Am 14. Spieltag der italienischen Serie A empfing der AC Milan den aktuellen Titelträger Juventus. Mit einem Sieg wollte die „Alte Dame“ im Titelkampf... Juve fehlen Ideen im Angriffsdrittel – Milan gewinnt Schlager im Zentrum

Am 14. Spieltag der italienischen Serie A empfing der AC Milan den aktuellen Titelträger Juventus. Mit einem Sieg wollte die „Alte Dame“ im Titelkampf gegen Milans Stadtrivalen Inter vorlegen. Herausgekommen ist schließlich jedoch die zweite Saisonniederlage – zum zweiten Mal gegen einen Klub aus Mailand. Den Siegtreffer erzielte Robinho per Handelfmeter.

Obwohl die aktuelle Spielzeit noch jung ist, ist es laut vielen Fußballfans nur eine Frage der Zeit bis Juventus in dieser Saison zum 29. Mal den Scudetto perfekt macht. Dass man als Konkurrent der Bianconeri nicht vorzeitig die Flinte ins Korn werfen sollte, zeigen die Mailänder Klubs Inter und Milan. Nachdem die Nerazzurri in Turin 3:1 gewannen, zogen die Rossoneri am Sonntag nach. Die entscheidende Aktion: Montolivo rückt aus dem Mittelfeld auf, die nachfolgende Flanke landet nach einem Kopfball am Arm von Mauricio Isla. Den verhängten Strafstoß verwertet Robinho.

Weg vom 4-3-1-2

Der AC Milan startete gemessen an den Ansprüchen sehr schlecht in die Saison, belegte bis zu diesem Spiel nach keiner Runde einen einstelligen Tabellenplatz. Mittlerweile scheint die Mannschaft von Trainer Massimiliano Allegri jedoch auf dem Weg der Besserung, hat mit einem 3:1-Sieg gegen den RSC Anderlecht unter anderem das Achtelfinale der Champions League erreicht. Einhergehend mit diesem Aufschwung ist der Wechsel der Grundformation. Allegri wagte nach langer Zeit einen Umstieg vom etablierten 4-3-1-2 zu einem 4-3-3, das je nach Besetzung auch in ein 4-2-3-1 übergeht.

Gegen Juve begannen die Rot-Schwarzen mit einem Dreiersturm, gebildet von Kevin Prince Boateng, Robinho und Stephan El Shaarawy, welcher im Laufe des Spiels aber zusehends die Grenzen verwischen ließ und wenig Tiefe mit sich brachte. Dahinter zog man mit Riccardo Montolivo, Nigel de Jong und Antonio Nocerino eine Dreierreihe im Mittelfeld auf, die von Mattia De Sciglio, Phillippe Mexes, Mario Yepesund und Kevin Constant als Viererkette abgesichert wurde.

Juve ohne Chiellini

In Abwesenheit von Antonio Conte, der im Zuge eines Spielbetrugs gesperrt wurde, gibt aktuell Angelo Alessio die Anweisungen von der Outlinie. Dabei musste er in diesem Spiel auf den verletzten Abwehrspieler Giorgio Chiellini verzichten, dessen Platz in der Dreierkette Martin Caceres einnahm. Die Nebenleute blieben mit Andrea Barzagli und Leonardo Bonucci die gleichen. Auch im Mittelfeld herrschet weitestgehend Kontinuität: vor Spielmacher Andrea Pirlo agierten zentral die beiden „Wadenbeißer“ Claudio Marchisio und Arturo Vidal, die neben großer Zweikampfstärke auch Torgefahr mit sich bringen. Flankiert wurde das Trio von Kwadwo Asamoah und Mauricio Isla. Letzterer bekam den Vorzug gegenüber Stephan Lichtsteiner – vermutlich um die rechte Seite ausgeglichener zu besetzen – wurde aber nach schwachen ersten 45 Minuten ausgewechselt. Im Sturm bot man mit Fabio Quagliarella und Mirko Vucinic ebenfalls ein ähnlich spielendes Duo auf.

Boateng – Manndeckender Stürmer? Falsche Neun? Centrocampista?

Steht Pirlo auf dem Platz, stellt sich für den Gegner jedes Mal die zentrale Frage wie man den Italiener so zustellt, dass er seine gefürchteten Schnittstellenpässe nicht anbringen kann. Pirlo kam zwar auf 95 Ballkontakte, allerdings nur auf zwei Key Passes – ein unterdurchschnittlicher Wert für den 33-Jährigen. Die entscheidende Rolle bei Juve-Ballbesitz kam dabei Boateng zu. Der Ghanaer begann zwar nominell als rechter Flügel, ließ sich gegen den Ball aber immer wieder diagonal zurückfallen und nahm Pirlo mehr oder weniger in Manndeckung, was die Jobbeschreibung eines „manndeckenden Stürmers“ durchaus rechtfertigen würde.

