In den vergangenen eineinhalb Jahren galt Southampton als die Überraschungsmannschaft der englischen Premier League. Seit dem Amtsantritt von Mauricio Pochettino konnten sie den Abstieg... Der FC Southampton unter Coach Ronald Koeman

Premier LeagueIn den vergangenen eineinhalb Jahren galt Southampton als die Überraschungsmannschaft der englischen Premier League. Seit dem Amtsantritt von Mauricio Pochettino konnten sie den Abstieg abwenden und sich in der nächsten Saison sogar in die obere Tabellenhälfte orientieren. Mehrmals konnten sie auch den großen Teams der englischen Liga ein Bein stellen. Dieser Traum sollte aber ein jähes Ende finden – so glaubte man. Im Sommer verlor man mit Lambert, Lallana, Lovren und Shaw gleich vier Schlüsselspieler. Besonders der Abgang von Trainer Pochettino sollte schwer wiegen, dachte die Fußballwelt. Doch unter dem neuen Coach Ronald Koeman scheint sich der Höhenflug der Saints fortzusetzen. In diesem kurzen Artikel geht es um die taktische Spielweise unter dem neuen niederländischen Trainer.

Das Pressing verfeinert

Das Aushängeschild der Saints bei ihren Achtungserfolgen gegen City, United und Co. war eigentlich immer das Pressing. Zwar waren sie unter Pochettino mit ihrem Ballbesitz- und Bewegungsspiel ebenfalls sehr gut und oftmals durch zwei bis drei in die defensiven Halbräume zurückfallenden zentralen Mittelfeldspieler überlegen, das Pressing war aber meist der entscheidende Faktor. Diese Saison spielen sie in einem 4-3-3 in der Arbeit gegen den Ball, in welchem sie die Höhe des Pressings sehr schnell und einfach variieren können.

In der vorherigen Saison war es häufig so, dass sie in der Anfangsphase unter Pochettino sehr hoch und aggressiv pressten, später aber fast durchgehend in einem Mittelfeldpressing agierten. Unter Koeman war bereits alles zu sehen: Angriffspressing, Mittelfeldpressing und Abwehrpressing, in allen Ausführungen. Zwar sind sie in keiner davon so ungemein präsent wie Pochettinos Mannschaft in ihren besten Phasen, doch die Flexibilität innerhalb eines Spiels und die Defensivstabilität in allen Systemen ist beeindruckend. Doch nicht nur die Höhe kann variieren, sondern auch das 4-3-3.

Flexible Formation gegen den Ball und zentrale Präsenz

Nominell spielen die Saints wie erwähnt im 4-3-3. Hier können die Flügelstürmer die gegnerischen Außenverteidiger pressen oder situativ auf die Innenverteidiger schieben, während Mittelstürmer Pellè die Verbindung zwischen den Innenverteidigern kappt und die gegnerischen Aufbauversuche auf die Seite leitet. In einigen Spielen beginnen sie aber gänzlich im 4-4-2, welches asymmetrisch im Pressingverlauf hergestellt werden kann. In diesem Fall rückt einer der Flügelstürmer ein, während der ballferne Flügelstürmer sich nach hinten orientiert. Dies wird aber überaus selten praktiziert; meist ist es ein 4-4-2, in welchem der offensive Achter des Dreiermittelfelds nach vorne schiebt.

Ansonsten gibt es auch oftmals ein 4-1-4-1 gegen den Ball. Dies ist die Standardausrichtung Southamptons. Hier gibt es häufiger Mannorientierungen im zentralen Mittelfeld: Die zwei Achter orientieren sich situativ an Gegenspielern und sorgen dadurch für Zugriff, ebenso wie das Verfolgen der gegnerischen Aufbaubewegungen. Dies wird aber lose mit Übergeben an einen anderen Mitspieler oder auch in den Raum praktiziert. Durch diese Spielweise kann auch ein 4-2-3-1 entstehen, welches situativ auch in einem weniger mannorientierten höheren Pressing genutzt wird.

