Seit 2005 hat Arsenal nur einen Titel geholt; den FA-Cup in der vergangenen Saison. Lange Zeit wurden Wenger mangelnde Investitionen vorgeworfen. Gleichzeitig wurde von... Arsenal in der Krise (5) – Alternativen im Spielsystem und ein Fazit

Taktik, Theorie, TaktikboardSeit 2005 hat Arsenal nur einen Titel geholt; den FA-Cup in der vergangenen Saison. Lange Zeit wurden Wenger mangelnde Investitionen vorgeworfen. Gleichzeitig wurde von seinen Anhängern entgegengehalten, dass dieser Sparkurs benötigt sei, um das neue Stadion und weitere infrastrukturelle Projekte zu finanzieren. Das hat sich allerdings in den letzten zwei Jahren verändert: 102 und 52 Millionen wurden in den vergangenen zwei Jahren ausgegeben, das für ein Minus von ungefähr 130 Millionen Euro auf dem Transfermarkt sorgte; somit erwirtschaftete man deutlich weniger mit Abgängen als in den Jahren zuvor und gab extrem viel aus.

Deswegen sind die kritischen Stimmen gegenüber Arsene Wenger in dieser Saison aber nicht leiser geworden. Die Ursachen dafür liegen auf der Hand – seit Jahren. Dieser Artikel soll diese Kritiken nochmal analysieren und näher betrachten. Im ersten und zweiten Teil geht es vorrangig um die Transfers der vergangenen vier Saisons mit einem Fokus auf die relevanten Wechsel und die taktischen Konsequenzen davon; auch wird eine generelle Kaderbetrachtung angeschnitten. Der dritte, vierte und fünfte Teil beschäftigen sich mit konkreten taktischen Problemen und den Lösungsmöglichkeiten. Dieser Teil dreht sich um mögliche Veränderungen und ein Fazit.

Auflösung des Viererkettendogmas?

Eine Option wäre, die Viererkette ad acta zu legen. Der Mangel an passenden Flügelstürmern, die vielen zentrumsfokussierten Spieler, die Außenverteidigertypen sowie auch die Innenverteidiger würden davon durchaus profitieren. Mertesacker könnte als zentraler Innenverteidiger agieren und von Chambers und Koscielny als Halbverteidiger flankiert werden. Unter Umständen könnte man sogar in einzelnen Partien Flamini auf dieser Position ausprobieren, ebenso wie Nacho Monreal und Gibbs. Je nach Gegner kann dann auf den Flügeln mit Debuchy und Gibbs/Monreal oder auch mit dem athletischen Oxlade-Chamberlain, Alexis Sanchez in einer Rolle wie Arjen Robben bei den Bayern zurzeit, Theo Walcott, Serge Gnabry oder sogar Lukas Podolski und Joel Campbell gespielt werden. Wichtig sind die Abstimmung und die passende Einbindung der Spieler. Hierfür bieten sich zwei Formationen an.

Asymmetrisches 3-4-1-2/3-4-2-1

In dieser Ausrichtung würde Alexis Sanchez mit Giroud, Walcott oder Welbeck als Mittelstürmer auflaufen. Die drei anderen würde man je nach Gegner auswählen; Walcott geht in die Tiefe mit seiner Dynamik, Giroud öffnet Räume für die Flügelverteidiger und Sanchez und ermöglicht mehr Präsenz in der Luft, Welbeck fungiert als zusätzlicher Kombinationsspieler. Sanchez lässt sich hier etwas zurückfallen und unterstützt mit seiner enormen Dribbelstärke den Zwischenlinienraum; dies tut er in der chilenischen Nationalmannschaft herausragend. Özil würde dadurch etwas entlastet werden, könnte aber nach wie vor als Zehner agieren.

Die offensive Doppelsechs aus Ramsey und Wilshere wird von drei Verteidigern abgesichert, während die Flügelverteidiger je nach Gegner variieren. Debuchy, Gnabry oder Oxlade-Chamberlain sind Möglichkeiten auf rechts, Gibbs dürfte im Normalfall auf links agieren. Die Asymmetrie der Stürmer könnte man auch auf den Flügel ausweiten. Walcott könnte hier enorm hoch auf rechts agieren, abgesichert vom halbrechten Sechser Ramsey und Chambers als Halbverteidiger; Gibbs auf links würde dann eher zurückhaltend spielen. Gleiches wäre auch seitenverkehrt möglich, würde aber Debuchy mit mehr Defensivaufgaben betrauen und seine Offensivstärke eingrenzen.

