Wie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive... Transfers erklärt: Darum wechselte Marouane Fellaini zu Manchester United

Manchester United Wappen LogoWie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?

Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.

In dieser Ausgabe blicken wir auf die Last-Minute-Verpflichtung von Marouane Fellaini, der von Everton zu Manchester United wechselte und damit seinem Förderer David Moyes folgte.

Uniteds Problemstelle

In den englischen United-Foren wird immer wieder bemängelt, dass seit dem Abgang von Roy Keane das defensive Mittelfeld nicht mehr adäquat besetzt wurde. Es fehlt dabei nur nicht an dem „aggressive-leader“, dem vermeintlichen Führungsspieler und Abräumer, sondern auch an der nötigen Kreativität aus der Tiefe heraus und der Struktur im Aufbauspiel, die seit Keane etwas abgeht. Keane hatte diese Rolle sehr gut ausgefüllt; später konnte einzig Paul Scholes in dieser Rolle überzeugen, ihm fehlte es aber bisweilen an dem passenden Partner, den er selbst in Keane gehabt hatte.

Mit Michael Carrick gibt es aktuell einen herausragenden Defensivakteur, der auch im Aufbauspiel hervorragend ist. Allerdings fehlt United ein Verbindungsspieler zwischen den Innenverteidigern, Carrick und den vier Offensivspielern. Zwar versuchte Sir Alex Ferguson bis zu seinem Amtsabgang diese Lücke mehrmals zu füllen, scheiterte aber mittelfristig immer daran. Zu Beginn der Saison 2011/12 gab es mit Tom Cleverley und Anderson eine sehr offensive Doppelsechs, welche diese Aufgabe während Carricks Verletzung hervorragend ausfüllte, defensiv einige Mal aber vor Probleme gestellt wurde.

Anderson sollte wegen Fitnessproblemen später kaum mehr spielen, Cleverley ist immer wieder angeschlagen und hat außerdem Probleme mit der Konstanz. Darren Fletcher, der lange Zeit wegen einer Krankheit ausfiel, ist noch immer nicht wirklich fit und Wayne Rooney spielte einige wenige Male im zentralen Mittelfeld, fühlt sich aber eher weiter vorne heimisch. Diesen Sommer wurde darum von vielen Fans erwartet, dass Neo-Coach David Moyes diese Schwachstelle adressiert – was allerdings erst gegen Ende der Transferphase geschah. Mit Marouane Fellaini kam von Everton ein ehemaliger Zögling Moyes‘ für 32 Millionen Euro.

Der richtige Mann?

Jedoch waren die meisten United-Fans mit dem neuen Stareinkauf nicht wirklich zufrieden. Zu groß und ungelenk sei er, zu sehr eine schwächere Version des als Weltklasse geltenden Carrick. Nach den Gerüchten um Thiago Alcantara, Cesc Fabregas und Ander Herrera wirkte es unpassend, dass plötzlich mit Marouane Fellaini ein international eher unpopulärer 1,95m Hüne geholt wurde. Für die meisten war die Kreativität und Passstärke beim neuen Sechser ausschlaggebend gewesen, immerhin sollte er das Offensivspiel ankurbeln und sich mit dem defensivorientierten Carrick ergänzen.

Allerdings ist es durchaus möglich, dass David Moyes das auch mit Fellaini spielen möchte. Der großgewachsene Belgier ist nämlich durchaus ein guter Techniker, der auch im Passspiel überdurchschnittlich ist. Insbesondere bei der Ballzirkulation im Kurzpassspiel ist er gut aufgehoben, in der bisherigen Saison für Everton kam er auf eine beeindruckende Passquote von 89,1%, obwohl er in einer Partie als Zehner spielte.

Insbesondere in der reinen Ballbehauptung dürfte er unterbewertet sein. Gepaart mit seiner Technik und der körperlichen Stärke ist es schwer ihm den Ball abzunehmen und dank seiner Durchsetzungskraft kann er nach guten Anspieloptionen suchen oder in engen Situationen den Ball bei sich behalten.