Mit dieser Spielweise und einer guten Kompaktheit in der Interpretation der Formation ist die Mitte komplett versperrt. Der Gegner wird dadurch auf die Flügel geleitet, wo er dann in eine Pressingfalle kommt. Das zentrale Mittelfeld schiebt aggressiv auf den Ball; durch die drei Mittelfeldspieler, die häufig in einer flachen Linie in tieferen Zonen agieren (also im 4-3-3 oder 4-5-1 statt im 4-1-2-3 oder 4-1-4-1) können sie schnell den ballnahen Flügel zustellen und diesen isolieren. Die Flügelstürmer agieren hier bisweilen etwas passiver, doch das hat einen Grund: Sie lassen den Gegner auf die Seite schieben und den Ball dort in Ruhe stoppen.

Southampton im leitenden 4-1-4-1

Dadurch kann die Mannschaft in der Zwischenzeit zum Ball schieben.

Stehen sie im 4-3-3, macht Southampton dies aber etwas asymmetrisch. Die Abwehrkette konzentriert sich meist stärker auf die Mitte, das Mittelfeld hingegen geht zum Ball. Damit wird der Gegner von dem Halbspieler und dem Flügelstürmer unter Druck gesetzt, der Außenverteidiger muss erst später herausrücken und Flanken können damit entweder verhindert werden oder sie kommen in sehr kompakte Räume vor dem Tor.

Diese Spielweise sorgt für eine hohe Defensivstabilität Southamptons, insbesondere gegen die typisch englischen Gegner. Offensiv ist man nicht ganz so stark, gleich acht ihrer 24 Tore (nach 14 Spielen) fielen in einer einzigen Partie, nämlich gegen Sunderland. Hier gibt es einzelne sehenswerte Mechanismen – und ein paar Probleme.

Andere Abläufe in der Offensive

In der Offensive dominieren Unterzahlangriffe, einzelne dynamische Vorstöße aus dem Mittelfeld und über die Flügel sowie Pellès Rolle als Zielspieler. Der Mittelstürmer, der mit Koeman aus den Niederlanden von PSV Eindhoven gekommen ist, lässt sich häufiger in den Zehnerraum oder in die Halbräume zurückfallen. Dann kommen lange Bälle auf ihn, die er direkt weiterleiten oder vor sich zurückfallen lassen kann. Die Flügelstürmer können hierbei asymmetrisch auflaufen; einer rückt nahe an Pellè oder gar hinter ihn (oft Tadic), während sich ein anderer häufig in den vakanten Raum nach vorne orientiert. Vielfach beschränken sie sich aber in diesen Phasen auch darauf Breite zu geben, während das Mittelfeldzentrum um Davis, Cork, Ward-Prowse, Schneiderlin oder Wanyama den zweiten Ball attackiert.

Generell ist auffällig, dass Southampton zwar noch immer über ein passables Aufbauspiel in Ballbesitz verfügt, u.a. mit situativem Abkippen zwischen die Innenverteidiger oder neben diese, sowie guter Mittelfeldpräsenz und leichter Asymmetrie, doch die meisten Angriffe sind dynamische Durchbrüche über das Mittelfeld.

Vereinzelt können sie dadurch schnellen Raumgewinn verbuchen und rücken dann aggressiv als kompakter Block nach. Schneiderlins Vorstöße als defensiverer Achter / offensiver Sechser (je nach Formation) sind ebenso gefährlich wie die Bewegungen seines Partners (Davis oder Cork auf der Zehn). Sie unterstützen die Flügelstürmer und Pellè dynamisch, wenn sie durch die Mitte kommen können. Ansonsten nutzen sie einige Flanken und versuchte Unterzahldurchbrüche, um vor das Tor zu kommen. Das ist nicht die ästhetischste und effektivste Spielweise, sorgt aber für weniger Gefahr nach Ballverlusten, ein saubereres Gegenpressing und erhöhte Defensivstabilität.

Fazit

Diese taktischen Aspekte im Verbund mit dem bisherigen guten Coaching Koemans, sowie den passenden Transfers im Sommer sorgen dafür, dass der Absturz Southamptons partout nicht kommen möchte; stattdessen waren sie sogar lange der schärfste Verfolger Chelseas und gelten für viele als nun ernstzunehmender Kandidat für die „Top Four“. Ob es dafür reicht, ist aber zu bezweifeln. Im Saisonverlauf könnten sich die Gegner besser anpassen und Verletzungen (wie jene Schneiderlins im letzten Spiel gegen Arsenal) könnten für eine schwächere Phase sorgen. Dennoch sind die Erfolge bisher aller Ehren wert.

René Maric, www.abseits.at

Rene Maric

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