3-1-4-1-1 mit sehr offensiven Flügelstürmern

Hier würde man Arteta zentral als Sechser bringen (oder gar Ramsey oder Wilshere nach hinten ziehen, um Cazorla als offensiven Achter einbauen zu können), ihn aber durch die drei Verteidiger nicht mehr so zurückfallen lassen. Dadurch wären die Achter auch höher und Arsenal präsenter in der gegnerischen Formation. Besonders Wilshere sollte hier aufblühen. Durch Arteta, der sich absichernd bewegt und auch zwischen die Verteidiger zurückfallen kann, wenn der Gegner kontert, könnte man extrem offensive Flügelverteidiger nutzen. Eine Viererreihe aus Oxlade-Chamberlain, Wilshere, Ramsey und Walcott wäre ebenso möglich wie ein „falscher Flügelverteidiger“ Santi Cazorla (abgesichert vom stark antizipierenden Koscielny). Je nach Gegner könnte Özil die hängende Spitze geben oder Sanchez; in letzterem Szenario würde Sanchez nicht mehr als Mittelstürmer agieren, sondern Welbeck oder Giroud.

Eine Raute als Variante eines 4-3-3

In diesem Szenario würde man den Mangel an passenden Flügelstürmern dadurch lösen, dass die zwei Mittelstürmer sehr breit agieren und sich zwischen Innen- und Außenverteidigern positionieren. Sie sollen zu zweit die gegnerische Viererkette beschäftigen, um Özil als Zehner / falscher Neun im Mittelfeld Überzahl erzeugen zu lassen. Sanchez und Welbeck/Walcott sind hervorragend dafür geeignet und können mit ihrer Dynamik auch gefährlich hinter die Abwehr kommen. Theoretisch könnte sogar Özil auf links spielen oder aus der Mannschaft rutschen, dafür wäre dann alternativ Cazorla oder Sanchez der Zehner. Welbeck und Walcott würden die Offensive geben. Auch das spielte Sanchez schon mit großem Erfolg bei Chile. Ramsey, Wilshere und Ox oder Arteta könnten je nach Gegner im zentralen Mittelfeld agieren; Cazorla ist hier ebenfalls möglich. Diese Grundidee könnte man noch ausweiten.

Asymmetrisches 4-2-3-1/4-2-2-2

Im 4-2-2-2/4-2-3-1 wäre es möglich Sanchez mit Cazorla / Özil hinter zwei breiten Stürmern zu spielen, Ramsey und Wilshere unterstützen dies von hinten. Wichtig hierfür ist ein gutes Pressing; die Spielweise wäre ähnlich jener von Red Bull Salzburg oder Bayer 04 Leverkusen unter Roger Schmidt. Hier ist aber das Problem: Unter Wenger wird das nicht passieren.

Fazit: Grundsätzliche Verbesserungen nötig, Potenzial vorhanden

Ob 4-2-2-2, 3-4-2-1 oder XYZ, solange fundamentale strategische und taktische Probleme nicht behoben werden, wird es keine langfristige Besserung auf höchstem Niveau geben. Das Spielermaterial gibt aber potenziell enorm viel her. Die Nutzung wird entscheidend. Auch wenn der Artikel Wenger gegenüber sehr kritisch wirkt, so ist das natürlich Kritik auf höchstem Niveau. Für sehr viele beziehungsweise den Großteil der Mannschaften dieser Welt wäre Wenger als Trainer eine Bereicherung. Er lässt einen eleganten Fußball spielen, hat ein gutes Verständnis über positionelle Anforderungen, ist ein wirklicher Fußballliebhaber, integer und loyal, desweiteren halten sich die Ausgaben im Rahmen.

Dennoch müssen bestimmte Aspekte kritisch betrachtet werden; insbesondere das Pressing und die Aufbaustrukturen geben zu bedenken. Letzteres ist fast schon paradox, weil das Positionsspiel an sich und die grundlegende Spielweise mit viel Kurzpassfußball aller Ehren wert sind. Trotzdem passiert es zu häufig, dass Arsenal sich entweder aus der gegnerischen Formation heraus isolieren lässt oder keine Verbindung vom zweiten ins letzte Drittel oder den Strafraum findet. Sollte sich dies korrigieren lassen und die defensive Stabilität im Pressing wie auch im Umschaltmoment erhöht sich, dann könnte Arsenal plötzlich ein ernstzunehmender Konkurrent für City werden; einzig Chelsea scheint doch unerreichbar. In Europa wären die Chancen ebenfalls größer, doch aktuell hängt man vielen Teams nach. Der womöglich entscheidende Faktor sind aber die Verletzungen. Die Ursachen liegen hier tief und scheinen dem Trainerteam nicht bewusst zu sein. Trotz vielfach angekündigter genauer Analyse dieser Problematik wurden die Mängel entweder auf externe Faktoren oder „Pech“ zurückgeführt; Besserung scheint es mittelfristig nicht zu geben. Ohne die Möglichkeiten den Kader möglichst vollständig zu nutzen, sind auch viele gute taktische Ideen obsolet.

René Maric, www.abseits.at

Rene Maric

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