Der traditionsreiche Serie-A-Club AC Mailand erlebt derzeit eine der größten sportlichen Krisen ihrer Clubgeschichte. Im Moment steht die von Clublegende Filippo Inzaghi trainierte Mannschaft... Fünf Gründe warum es derzeit beim AC Milan nicht läuft

AC Milan - Logo, WappenDer traditionsreiche Serie-A-Club AC Mailand erlebt derzeit eine der größten sportlichen Krisen ihrer Clubgeschichte. Im Moment steht die von Clublegende Filippo Inzaghi trainierte Mannschaft auf dem enttäuschenden zehnten Tabellenrang mit nur 43 Punkten aus 33 Spielen. Insgesamt gewannen die Rossoneri 18-mal den Scudetto und gehören zu den erfolgreichsten Mannschaften der Geschichte, doch die große Zeit ist längst vorüber. Seit der letzten Meisterschaft im Jahr 2011 ging es stetig bergab und dies hat einige Gründe.

Die mangelnde Offensivkraft

Insgesamt erzielten die Profis des AC Mailand bis dato 46 Treffer. Eigentlich kein schlechter Wert wenn man bedenkt, dass Tabellenführer Juventus 63-mal in dieser Spielzeit über die Linie traf. Allerdings gibt es bei den Mailändern nur einen Spieler, der regelmäßig trifft – Jeremy Menez. Der Franzose absolvierte in dieser Saison bereits 33 Spiele, die meisten seines Teams, und erzielte dabei 16 Treffer, wobei gleich acht davon per Elfmeter zu werten sind. Mit Keisuke Honda (sechs Tore), Alessio Cerci (ein Tor), Mattia Destro (zwei Tore), Giampaolo Pazzini (zwei Tore) und M’Baye Niang (kein Tor) hat man eigentlich einige namhafte Offensivspieler zur Verfügung, die aber allesamt keine Torgefahr ausstrahlen.

Hinzu kommt noch die Leidenszeit von Stephan El-Shaarawy. Der italienische Nationalspieler konnte aufgrund seiner hartnäckigen Verletzungen in dieser Spielzeit nur 15 Spiele absolvieren und traf dabei nur ein Mal. Wenn man sich nun ansieht wie das Offensivszenario in der Meistersaison 2010/11 ausgesehen hat fällt auf, dass die offensive Durchschlagskraft viel höher war. Mit Zlatan Ibrahimovic (14 Tore), Robinho (14 Tore), Alexandre Pato (14 Tore) und Antonio Cassano (vier Tore) gab es mehrere Spieler die offensiv Akzente gesetzt haben. Auch in der Saison 2012/13, als am Ende der Spielzeit Tabellenrang drei erreicht wurde und die Zeit von Ibrahimovic, Thiago Silva und Andrea Pirlo bereits vorbei war, hatte man noch drei torgefährliche Angreifer, mit Stephan El-Shaarawy (16 Tore), Mario Balotelli (12 Tore) und Giampaolo Pazzini (15 Tore). Im Moment konzentriert sich alles auf Jeremy Menez und der kann die Mailänder natürlich nicht im Alleingang aus der Krise schießen.

Diverse Defensivakteure

Wohl noch ein größeres Problem ist die Defensive. Während Tabellenführer Juventus lediglich 19 Gegentore in 33 Spielen kassiert hat, haben die Mailänder bereits 42 auf der Haben-Seite. Für die Ansprüche des großen Clubs natürlich zu viel. In der Meistersaison hieß das Innenverteidiger-Duo Thiago Silva (33 Spiele) und Alessandro Nesta (26 Spiele). Beide Spieler hatten natürlich großen Anteil daran, dass lediglich 24 Treffer in der gesamten Saison kassiert wurden. Wenn Silva oder Nesta verletzt oder gesperrt waren, waren mit Mario Yepes (13 Spiele) und Daniel Bonera (16 Spiele) zwei ebenfalls sehr solide Innenverteidiger zur Stelle. Mit Luca Antonini (22 Spiele) und Ignazio Abate (29 Spiele) hatte man auch zwei sehr gute Außenverteidiger in den eigenen Reihen.

Filippo Inzaghi hat offensichtlich seine Stamm-Verteidigung nicht gefunden, wenn man sich folgende Einsatzzeiten ansieht. Mit Salvatore Bocchetti (fünf Spiele), Adil Rami (21 Spiele), Gabriel Paletta (neun Spiele), Cristian Zapata (elf Spiele), Alex (17 Spiele), Philippe Mexès (17 Spiele) und Daniel Bonera (14 Spiele), hat man gleich sieben Spieler zur Verfügung die sich um zwei Innenverteidigerpositionen bewerben. Dies gibt natürlich nicht unbedingt eine Kontinuität in der Aufstellung und bringt ebenfalls Schwierigkeiten im Spielaufbau mit sich. Außerdem machten die Herren Mexès und Kollegen immer wieder mit horrenden Stellungsproblemen auf sich aufmerksam als mit einer gut geordneten Defensive.

