Realität wie auf dem Papier (2-1- vs. 1-2-Stellung) annähernd gleiche Anteile. Auch die nominellen Schwachstellen waren deckungsgleich, so dass es wenig überraschend individuelle Einzelleistungen waren, die das Spiel entschieden. Auf der einen Seite wähnte sich Dortmunds Defensive beim Ausgleich in Sicherheit, der Ball hätte die Torauslinie überschritten und bot Arnautovic enorm großen Platz an. Andererseits profitierte man beim 1:0 von der unterirdischen Abwehrleistung Werders und beim 2:1 von einer Energieleistung von Kuba. Ein Unentschieden scheint zwar ein gerechteres Ergebnis zu sein, letztlich war es aber die höhere individuelle Klasse, die man Borussia Dortmund auch vor dem Spiel zugestand, die das Pendel zugunsten des amtierenden Titelträgers ausschlagen ließ.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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