Nach vier Gruppenspielen steht fest, dass der SK Rapid Wien bei den Frühjahresspielen der UEFA Europa League nicht dabei sein wird. Nach einer 0:3-Niederlage... Mit einer Rumpftruppe chancenlos ausgeschieden und trotzdem gab’s Fortschritte – Analyse des Leverkusen-Doppels

Nach vier Gruppenspielen steht fest, dass der SK Rapid Wien bei den Frühjahresspielen der UEFA Europa League nicht dabei sein wird. Nach einer 0:3-Niederlage bei Bayer 04 Leverkusen sind die Wiener vorzeitig ausgeschieden. Doch trotz der zweiten Klatsche binnen zwei Wochen gegen die Deutschen konnte man – vor allem im Vergleich mit dem Hinspiel – einige Fortschritte erkennen, zumal die Grün-Weißen stark ersatzgeschwächt antraten.

Ganze zehn Kaderspieler standen Rapid-Trainer Peter Schöttel nicht zur Verfügung, weswegen sogar drei Amateurspieler mit ins Rheinland reisten, was dazu führte, dass er sein Team in einer noch nie dagewesen Startformation aufs Feld schickte. Insbesondere in der ersten Halbzeit zeigten Schöttels Schützlinge eine sehr solide bis gute Leistung und waren um einiges präsenter als im Happel Stadion. Letztlich wurden sie aber Opfer eigener individueller Fehler sowie der Klasse des Gegners.

Leverkusen mit B-Elf?

Die Werkself lief im gewohnten 4-3-2-1-System auf, das aber verglichen mit dem 4:0 in Wien personell an vielen Positionen anders besetzt war. Vom besagten Spiel standen nur Manuel Friedrich, Hajime Hosogai, Simon Rolfes und Andre Schürrle auch in der BayArena in der Startelf. Im Tor vertrat Michael Rensing den verletzten Stammkeeper Bernd Leno, rechts verteidigte anstelle von Daniel Schwaab Neuzugang Daniel Carvajal. Ömer Toprak (statt Philipp Wollscheid) und Hosogai, der schon im Hinspiel nach der Verletzung Michal Kadlec links hinten aushalf, komplettierten die Viererkette. Davor bildeten Simon Rolfes, Stefan Reinartz und Jens Hegeler die Dreifachsechs, die im Hinspiel eine signifikante Rolle spielte – ebenso wie die drei Offensivkräfte. Dieses Mal begannen neben Schürrle an vorderster Front Sidney Sam und Junior Fernandes. Trotz dieser Veränderungen wäre es vermessen von einer B-Elf zu sprechen, immerhin haben die Rheinländer in einer ähnlichen Besetzung die letzten beiden Pflichtspiele gewonnen.

Europacupdebüt für Wydra

Ebenfalls viele verletzungsbedingte Umstellungen gab es beim SK Rapid, der sich zu Beginn in einer  4-1-4-1-Formation aufstellte. In der Verteidigung sah man dabei noch die üblichen Gesichter: Michael Schimpelsberger und Thomas Schrammel begannen auf den defensiven Außenbahnen, Mario Sonnleitner und Gerson in der Mitte. Als alleiniger Sechser wurde Harald Pichler aufgeboten, der seine Aufgaben im Großen und Ganzen sehr gut erfüllte. Die leicht asymmetrische Flügelzange bildeten Christopher Trimmel, der hoch und breit stand, und Lukas Grozurek, der sich auch tief fallen ließ. Weiters startete Terrence Boyd als Stürmer und Stefan Kulovits sowie Dominik Wydra auf den beiden Achterpositionen dahinter. Für letzteren war es das erste Spiel im Europacup, nach dem er persönlich ein positives Fazit ziehen kann.

