Viele rechneten mit einem relativ klaren Sieg für Deutschland und lange Zeit sah es auch danach aus, denn die DFB-Elf dominierte das Spiel und... Irre schwedische Aufholjagd! Schweden dreht in Deutschland ein 0:4 und holt Remis

Viele rechneten mit einem relativ klaren Sieg für Deutschland und lange Zeit sah es auch danach aus, denn die DFB-Elf dominierte das Spiel und ging früh in Führung. Als es 4:0 stand, war das Spiel bereits entschieden – dachte sich jeder, doch Schweden drehte diese Partie und mit einem 4:4 sorgten sie für eine spektakuläre Partie mit unglaublichem Ergebnis.

Die schwedische Formation

Die Gäste begannen in ihrem klassischen 4-4-2/4-4-1-1-System. Ganz vorne postierte sich Johan Elmander, wobei er mit der hängenden Spitze, dem Weltstar Zlatan Ibrahimovic, durchaus die Positionen wechselte. Mit fortschreitendem Spielverlauf sah man Ibrahimovic dann immer öfter als vorderstem Akteur und Elmander ging als hängender Stürmer zurück.

Dahinter begannen Pontus Wernbloom und Rasmus Elm als Doppelsechs, während Samuel Holmén auf links mit Sebastian Larsson auf rechts die Flügelzange bildete. Sie sollten im Konterspiel schnell Räume überbrücken und das Spiel nach vorne tragen, um von den Seiten aus Ibrahimovic zuarbeiten zu können. Die Doppelsechs blieb dabei eher klassisch und tief, sie interpretierte ihre Position konservativ.

Auch die Außenverteidiger wurden erst mit fortschreitender Spieldauer beziehungsweise nach dem Rückstand höher und forscher, was sich letztlich im Treffer von Mikael Lustig nahezu symbolisch niederschlug. Auf links begann Behrang Safari, während die Innenverteidigung von Andreas Granqvist und Jonas Olsson gebildet wurde.

Die deutsche Formation

Bei der DFB-Elf gab es das klassische 4-2-3-1-System, welches in der Offensive zu einem 4-1-4-1 und im Pressing zu einem 4-4-2 wurde. Hier war es Mesut Özil, der für diese formativen Veränderungen verantwortlich war. Im Aufbauspiel ließ er sich fallen und unterstützte den primären Ballzirkulator Bastian Schweinsteiger. In diesen Momenten agierte er auf einer Höhe mit Toni Kroos, wodurch ein kompaktes 4-1-4-1 entstand, welches sich im Offensivspiel immer weiter auseinanderzog. Schweinsteiger blieb aber zumeist dennoch tiefer und agierte wie eine klassische Sechs vor der Abwehr.

Im Pressing schob sich Özil wiederum nach vorne. Dort unterstützte er Miroslav Klose als zweiter Stürmer, welcher die Innenverteidiger anlief. Sie schoben das Spiel durch das Stellen der gegnerischen Innenverteidiger auf die Außen, wo dann Marco Reus und Thomas Müller, beides enorm starke Pressingspieler, den Gegner unter Druck setzten. Dadurch entstand teilweise sogar ein 4-3-3 im Pressing, welches letztlich hauptsächlich für die Dominanz der Deutschen sorgte.

Durch dieses hohe und aggressive Angriffspressing eroberten sie die Bälle weit vorne, ließen den Ball zirkulieren und waren letztlich klar überlegen. Die Abwehr war kaum gefordert, vorne wurden die Offensivspieler auch vom zu Beginn überzeugenden Jerome Boateng unterstützt und es schien alles auf einen Kantersieg der Deutschen hinauszulaufen. Mitverantwortlich war das schwache Pressing der Schweden.

Das Pressing der Schweden in den ersten sechzig Minuten

Die schwedische Elf um Ibrahimovic versuchte sich in einem sehr engen und kompakten 4-4-2 im Pressing zu organisieren, welches sich sehr tief formierte. Ihre zwei Stürmer attackierten eigentlich erst ab der Mittellinie, die Schweden legten den Fokus auf Stabilität.

Wichtig hierbei ist, dass sie auch sehr passiv pressten. Ziel war es wohl, dass die Deutschen den Ball kontrollierten, aber dadurch weite Räume offen ließen. Die in der Horizontale sehr enge Formation sollte dafür sorgen, dass die gegnerischen Außenverteidiger aufrückten und das Zentrum der Deutschen keinen Platz fand.

Mit den zwei engen Viererketten wollten sie auch den Raum zwischen den Linien zusperren, indem sie durch die tiefe Formation schlichtweg vertikal extrem eng aneinander stehen wollten. Im Grunde eine hervorragende Idee, aber bis zur sechzigsten Minute und danach kommenden Umstellungen funktionierte es nicht, weil Deutschland überraschend gut und intelligent agierte.

Wie die Deutschen dies umspielten

Die Mannschaft von Joachim Löw fiel nicht in die schwedische Falle, sondern positionierte sich in ihren Angriffsverläufen hervorragend. Philipp Lahm beispielsweise ging nur sehr dosiert nach vorne, während Jerome Boateng die Freiheit auf den Flügeln nutzte. Dadurch waren die Deutschen nicht wirklich offen und konnten dank eines hervorragenden Gegenpressing der zentralen Offensivakteure gegnerische Konter sofort unterbinden.