Die Trainerfrage

Nach den großen Zeiten unter Carlo Ancelotti übernahm der momentane Juventus-Coach, Massimiliano Allegri, das Ruder bei den Rossoneri. Nach Gewinn der Meisterschaft ging es allerdings sportlich weniger erfreulich zu und seither setzt man auf Vereinslegenden. Im Jänner 2014 beendete Clarence Seedorf seine aktive Karriere um auf der Trainerbank des AC Mailand seine Arbeit zu verrichten. Nach nur einem halben Jahr war aber schon Schluss, da man unter dem Niederländer auf Tabellenrang acht abschloss und erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr im europäischen Konzert mitmischen konnte. Auf Seedorf folgte die nächste Vereinslegende.

Bei seinem Amtsantritt zu Beginn der aktuellen Saison wurde Filippo Inzaghi frenetisch gefeiert. Dem ehemaligen Starstürmer wurde so ziemlich alles zugetraut – die Erwartungshaltung war gigantisch. Die ersten beiden Spiele wurden gewonnen, ehe man gegen Juventus am dritten Spieltag mit 0:1 unterlag. Nach einigen Unentschieden enteilte allerdings die Konkurrenz und auf einmal fand man sich nur im Mittelfeld der Tabelle wieder. Auch die Fans haben inzwischen die Geduld verloren, nachdem man zum zweiten Mal gegen den FC Genua unterlag. Es scheint, als würde Inzaghi seine Mannschaft nicht erreichen, nicht den Spielwitz kreieren können, den er selbst noch bis vor einigen Jahren versprühte. Die Vereinsführung bewies viel Geduld mit dem 41-Jährigen, doch am Saisonende wird mit großer Wahrscheinlichkeit sein Engagement beim AC Mailand vorbei sein. Möglicherweise braucht es einen erfahreneren Coach, der solche Situationen einzuschätzen weiß.

Die Probleme in der Vereinsführung

Seit Silvio Berlusconi den Club im Jahr 1986 übernommen hat wurden zahlreiche Titel geholt und große Erfolge im Weltfußball gefeiert. In den aktuellen Tagen scheint aber ein Verkauf des Clubs sicher, da jedes Jahr Verluste in Millionenhöhe geschrieben werden und durch die schlechten sportlichen Leistungen der Wert des Vereins kontinuierlich sinkt. Der ehemalige italienische Ministerpräsident hat allerdings einige Familienmitglieder beim Fußballclub installiert und dies sorgte zuletzt immer wieder für Unmut. Sein Bruder Paolo Berlusconi ist Vize-Präsident. Seit 2013 ist auch Barbara Berlusconi, die Tochter des Medienmoguls, stellvertretende Geschäftsführerin. Sie war zuletzt immer wieder in Dispute mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, Adriano Galliani, verwickelt. Dieser drohte sogar bereits mit dem Rücktritt, da er in vielerlei Hinsicht Probleme mit Barbara Berlusconi hatte. Die Fans forderten immer wieder eine Änderung der Vereinsführung, da sie nicht mehr mit der Politik Berlusconis einverstanden sind. Der thailändische Investor Bee Taechaubol soll laut Medienberichten jetzt bereit sein, die Anteile Berlusconis zu übernehmen und den Club wieder zu alter Stärke zurückführen.

Fazit

Neben den sportlichen Problemen die der Club ohne Zweifel hat, kommen demnach auch noch zwischenmenschliche Dinge dazu. Der einstige Vater des Erfolgs, Silvio Berlusconi, will sich vom Verein distanzieren und seine Anteile nach fast 30 Jahren verkaufen. Demnach hat es die Vereinsführung in den letzten Jahren verpasst, schlagkräftige Transfers zu vollziehen. Während Spieler wie Zlatan Ibrahimovic, Thiago Silva oder Robinho verkauft wurden und Altstars wie Alessandro Nesta oder Gennaro Gattuso ihre Karrieren beendeten, wurde kein adäquater Ersatz besorgt. Während die Serie-A-Konkurrenten Juventus Turin, AS Roma oder SSC Neapel immer wieder gute Spieler in ihr Team geholt haben, wird Milan nun von der Zeit eingeholt. Die Verteidiger sind in die Jahre gekommen, der verletzte Spielmacher Riccardo Montolivo fehlt an allen Ecken und Enden und in der Offensive gibt es mit Ausnahme von Mènez im Moment keinen torgefährlichen Angreifer. Bei den Rossoneri ist wohl tatsächlich ein Generationenwechsel notwendig um wieder zu alten Erfolgen zurückkehren zu können.

Andreas Prentner, abseits.at

Andreas Prentner

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