Der „Tausch“ von Mesut Özil und Gareth Bale bei Real Madrid wird von Medien, Experten und auch zahlreichen Vertretern innerhalb des Fußballgeschäfts sehr skeptisch... Özil vs Bale – Die Auswirkungen der Monster-Transfers auf Real Madrid und Arsenal

Mesut ÖzilDer „Tausch“ von Mesut Özil und Gareth Bale bei Real Madrid wird von Medien, Experten und auch zahlreichen Vertretern innerhalb des Fußballgeschäfts sehr skeptisch beäugt. Gareth Bale soll nicht nur unfassbare 91 Millionen Euro wert sein, sondern auch doppelt so viel an Gehalt kosten, wie Mesut Özil?

Für viele hat Real hierbei nicht nur zu viel bezahlt beziehungsweise unnötig ein Minus gemacht, sondern nun auch den schlechteren Spieler im Kader. So sprach zum Beispiel José Mourinho davon, dass Mesut Özil der beste Zehner der Welt sei und Cristiano Ronaldo äußerte sich enorm kritisch über den Verkauf des deutschen Nationalspielers.

Abseits von moralischen Aspekten, wie viel Fußballer kosten dürfen und ob man ihnen drei Tage vor Transferende die Anweisung geben darf, sich noch schnell einen neuen Arbeitsplatz zu suchen, soll in diesem Artikel kurz darauf geblickt werden, wieso Real diesen „Tausch“ überhaupt vornahm und ob nicht womöglich doch ein tieferer Plan dahinter steckt.

Immerhin, so wollen es zumindest die Medienberichte, konnte sich Carlo Ancelotti entscheiden, ob er lieber Angel di Maria oder Mesut Özil abgeben möchte. Der italienische Startrainer entschied sich für Letzteren. Unabhängig von den taktischen Möglichkeiten für Arsenal und Wenger mit Özil oder für Real und Ancelotti mit Bale wollen wir darauf blicken, ob vielleicht eine philosophischere und strategischere Herangehensweise dahinter steckt.

Ist Mesut Özil ein Opfer moderner Fußballstrategie?

Obwohl bei der Präsentation von Gareth Bale im Bernabeu-Stadion die Madridista skandierten, dass Özil nicht verkauft werden dürfte, gab es doch einige erfreute Stimmen aus dem Fanlager der Real-Fans. Özil sei eine Bremse, inkonstant und erfülle seine Defensivaufgaben nicht. Mit Cristiano Ronaldo gäbe es bereits einen solchen Spieler im Kader, der sich zumindest Letzteres herausnimmt (und herausnehmen darf), während die ersten beiden Attribute ohnehin für sich genommen schon unverzeihlich seien. Für die nächste Entwicklungsstufe der Mannschaft werde Özil nicht mehr benötigt.

Diese Kritik ist aus taktischer Sicht durchaus verständlich. Özil ist kein Arbeiter, er ist kein durchgehend präsenter Zehner und ist selbst im Aufbauspiel keine durchgehende Unterstützung. Vielmehr ist er ein Spieler, der Räume sucht und immer wieder neue Optionen findet – ein Spieler, der sich entlang des Zwischenlinienraums bewegt und den einen Pass sucht, der zum Tor oder zumindest zum Abschluss führen kann.

Trotz seiner hervorragenden Technik, seinem Variantenreichtum, seiner Kreativität und seiner Spielintelligenz ist Özil somit ein eindimensionaler Spieler: Er kennt (beziehungsweise will) nur den raumgewinnenden Pass, auch wenn er diesen auf tausende unterschiedliche Arten und aus nahezu jeder Position spielen kann, wenn die taktische Staffelung des Gegners dies erlaubt.

Mit Isco haben die Madrilenen aber einen Spieler, der zwar nicht die herausragende taktische Bewegung Özils besitzt, dafür in seiner Entscheidungsfindung im Passspiel etwas strategischer angelegt ist. In der spanischen Fußballausbildung ist es – wie im Schach – eigentlich Gang und Gäbe, gewisse immer wiederkehrende strategische Merkmale des Fußballs weiterzugeben.

Wieso und wann ist es besser, nicht den Abschluss zu suchen, sondern zurückzuspielen, neu aufzubauen oder die Mitte in Ballbesitz zu sichern? Grundlegende Prinzipien des Fußballs, die von Spiel zu Spiel konstant bleiben – wie Barcelonas Tiqui Taca –, werden im spanischen Fußball geschult. Özil ist hierbei kurzweiliger; ein tödlicher Pass, wenn er denn gespielt werden kann, muss auch gespielt werden. Özil ist manchmal eine „Bremse“, die den Raum und den tödlichen Pass sucht, ihn nicht findet und den Angriff ohne strategischen Nutzen abbricht. Özil ist manchmal auch „Vollgas“, der einem normalen Angriff plötzlich eine unerhörte Dynamik im Vorwärtsgang geben kann. Aber Özil ist nie die Gangschaltung, welche zwischen den Gängen schaltet und diese wechselt. Isco soll eine solche werden – ohne Vollgasoption, welche Ronaldo und dem neuen (Fast-)Weltrekordtransfer vorbehalten sein soll.

