Obwohl 1899 Hoffenheim die drittmeisten Tore aller Bundesligisten erzielt hat, liegen sie bloß auf Rang zwölf. Das erklärt sich durch die extrem offensive Spielphilosophie,... TSG 1899 Hoffenheim – der Offensivwirbel aus dem Kraichgau

TSG 1899 HoffenheimObwohl 1899 Hoffenheim die drittmeisten Tore aller Bundesligisten erzielt hat, liegen sie bloß auf Rang zwölf. Das erklärt sich durch die extrem offensive Spielphilosophie, die Markus Gisdol seiner Mannschaft eingeimpft hat.

Als Spielstil schweben Gisdol schnelle Kurzpasskombinationen vor, die bereits in der Abwehr vorbereitet werden. Mit Vestergaard, Süle und mit Abstrichen Abraham verfügt die TSG über technisch versierte Innenverteidiger, die den Ball flach nach vorne befördern können. Unterstützt werden sie von Polanski, der aus dem defensiven Mittelfeld abkippt, um Überzahl in der ersten Linie zu schaffen. Dafür schieben die Außenverteidiger sehr hoch, wodurch sie ihre Gegenspieler in die Tiefe ziehen. Insgesamt ist ihre Ballzirkulation bereits in der Verteidigung sehr schnell, außerdem schlagen sie gute lange Pässe auf Stürmer Modeste oder in den Lauf Vollands. Auffällig ist, dass sie aufgrund ihrer Direktheit die eigenen zentralen Mittelfeldspieler, die nicht abgekippt sind, häufig einfach überspielen.  Deswegen wird ihr Spiel häufig schwer auszurechnen, allerdings schadet ihnen ihr hohes Tempo selbst gelegentlich.

Das Traumpaar – Volland und Firmino

Die Offensivreihe ist ihre große Stärke, da sich ihre Stars Roberto Firmino und Kevin Volland durch Beweglichkeit, Technik und Schnelligkeit auszeichnen. Volland hat ein hervorragendes Gespür für Läufe im Strafraum, ein gutes Passspiel und ist auch im Pressing eine Waffe. Er agiert auf dem rechten Flügel, um von dort diagonal in die Spitze zu ziehen und seinen starken Torabschluss auszuspielen.  Zudem kann er auch in den Halbraum rochieren.

Firmino ist ein moderner Zehner, der eine sehr gute Ballannahme besitzt und mit Dribblings in engen Situationen Raum schafft. Hoffenheim fokussiert die Angriffsbemühungen meistens auf den rechten Halbraum, der auch Firminos favorisiertes Terrain ist. Dort harmoniert er wunderbar mit Volland, sie sind wegen ihrer fluiden Bewegung kaum zu stoppen. Beck beackert währenddessen den ganzen Flügel, um eine Option für Verlagerungen zu bieten. Modeste bietet sich situativ mit dem Rücken zum Tor an, um Pässe weiterzuleiten und die Verteidiger aus ihrem Raum zu locken, was wiederum Volland erfreut. Mit Rudy und Salihovic gibt es im Kader auch spielfreudige Optionen für die Reihe dahinter.

Im Endergebnis führt das dazu, dass die TSG mit hohem Tempo, technischer Sauberkeit und beeindruckender Kreativität angreift. Daher haben sie hinter Bayern und Dortmund die meisten Bundesliga-Tore erzielt.

Aggressives Chaospressing

Wenn Hoffenheim den Ball verliert, nutzen sie die Überzahlsituationen, die sie im Ballbesitz kreieren, für sofortiges Gegenpressing. Dabei gehen sie normalerweise sehr konsequent vor, damit der Gegner aus dem offensiven System kein Kapital schlagen kann.

Hoffenheim variiert immer wieder die Pressinghöhe. Manchmal formieren sie sich in einem 4-4-2-Mittelfeldpressing, wobei sie gegen Bayern in einem variablen 4-3-3 verteidigten. Häufiger presst Hoffenheim jedoch sehr hoch, um den gegnerischen Aufbau im Keim zu ersticken. Ihre Bewegungen kann man dabei nicht als genaue Formation beziffern, dazu sind sie zu stark improvisiert. Die Außenspieler haben die Lizenz immer wieder die gegnerischen Zentrumsspieler zu bedrängen. Zudem rücken die zentralen Mittel energisch aus der eigenen Formation, wenn sie eine Chance erspähen, den Ball zu erobern. Deswegen wirkt ihr Pressing unberechenbar und chaotisch, was den Gegnern Probleme bereitet und eine temporeiche Begegnung garantiert. Die Abwehrkette positioniert sich dabei hoch, um den Raum zwischen den Linien zu verringern.

Taktische Flexibilität

Außerdem ist es eine wichtige Komponente des Hoffenheimer Spiels, dass sie sich flexibel anpassen können. Wie schon angedeutet, machen sie die Pressingintensität vom Kontrahenten abhängig. Meistens zeigen sie ihren sehr offensiven Stil, aber sie können auch zurückhaltender auftreten. Zudem adjustieren sie regelmäßig die Offensivordnung. Manchmal besetzen der dribbelstarke und recht kreative Elyounoussi oder der schnelle und defensivstarke Johnson die linke Flanke, um für eine klarere Struktur zu sorgen. Gisdol hat jedoch schon mal Firmino dort aufgeboten, um die Fluidität weiter zu intensivieren, da er dort permanent ins Zentrum tendiert. Dann füllt der Freistoßspezialist Salihovic das offensive Zentrum aus. Er kann allerdings mit seiner Kreativität auch tiefere Positionen, das defensive Mittelfeld oder die linke Verteidigung, beleben. Generell hält die Mittelfeldzentrale bei Hoffenheim viele Möglichkeiten bereit. Neben dem technisch starken Salihovic sowie Polanski fühlen sich dort ebenfalls der defensivstarke Strobl, der Box-to-Box-Spieler Herdling und der vielseitige Rudy wohl. Falls es nötig wird, kann Gisdol somit, wie beispielsweise gegen Gladbach, auf ein eher auf Zweikampfstärke getrimmtes Mittelfeldtrio zurückgreifen. Im Sturm zog Gisdol am Ende der Hinrunde den laufstarken und robusten Schipplock Modeste vor.

Allerdings nur Platz zwölf…

Trotz ihres großen Potentials gelang es der TSG bisher nicht, viele Punkte einzufahren. Wegen ihrer riskanten Spielweise zeigten sie sowohl großartige Leistungen als auch Horrorvorstellungen. Partien wie dem 5:1-Sieg gegen Hamburg steht zum Beispiel das 2:6 in Stuttgart gegenüber. Am passendsten ist aber vielleicht das 4:4 gegen Bremen, denn der fulminante Angriff kann die wacklige Defensive nicht immer kompensieren. Einerseits leidet sie unter der offensiven Taktik, anderseits ist die Abwehr generell der schwächste Mannschaftsteil. Die Innenverteidigung ist noch sehr jung, die Stärken der Außenverteidiger liegen deutlich in der Dynamik bei der Offensivbewegung. Zudem hatte Hoffenheim äußerstes Pech. Neben einigen Problemen mit den Schiedsrichtern hat Hoffenheim zehnmal Aluminium getroffen, während ihre Gegner nur zweimal das Torgestell touchierten. Daher ist insgesamt zu erwarten, dass sie in der Rückrunde besser abschneiden.

Leonard Dung, abseits.at

Leonard Dung

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