Allerdings gingen die Aufgaben des 25-Jährigen über diese Verpflichtung hinaus. Zwar hatte Milan mit Robinho keinen klassischen Strafraumstürmer im Angriffszentrum, die Anbindung ans Mittelfeld übernahm aber weitestgehend Boateng – nicht zuletzt aufgrund seiner Position in der Rückwärtsbewegung. Er hielt die Kombinationen im Fluss, schoss selbst viermal aufs Tor und legte mit sechs begangenen Fouls auch eine entsprechende Härte an den Tag. Mit zunehmender Zeit ließ Boateng zudem seinen Flügel verwaisen, nahm seine ursprüngliche Position als Centrocampista zentral vor dem Dreiermittelfeld ein, wodurch wieder das klassische 4-3-1-2 sichtbar wurde.

Mannorientierung zerstört Juve

Es wäre aber zu einfach das gesamte Spiel auf das Duell Boateng gegen Pirlo zu reduzieren, es ist nämlich keine Seltenheit, dass Pirlos Teams trotz einer Manndeckung gegen ihn erfolgreich sind. Viel mehr waren es die Zonen um ihn herum, die nicht effektiv ausgespielt wurden bzw. aufgrund Milans Defensivspiels nicht ausgespielt werden konnten. Insbesondere die beiden Halbspieler Marchisio und Vidal können aufgrund ihrer kämpferischen Art immer wieder Tore erzwingen, in diesem Spiel wurden sie aberneutralisiert.

Ein üblicher Ablauf des Tandems ist, dass sie, nachdem sich einer der beiden Stürmer fallen lässt, in die Spitze vorstoßen – vor allem Marchisio tat dies sehr oft. Allerdings sah sich auch er einer Quasi-Manndeckung gegenüber – und zwar von Montolivo. Bei Vidal, der als der robustere der beiden gilt, auf der anderen Seite sah dies etwas anders aus. Hier wechselten sich je nach Position des Chilenen Constant und Nocerino ab. Letzterer stieß als Kompensation zur Pirlo-Manndeckung auch ein ums andere Mal in die Spitze vor um die Innenverteidiger anzupressen.

Fehlende Ideen im Angriffsdrittel

Nachdem kreative Impulse aus dem Mittelfeldzentrum ausblieben mussten zusehends die Verteidiger die Verantwortung übernehmen, was jedoch dadurch erschwert wurde, dass Milan den Druck hoch hielt. In der 4-3-1-2-Pressinganordnung stellte Robinho meist Caceres zu, da dieser als spielstärkster Abwehrspieler gilt, während El Shaarawy den Ballführenden anlief. Der einzige Ausweg für Juve waren somit meist lange Pässe – meist auf die rechte Außenbahn, wo man Constant als Bruchstelle ausgemacht hat (siehe Passschemen rechts). Zumal dieser wie erwähnt von Vidal auch herausgezogen werden konnte.

In der ersten Hälfte hatte man mit dem unterirdischen Isla zwar noch Probleme gefährlich zu werden, mit der Einwechslung von Simone Padoin konnte diese Seite aber zusehends überladen werden. Dennoch blieben trotz stolzen 36 Flanken hochkarätige Torchancen aus, da alleine die Milan-Innenverteidiger gemeinsam 22 Clearences erreichten. Einen weiteren Plan hatte Juve nicht mehr, denn trotz reger Bewegung des Sturmduos hatte Milan im Abwehrzentrum stets die Majorität, da de Jong immer wieder zurückfiel bzw. den abkippenden Stürmer übernahm.

Die Entstehung des 1:0

Zum Abschluss soll noch die Entstehung des entscheidenden Treffers beleuchtet werden, da sie den – zugegebenermaßen marginalen – Unterschied in diesem Spiel relativ gut herausstreicht.

Montolivo kann im Mittelfeld den Ball annehmen und auf De Sciglio auf der Außenbahn weiterspielen, da dieser dort viel Raum vorfindet.

Es folgt ein Doppelpass, wobei hier zwei Dinge entscheidend sind. Erstens, dass Montolivo energischer, mit mehr Tempo und dem Vorteil, der handelnde Akteur gegenüber seinem Gegenspieler zu sein, in den Pass hineingehen kann. Zweitens, dass Robinho am linken Bildrand Caceres wegzieht, den Raum somit vergrößert.

Dadurch hat Montolivo freie Bahn für sein Vorrücken im Mittelfeld und kann auf seinen Mitspieler abspielen. Das ungeschickte Einschreiten von Isla und Robinhos Nervenstärken taten ihr Übriges.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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