Bayers Flügel- und Halbspieler im Hinspiel …

Ein wichtiger Erfolgsfaktor im Hinspiel war die Wechselwirkung von Leverkusens beiden Flügelspielern und den äußeren Mittelfeldspielern. Während Karim Bellarabi eher den klassischen Flügelspielertypen verkörpert und im Angriffsdrittel viel Breite anbietet, spielt Schürrle variabler. Der deutsche Teamspieler sucht gerne die Räume zwischen den Linien um seinen Bewacher zu entgehen, zieht dabei auch in die Mitte. Dass Abwehrreihen österreichischer Vereine mit dieser Spielweise große Probleme haben, zeigte zuletzt das 1:0 der Austria gegen Ried. Schürrle sah sich oftmals keinem Gegenspieler gegenüber, da Rapids Doppelsechs anderwärtig beschäftigt war und Trimmel die rechte Abwehrseite aufgrund der hohen Stellung des gegnerischen Außenverteidigers nicht preisgeben konnte. Auf der anderen Seite trug Bellarabi maßgeblich zur Überladung der rechten Flanke bei. Ganze 48% der Angriffe liefen über diese Seite, im Rückspiel waren es aufgrund der noch offensiveren Spielweise von Carvajal gar 54%.

Die Halbspieler, Gonzalo Castro und Lars Bender, zeigten in Wien, dass die Abläufe mit ihren Vorderleuten gut eingeübt sind und, dass bei ihren Bewegungen ein Rad ins andere greift. Banden die Flügelspieler die Außenverteidiger und zogen sie in die Mitte, stießen die beiden von innen nach außen auf die offenen Seiten vor, wurde die Mitte frei, suchten Castro und Bender diese Räume – zum Beispiel beim 2:0. Zu erkennen ist dies in der Grafik rechts, in der die empfangenen Pässe zu sehen sind. Ebenfalls sichtbar wird der starke Rechtsdrang, der sich auch im Passschema von Bender niederschlägt. Außerdem trug der hohe Mannfokus von Rapid – die beiden Sechser waren den Bayer-Halbspielern zugeordnet – dazu bei, dass Schürrle so viele Freiheiten in der Mitte genoss.

… und im Rückspiel

Anders sah dies im Rückspiel aus, was zum einen mit der veränderten Besetzung der Werkself, zum anderen auch mit der Spielweise von Rapid zu tun hatte. Hegeler ist im Vergleich zum wendigen Allrounder Castro ein Ballverteiler und Aufbauspieler, während Rolfes als klassischer Sechser nicht annähernd so geradlinig nach vorne agiert wie Bender. Im Spielaufbau fächerte sich Leverkusen in eine Art 2-3-5 auf, wobei die linke Position in der zweiten Linie entweder von Hegeler oder Hosogai besetzt wurde. Trat letzteres ein, wurde ein Vorrücken Hegelers aus der Tiefe alleine aufgrund der Position schon unmöglich. Außerdem agierte Rapid nicht so stark mannorientiert wie im Hinspiel und konnte auf einzelne Situationen flexibler reagieren, indem zum Beispiel einer der beiden Achter nach vorne stieß.

Auch mit den Laufwegen der Flügelstürmer kam man besser zurecht. Zugegeben, Leverkusen schaltete nach dem frühen Führungstor etwas zurück, spielte sicherheitshalber auch mal hinten herum, wodurch die Offensivspieler weniger zur Geltung kamen, dennoch konnte man durchaus einen Plan gegen den Ball erkennen. Dieser fußte auf der bereits erwähnten freieren Defensivrolle der Zentrumspieler sowie dem von Schöttel vor dem Spiel geforderten aggressiven Zweikampfverhalten. Neben Schürrle versuchte zwar auch Sam – und in der zweiten Halbzeit auch Castro – konstant die Halbräume neben Pichler zu überladen, die nebenstehende Grafik zeigt aber, dass ihnen das nicht so erfolgreich gelang wie im ersten Spiel. Weil Rapid aufgrund des 4-1-4-1, das phasenweise in ein breites 4-5-1 überging, die Schnittstellen zwischen den Spielern gering hielt und auch die geforderte Zweikampfhärte an den Tag legte.

Alleine Kulovits bestritt mit acht Tackles (sieben davon gewonnen) so viele wie kein anderer Spieler auf dem Platz, Wydra und Pichler (je 4/4 gewonnen)  hatten ebenfalls bessere Zweikampfwerte als ihre zentralen Pendants. In der nachfolgenden Grafik sieht man den entscheidenden Unterschied anhand der Tackles, die im Übergang zum Angriffsdrittel zuhause (rechts) größtenteils verloren und auswärts (links) gewonnen wurden.

