Eine ansprechende Vorstellung lieferten die Spanier in ihrem zweiten Gruppenspiel. Die individuell stark besetzten Türken waren über 90 Minuten beinahe chancenlos. Prinzipielle Ausrichtungen Sie... Analyse: So knackten die Spanier die tiefstehenden Türken

Spanien-Flagge_abseits.atEine ansprechende Vorstellung lieferten die Spanier in ihrem zweiten Gruppenspiel. Die individuell stark besetzten Türken waren über 90 Minuten beinahe chancenlos.

Prinzipielle Ausrichtungen

Sie Spanier bauten im gewohnten 4-3-3 auf, mit hoch und breit stehenden Außenverteidigern und einem klaren Fokus auf die linke Seite, die ständig überladen wurde. Oft rückten Fàbregas und Silva weit mit ein auf diese Seite. Primäre Breitengeber waren die Außenverteidiger, die sehr weit nach vorne schoben. In die dadurch geöffneten Räume bewegten sich die Achter und Flügelstürmer mit vielen Rochaden und gaben dem Ballbesitzspiel Fluidität. Teilweise baute man mit einer Doppelsechs auf, Fabregas ließ sich in Phasen, wo die Türken höher standen, neben Busquets zurückfallen, um von dort vertikale Pässe zu spielen und wieder dynamisch nachzurücken.

Im Pressing versuchten die Spanier im 4-1-4-1 den Aufbau der Türken früh zu stören, Morata nahm den ballfernen Innenverteidiger in den Deckungsschatten und lief den ballführenden Spieler an, während die Flügelstürmer aggressiv aus der Formation rückten.

Die Türken pressten recht tief im Mittelfeld in einem flachen 4-5-1. Hierbei agierte man an den Flügeln mannorientiert, die Außenverteidiger verfolgten also auch die zurückfallenden Flügelstürmer Spaniens, was früh im Match gleich zu Raumaufteilungsproblemen und Löchern in der Defensive führte.

Im Ballbesitz wollte man sich auf schnelle Konter fokussieren, dabei schaffte man es jedoch nicht eine Balance beim Nachrücken zu schaffen und tat dies meist mit zu vielen Spielern, aber auch in zu flachen Staffelungen. So versandeten die meisten Schnellangriffe in simplen Ballverlusten. Aus dem 4-3-3 der Türken hatte man prinzipiell eine gute Breitenabdeckung, stand jedoch wie erwähnt meist zu flach gestaffelt, konnte nach Ballgewinn und dem ersten Vertikalpass kaum erfolgreiche Anschlussaktionen finden, die Raumgewinn bedeutet hätten.

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 Spaniens 4-3-3 gegen Türkeis 4-5-1

Lösungsorientierte Spanier

Die Spanier dominierten recht bald die Partie und hatten mehr Ballbesitz, die Türken situierten sich tief in ihrer eigenen Hälfte. Durch die kurzen Verbindungen der Spanier untereinander konnten sie nicht nur den Ball schnell und sauber laufen lassen, sondern hatten nach den wenigen Ballverlusten eine gute Struktur für effektives Gegenpressing. Um die tief stehenden Türken zu knacken wandten die Spanier einige Mittel an:

1. Die Innenverteidiger dribbelten die Halbräume an. Durch die mannorientierte Defensive wurde das Mittelfeld der Türken nach hinten gedrückt und ließ Räume offen, die die spanischen Innenverteidiger Ramos und vor allem Piqué nun andribbelten, um neue Passwege zu öffnen.

2. Positionswechsel: Die Achter und Flügelstürmer bewegten sich immer wieder aus den Zwischenlinienräumen heraus, damit die anderen diese besetzen konnten.

3. Durch Halbraumverlagerungen brachte man die Türken immer wieder zu aufwändigen Verschiebebewegungen, ohne dass man jedoch an Verbindung verlor. Die Halbraumverlagerungen sind aufgrund der kürzeren Distanz natürlich schneller angekommen, was vom Gegner mehr Tempo im Verschieben verlangt. Gleichzeitig ist man näher am gegnerischen Tor dran und kann zielgerichteter Angriffe starten.

Einige wenige Ballverluste der Spanier führten immer wieder zu Konter der Türken, vor allem über die rechte Seite gab es ein, zwei gefährliche Situationen für die Furia Roja. Die Türken hatten nämlich durchaus ein Gespür dafür im richtigen Moment aus der Formation zu rücken. Mit Yilmaz hatte man einen schnellen Mittelstürmer, der viel auf die Seite auswich und diagonale Laufwege in die Tiefe suchte, während man auf links den Turan hatte, der auch in engen Räumen sich mit Dribblings gut freispielen kann. Zudem rückte man immer wieder mit recht vielen Spielern nach, war also durchaus mutig. Jedoch war dies in Summe meist nicht gut ausbalanciert – oft rückten zu viele Spieler auf, manchmal zu wenige. Strategisch wussten die Türken nicht in welchen Situationen es sich rentierte tempo- und zahlreich zu attackieren, oder eher den Ball zu halten und zirkulieren zu lassen. Gegen Ende der zweiten Halbzeit konnte man ein, zwei Mal die Spanier nach schwachem Gegenpressing (verrückt, trotz Busquets-Präsenz!) erwischen und auf die iberische Restverteidigung zulaufen. Jedoch waren die Staffelungen zu flach, sodass Piqué, Ramos und Juánfran mit gutem Stellungsspiel diese Situationen entschärfen.