Weiters ist Fellaini im taktischen Bereich ganz gut, obwohl er nicht auf dem Niveau von Carrick oder auch internationalen Topspielern wie Javi Martinez ist. Aber Fellaini verfügt über ein passables Stellungsspiel, eine gute Antizipation und ist extrem ausdauernd. Taktisch hat er einzig im Herausrücken aus seiner Position bei großem Raum vor sich im Pressing etwas Probleme, begeht zu viele Fouls dabei oder kommt nicht ordentlich in den Zweikampf. Ansonsten ist er trotz seiner eher steiferen Bewegung überaus gut, kann auch mit Ball am Fuß aufrücken und sich gegen einen Gegenspieler im Dribbling durchsetzen. Für United könnte er also die passende Wahl gewesen sein.

Fellainis Einsatzmöglichkeiten bei den Red Devils

Insgesamt ist Fellaini nicht nur ein guter Spieler, sondern auch sehr variabel einsetzbar. Er kann nicht nur als tiefliegender Sechser agieren und seine Vordermänner absichern, sondern ist auch als box-to-box-Spieler auf der Acht eine Option auf höchstem Niveau. Hier kann er mit seiner starken Physis, seiner guten Technik und seinem Aufrückbewegungen punkten und könnte von Carrick dabei abgesichert werden.

Je nach Gegner könnte die Rollenverteilung auch variiert werden. In bestimmten Spielen könnte Carrick höher agieren, seine hervorragenden Fähigkeiten im Passspiel und in der strategischen Ballverteilung nutzen, während ihn Fellaini absichert. Auch bei Teams, die sehr viel auf lange und hohe Bälle spielen, könnte Fellaini vor der Abwehr sehr nützlich werden oder sich – wie bei Everton oft – zwischen die Innenverteidiger abkippen lassen und die Außenverteidiger nach vorne schieben. Mit Carrick und Rooney zentral davor gäbe es die idealen Spieler, um dann in Ballbesitz ein 3-3-3-1 zu praktizieren.

Bei stärkeren Gegnern könnten Carrick und Fellaini nur situativ aufrücken und sich nicht in einen horizontalen und vertikalen Part teilen, sondern beide ähnlich auf den jeweiligen Seiten agieren – einer als rechter und einer als linker Sechser, eine eher klassische Aufteilung also. Bei dieser Variante wäre die Doppelsechs durchgehend vorhanden und der ballnahe Akteur würde nur bei klaren Angriffsmöglichkeiten (oder der mit offenem Raum vor sich) in die Spitze stoßen.

Es gäbe sogar eine weitere Option. Unter Moyes spielte Fellaini oft sogar als hängender Stürmer, wo er Anspiele behauptete, oder als Mittelstürmer, wo lange Bälle auf ihn geschlagen wurden. Das dürfte seine wohl größte Stärke sein: In der Luft ist Fellaini nahezu unschlagbar und könnte in bestimmten Spielen oder in der Champions League sogar das Sturmduo mit Robin van Persie bilden, während Rooney sich nach hinten orientiert oder sich auf der Bank wiederfindet, um einen anderen Spieler (Phil Jones z.B. als defensive Option oder eben Tom Cleverley) auf die Sechs zu lassen.

Fellaini bietet außerdem eine weitere Option bei Standards. Mit ihm, Carrick, den Innenverteidigern sowie Van Persie und mit Abstrichen Evra gibt es einige kopfballstarke Spieler, was im langen Meisterschaftskampf in engen Spielen noch den einen oder anderen Punkt bringen könnte.

Dann könnte sich die Fellaini-Verpflichtung – trotz der großen Summe, die sicherlich die eine oder andere Million zu viel war – bezahlt machen. Potenzial hat der bisherige Everton-Star, der vergangene Saison auf 17 Scorerpunkte (11 Tore, 6 Vorlagen) in 2784 Minuten in der Premier League kam, jedenfalls.




René Maric, www.abseits.at

Rene Maric

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