Rapids Aufbauspiel im Hinspiel …

Ein Defizit, das sich beim SK Rapid schon seit letzter Saison wie ein roter Faden durch viele Spiele zieht, ist das mangelhafte Aufbauspiel, einhergehend mit zu großen Abständen zwischen den einzelnen Linien und einer hohen Fehlpassquote. Im Heimspiel gegen Leverkusen schrieb man dabei ein neues Kapitel. Ausgehend von der spielerisch schwach besetzten Doppelsechs mit Kulovits und Markus Heikkinen sowie der körperlichen Unterlegenheit von Muhammed Ildiz auf der Zehnerposition gegen Rolfes, fehlte einmal mehr die Verbindung durch die Mitte. Zwar kam Kulovits als bester Rapid-Spieler auf akzeptable 85% erfolgreiche Pässe, allerdings fanden fast 40% seiner Zuspiele in Horizontal- oder Rückwärtsrichtung statt.

Die häufigsten Passkombinationen gingen generell in Gebieten geringen Drucks vonstatten: Trimmel auf Thomas Prager (10), Katzer auf Christopher Drazan, Katzer auf Gerson, Kulovits auf Trimmel, Gerson auf Katzer (jeweils 8). Damit konnte man auf die ohnehin schon sichere 04-Defensive keinen Druck aufbauen, zumal Ildiz in 63 Minuten als wichtigster Aufbauspieler nur auf magere 32 Ballkontakte kam. Bei Leverkusen hingegen sah man die Kombinationen in höheren Zonen: Bender auf Bellarabi (17), Schwaab auf Bender (17), Bellarabi auf Schwaab (15), Friedrich auf Bender, Bender auf Schwab, Schwab auf Bellarabi (je 12).

… und im Rückspiel

Auch dieses Manko konnte weitestgehend behoben werden – zumindest in der ersten Hälfte. Während Rapid in Wien im Schnitt lediglich drei Pässe am Stück spielte, kam man im Auswärtsspiel auf fünf, was ein Indikator dafür ist, dass die Kombinationen flüssiger und sicherer abliefen. Auch hier trugen die zentralen Spieler einen wichtigen Teil dazu bei – insbesondere Wydra. Der Youngster spielte sehr variabel war ständig bemüht seinem Bewacher zu entgehen und agierte für sein Alter erstaunlich kaltschnäuzig. Weiters sah man auch, dass das zu Saisonbeginn gut funktionierende Konzept des Doppelflügels wieder griff. Schrammel, der offensiver agierte als Katzer drängte Sam zurück, womit sich viel Raum auf dessen linker Abwehrseite ergab. Zusätzlich zu Pichler ließ sich noch ein weiterer Spieler fallen, der Spielaufbau der vier Grün-Weißen war dadurch für die beiden übrigen Bayer-Stürmer schwer zu pressen.

Besonders interessant wurde diese Variante, wenn Grozurek – und dieser war sehr bemüht dies zu tun – derjenige Akteur war, der diese tiefe Stellung einnahm. Carvajal rückte intuitiv, aber sehr verhalten auf, wodurch einerseits Grozurek genügend Platz hatte seine Pässe herzurichten, andererseits die Abwehrseite nur halbherzig abgedeckt werden konnte. Mit direkten und passsicheren Kombinationen kam Rapid so zu einigen Chancen über die Seite des Spaniers.

Warum es trotzdem eine klare Niederlage wurde

Allerdings konnten die Hütteldorfer diese nicht nützen. Boyds Distanzschuss ging knapp über das Tor von Rensing, Kulovits vergab freistehend vorm Bayer-Keeper kläglich und Trimmels Kopfball ging nur ans Aluminium. Mit einer derartig ineffizienten Chancenauswertung ist es schwer im Europacup Punkte zu holen, vor allem wenn der Gegner um ein Vielfaches effektiver und ohnehin schon stärker aufgestellt ist. Dem 1:0 in der vierten Minute folgte auch in der zweiten Halbzeit ein Leverkusener Blitzstart – und erneut war das Gegentor eine Folge einer Standardsituation, wie auch das 3:0. Ruhende Bälle stellen in der Europa League offenbar die Achillesferse des österreichischen Rekordmeisters dar, denn bereits im Hinspiel brachte ein Wollscheid-Kopfball nach Eckball das 0:1 und auch gegen Rosenborg fiel das 0:2 nach einem Corner. Die taktischen Anpassungen mögen weitestgehend gegriffen haben, aber im individuellen Bereich war Rapid gegen Leverkusen ganz klar unterlegen.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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