Spanier verwirren mit Ball den Gegner

Die türkischen Mannorientierungen funktionierten anfangs noch recht gut, man führte sie konsequent aus und fand meist den richtigen Moment der Übergabe, sodass die Spanier kaum Durchbrüche erzielen konnten. Zwei Schüsse bekam man jedoch aus zentralen Positionen hin, nachdem man aggressiv herausrückende Türken locken und die Räume dahinter bespielen konnte.

Die Spanier nutzten hierbei immer wieder Pässe, bei denen die Türken abrupt ihr Sichtfeld ändern mussten. Also viele „vor- zurück“ Zuspiele, wo sich die verteidigende Mannschaft drehen und stets neu die Orientierung suchen muss. Dabei versuchte man es oft mit Hebern oder Chips aus den Halbräumen. Hierbei schlich sich vor allem der als Halbstürmer agierende Nolito immer wieder in den Rücken der türkischen Abwehr.

So erzielten die Spanier auch das 1:0 in der 35. Minute. Nach einem Flügeldurchbruch von Alba flankte der nicht (Kroatien, aufgepasst!!)  sondern spielte einen Rückpass auf Fàbregas in den Halbraum. Die Türken, zuerst mit dem Blick zum eigenen Tor bei Albas Lauf, mussten sich nun wieder drehen. In diesem Moment konnte sich Morata aus dem Sichtfeld der Verteidiger bewegen, Fàbregas chippte in den Strafraum und der Juve-Stürmer köpfte den Ball ins lange Eck.

Nur wenige Minuten später gab es eine ähnliche Situation: Vertikalpass auf Nolito, der spielt leicht zurück auf Morata und startet in den Raum, Fàbregas, auf den alle Blicke erneut gerichtet sind, chippt den Ball auf die türkische Abwehr. Nolito hat etwas Glück, denn Topal verlängerte den Ball in seinen Lauf und der Stürmer in Diensten von Celta Vigo erzielte das 2:0.

 

Die zweite Halbzeit

Nur drei Minuten dauerte es, als nach Iniestas Wechselpass auf die fokussierte, trotz Ballferne in der Breite doppelt besetzte, linke Seite spielte. Von dort kam der Ball wieder in die Mitte, Alba startete diagonal und Iniesta steckte den Ball durch. Alba legte auf den im Abseits stehenden Morata ab, der das 3:0 erzielte.

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Dem diagonalen Lauf Albas folgt ein genialer Pass von Iniesta.

Die Türken gaben sich jedoch nicht auf und hatten zwei ganz passable Chancen direkt nach dem dritten Tor. Sie zeigten kleine horizontale Kompaktheitsprobleme im Pressing der Spanier, das sich nun im 4-4-2 formierte. Hier hatte Fàbregas Probleme seinen Deckungsschatten richtig einzusetzen und zwei Mal konnte der Ball in den Zwischenlinienraum gepasst und von dort aus in den Strafraum gebracht werden. Die Abschlüsse Yilmaz‘ waren im Anschluss jedoch nicht gut genug. Beide Male war es der eingewechselte Sahin der den Pass spielte.

Den Spaniern half dieser Polster natürlich enorm, auch was die nächsten Spiele angeht. Nun konnte man sich wirklich darauf konzentrieren den Ball zu halten und gleichzeitig sparte man damit Kräfte. Zwar kamen mit Sahin und Malli noch zwei verbindungsgebende Spieler für die Türken in die Partie, ein Tor gelang jedoch weiterhin nicht.

Fazit

Den Türken, die zweifellos eine talentierte Truppe haben, fehlt es an Struktur, vor allem in der Offensive. Gegen sehr dominant agierende Spanier müssen die wenigen Angriffe, die man dann generell hat, genutzt werden. Ohne Struktur ist dies erheblich schwieriger, die Türken rannten immer wieder ins Leere.  Die Spanier konnten mit bedachtem Spiel immer wieder für Durchschlagskraft sorgen, wenngleich man vielleicht etwas zu oft (16 Mal in Summe) flankte. Die Spanier sind in diesem Turnier bisher die einzige Mannschaft, die einen gut strukturierten Aufbau bis zumindest ins zweite Spielfelddrittel zeigte, wenngleich man ein wenig zu oft den Weg über die Flügel suchte.

David Goigitzer, abseits.at

David Goigitzer

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