Was Bale stattdessen bringt

Gareth Bale ist hier also lediglich ein Surplus zu diesen kadertechnischen Fragestellungen. Der Waliser ist nur eine zusätzliche Ergänzung zum Faktor Isco und zu einer leichten prinzipiellen Verschiebung der Blancos.

Das erklärt auch, wieso Di Maria statt Özil behalten wurde: Özil ist (voraussichtlich) in seinem Spielerprofil nicht mehr benötigt, während Di Maria zumindest in bestimmten taktischen Situationen als Option auf dem Flügel, als Breitengeber und Raumöffner und defensivere, weniger präsentere Variante zu Bale und Ronaldo genutzt werden kann.

Gareth Bale soll statt Özils Wechselhaftigkeit durchgehend „Vollgas“ geben – ohne je Bremse zu werden. Mit seiner Athletik, seiner Durchschlagskraft und seiner Präsenz (auch taktischer Natur) gibt er dem Gegner und auch seinen Mitspielern gänzlich neue Wechselwirkungen.

Sollte Bale so einschlagen, wie erwünscht, hätte Real theoretisch zwei Ronaldos in ihrer Elf: Zwei unglaubliche Athleten mit extremer Schussstärke, großen Aktionsradien, gefährlichen Bewegungen im letzten Angriffsdrittel und überraschenden Aktionen im Dribbling. Der Fokus auf Ronaldo der vergangenen Saisonen, der oft kritisiert wurde, würde sich dann auf zwei Spieler teilen – wovon nicht nur der jeweils andere, sondern womöglich die gesamte Mannschaft profitieren könnte. Es würde nicht nur Bales, sondern auch Iscos neue Aufgabe bei Real einfacher gestalten.

Wieso es für Özil eine Win-Win-Situation werden könnte

Allerdings wird es auch Özil bei Arsenal schwer haben: Im Gegensatz zu Real gibt es bei Arsenal keine funktionierende Tormaschine um ihn herum, welche mit Schnelligkeit, bekannten Mechanismen und zur Not extremer individueller Überlegenheit Tore und Torchancen en masse herausspielen kann. Manche Özil-Pässe konnten nur verwertet werden, weil Spieler wie Di Maria, Ronaldo, aber auch die Außenverteidiger und Benzema oder Higuain ganz vorne überragende Fähigkeiten, insbesondere in puncto Schnelligkeit und Technik, mit sich brachten.

Dennoch könnte Özil bei Arsenal noch stärker beziehungsweise noch präsenter werden. Bei Real spielte er letztlich nur die zweite Geige hinter Ronaldo und war nur eines von mehreren Zahnrädern, um diesen freizuspielen; Marcelos Diagonalläufe und seine, wie auch Khediras ablenkenden Vorstöße, Benzemas Ausweichen in der Spitze und Asymmetrien auf dem rechten Flügel lassen grüßen.

Theoretisch wäre es also möglich, dass Özil sein gesamtes Passpotenzial noch gar nicht ausgeschöpft hat, da es zumeist auf einen – wenn auch extrem durchschlagskräftigen und effektiven – Spieler fokussiert war.

Bei Arsenal könnte ihn sein schier unglaubliches Potenzial im Passspiel und seine Kreativität zum Primgeiger werden lassen. Ist Özil nicht nur ein Mittel zum Zweck, sondern seine Pässe das primäre Mittel um zum Torerfolg zu kommen, könnte er sein Talent eventuell noch stärker, öfter und markanter zur Schau stellen.

Interessant wird hierbei neben der Wechselwirkung mit den neuen Teamkameraden auch jene mit der englischen Liga: Bieten ihm die Gegner in der selbsternannt besten Liga der Welt den nötigen Raum für seine Pässe mit ihrer eher konservativen und tiefen Defensivspielweise? Oder geben sie ihm durch das schwächere Pressing gar mehr Zeit und Raum, um seine Kreativität Muse finden zu lassen?

Wieso jeder für sich selbst in der Verantwortung steht

Letztlich wird nur die Zeit zeigen, wer Recht hat – die vielen Experten oder doch Florentino Perez? Oder wird gar Perez als Sieger aus der Sache herausgehen, während Arsene Wenger für eine „inkonstante Bremse“ (die Defensivschwäche könnte sich als „erste Geige“ womöglich in Luft auflösen) zu viel bezahlt hat?

Am Ende des Tages sollte diese Diskussion aber medial nicht weiter ausgeschlachtet werden; ihre Endgültigkeit ist nicht veränderbar, noch sollte sie durch externe Einflüsse veränderbar sein. Die Verantwortlichen haben ihre Gedanken, ob kompetent oder nicht, und sie müssen in ihrem Dasein als Verantwortliche ohnehin Rechenschaft dafür tragen.

Sollten die Transfers ihre Erwartungen erfüllen, waren sie die richtige Entscheidung – wieso also die Debatte?

Sollten sie es nicht tun, dann werden ohnehin Konsequenzen gezogen, ob für Wenger, für Perez (beziehungsweise Ancelotti) oder gar für den gesamten Verein aufgrund der finanziellen Risiken, die eingegangen wurden.

Stattdessen ist es viel interessanter, darüber zu diskutieren, wieso diese Transfers getätigt wurden und wie sie sich in Zukunft entwickeln könnten, anstatt einseitig bei beiden Fragestellungen dagegen zu diskutieren.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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