Diese zentralen Akteure waren auch die herausragenden Spieler der starken ersten Hälfte (und der kurzen Phase nach dem Seitenwechsel). Mesut Özil kombinierte hervorragend und zog die Strippen im Mittelfeld, Marco Reus nutzte seine Dynamik und Spielintelligenz, um diese Kombinationen nach vorne zu bringen, während Toni Kroos dahinter für Gefahr und Ordnung sorgte, sowie natürlich Thomas Müller auf rechts, der hervorragend von der Seite in die Halbräume zog.

Mit diesen vier Spielern und dem arbeitenden wie spielstarken Miroslav Klose davor bestraften sie die Passivität der Schweden. Die technisch starken Deutschen ließen den Ball trotz der Enge zwischen den Linien laufen und nutzten die Flügel als Ausweichstation für Spieler wie Pässe. Allerdings kam der Ball dann nicht von außen in die Mitte, sondern wurde wieder zurück in die Mitte gespielt, wo sich die Spieler gut bewegten.

Sie nahmen passende Positionen ein, um nach zurückkommenden Bällen von der Seite sofort das Tempo erhöhen zu können und zwischen die Schnittstellen der Schweden zu kommen. Diese mussten immer wieder auf die Seite verschieben und beim Zurückschieben hatten sie dann Probleme. In weiterer Folge war Deutschland wahrlich brillant, hätte in der 49. Minute fast ein kollektives Traumtor erzielt, doch am Ende wurde diese Leistung der ersten Stunde nicht belohnt. Nach dem Treffer von Ibrahimovic gab es einen Bruch im Spiel und Schweden roch am Wunder.

Effizienz, Momentum und Aggressivität

Durch den Treffer und eine taktische Änderung positionierten sich die Schweden höher. Die Deutschen wähnten sich ihres Sieges zu sicher und das Angriffspressing ließ nach, wodurch auch diese Halbfeldflanken vom eingewechselten Kim Källström in die Spitze kommen konnten.

Aber die Schweden ließen nicht locker. Von ihrem passiven Mittelfeld- und Abwehrpressing gingen sie zu einem körperbetonten Pressing im vorderen Teil des zweiten Spielfelddrittels über, womit Deuschland nicht klar kam. Die Bewegung stimmte nicht und es fehlte an der nötigen Entschlossenheit, sich dem anzupassen.

Diese Aggressivität im Pressing sorgte für Schwedens Aufleben, da sie nun den Gegner unter Druck setzten und ihnen den Ballbesitz streitig machten. Darum mussten die Deutschen öfters auf lange Bälle zurückgreifen, welche prompt zurückkamen, da es vorne kaum Optionen für lange Bälle gab. Auch hier fehlte es am Tempo und der Entschlossenheit, welche sich in diesem Aspekt im Umschalten nach vorne äußerte: zu langsam, zu wenig kollektiv und dadurch keine Möglichkeit aus dem gegnerischen Pressing zu kommen; Unterzahlkonter waren die Folge.

Dennoch muss man erwähnen, dass die Schweden auch schlicht ihre Chancen sehr effizient nutzten. Sie hatten zu Spielende exakt vier Schüsse auf das Tor von Manuel Neuer und allesamt landeten auch im Netz. Sechs Abschlüsse waren es insgesamt für die Skandinavier, Deutschland hatte deren 13.

Mit jedem Treffer verstärkte sich der Bruch im deutschen Spiel, welche die vorher so wunderbar anzusehende offensive Spielintelligenz in der Defensive und Arbeit gegen den Ball plötzlich vermissen ließen. Das Momentum lag auf Seiten der Gelben, der Spielrhythmus hatte den schwedischen Takt angenommen. Ursache dafür war die Verlagerung des Spiels vom Boden in die Luft.

Der Luftzweikampf und die gegnerische Bedrängung

Wie schon erwähnt haben die Deutschen bis zur 60. Minute das Spiel kontrolliert, aber kamen dann unter die Räder, weil sie kaum noch effektiv gegen den Ball arbeiteten. Dadurch hatten die Schweden ausreichend Zeit, um präzise Flanken und weite Bälle zu schlagen. Lustigerweise spielten auch die Deutschen mehr hohe Bälle, aber wegen der hohen gegnerischen Bedrängung und nicht wegen des Fehlens davon.

Die Schweden schlugen damit zwei Fliegen mit einer Klappe, weil sie in der Luft schlichtweg klar überlegen waren. Insbesondere Ibrahimovic konnte zahlreiche Bälle perfekt ablegen, herunterpflücken oder gar direkt verwerten, wie bei seinem ersten Treffer. Perfekt zeigte sich dies in diesem Vergleich von zwei Statistiken: Deutschland hatte 62% Ballbesitz, Schweden gewann aber 63% Luftzweikämpfe, eine enorme Quote.

Fazit

Ein denkwürdiges Spiel, welches den Schweden wie auch der deutschen Nationalmannschaft lange in Erinnerung bleiben wird. Diese Partie wird auch exemplarisch dafür stehen, wie auch ohne formative, aber dafür spielphilosophische und psychologische Veränderungen im Spielverlauf, riesige Veränderungen entstehen können. Das 4:4 war zwar spielerisch wie statistisch nicht gerechtfertigt, doch aufgrund der schwachen Defensivleistung der Deutschen, welche bereits bei den Offensivakteuren begann, durchaus ein verdientes Ergebnis.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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