Nach der erfolgreichen Meisterschaft, als sie unter Neo-Trainer Conte ohne Niederlage den Scudetto gewannen, tut sich einiges in Turin. Neben einigen interessanten Neuverpflichtungen sollen... Juventus Turin 2012/13: Kleiner Umbruch beim ungeschlagenen Meister

Nach der erfolgreichen Meisterschaft, als sie unter Neo-Trainer Conte ohne Niederlage den Scudetto gewannen, tut sich einiges in Turin. Neben einigen interessanten Neuverpflichtungen sollen ebenso ein paar Spieler aus dem aktuellen Kader abwandern. Darunter fallen einige namhafte Spieler, welche entweder menschlich oder taktisch nicht mehr zum Rekordmeister Italiens passen.

Problemkinder, Altstars und gescheiterte Talente

Einer der bereits feststehenden Abgänge dürfte den Tifosi besonders wehtun. Alessandro Del Piero ist eine Ikone des Vereins und hielt der alten Dame auch beim Zwangsabstieg vor sechs Jahren noch die Treue. Nun ist er zu alt und wird nicht mehr benötigt. Es bleibt abzuwarten, ob das die richtige Entscheidung ist – auch Juve-Star Andrea Pirlo galt als zu alt und jenseits seines Zenits beim AC Mailand, bewies dann aber für die Bianconeri das Gegenteil. Ebenso mussten Fabio Grosso und der österreichische Torhüter Alex Manninger den Verein verlassen. In ihnen wurde kein sportlicher Mehrwert mehr gesehen und als Kaderfüller wurden sie für zu alt und schwach befunden.

Ein anderes Schicksal blühte Marco Motta und Eljero Elia. Ersterer konnte sich nie durchsetzen und wurde nun ein weiteres Mal auf Leihe geschickt. Das ehemalige große Talent scheint zu stagnieren und konnte selten die in ihn gesteckten Erwartungen erfüllen. Wie auch Eljero Elia. Für eine hohe Summe und als Hoffnungsträger gekommen, konnte er nur selten die Vorschusslorbeeren zurückzahlen. Wie der ehemalige Bremen-Star Diego war er nur kurzzeitig eine Verstärkung und machte später eher durch schwache Auftritte im Training auf sich aufmerksam. Seinen Abgang zum SV Werder Bremen ließen sich die Italiener dennoch mit fast sechs Millionen Euro vergüten.

Aus ähnlichen Gründen dürften Felipe Melo und Milos Krasic Streichkandidaten für Conte sein. Melo hatte – wie sein bereits erwähnter Landsmann Diego – nur eine kurze erfolgreiche Zeit bei Juventus, danach ging es bergab. Er wechselte auf Leihbasis in die Türkei, wo er mit einem Skandal im Training für „Schlag“zeilen sorgte, als er bei einer Schlägerei beteiligt war. Trotzdem scheint eine Rückkehr zu Galatasaray möglich, ebenso wie bei Reto Ziegler zu Fenerbahce. Milos Krasic hingegen hatte ein enttäuschendes Jahr und trotz seiner starken Debütsaison 2010/11 darf er bei einem guten Angebot gehen.

Künftige und vergangene Stars als Einkaufspolitik?

Nachdem letzte Saison mit Arturo Vidal und Andrea Pirlo zwei Volltreffer auf dem Transfermarkt gelandet wurden, versuchen es die Verantwortlichen von Juventus abermals mit klar unterschiedlichen Mustern in ihren Transfers. Mit Richmond Boakye wurde ein groß gewachsener und athletischer Mittelstürmer geholt, während Alberto Masi für die Innenverteidigung vorgesehen ist. Beide sind erst 19 Jahre alt und gelten als große Talente. Für Nicola Leali, ebenfalls 19 Jahre alt und als Torhüter womöglich der Nachfolger Buffons, wurden fast 4 Millionen € ausgegeben. 8,5 Millionen Euro steckte man somit in Perspektivspieler.

Caceres fix, Giovinco als Heimkehrer

Dazu kamen vier weitere Spieler, die eher an das Profil von Arturo Vidal kommen: jung, aber nicht zu jung; bekannt, aber keine Stars; hohe Qualität, aber noch immer mit etwas brachliegendem Potenzial. Unter diesen Spielern ist auch Martin Caceres, der bereits in der vergangenen Saison leihweise bei der alten Dame spielte und überzeugen konnte. Für ihn wurden acht Millionen € locker gemacht. Ein weiterer Neuzugang, der das Turiner Umfeld schon kennt, ist Sebastian Giovinco, der in seiner Jugend und Anfangszeit als Profi bei Juventus tätig war. Seine Dienste kosten fast 11 Millionen und er ist somit ein teurer Rückkehrer. Zu diesen beiden gesellen sich Mauricio Isla und Kwadwo Asamoah, die beide bei Udinese tätig waren.

Laufmaschinen aus Udine

Sie sind beide komplette Spieler, die offensiv wie defensiv ihre Aufgaben erfüllen können. Beide geben als Idealposition das zentrale Mittelfeld an, wobei Isla gar als offensivorientierter Flügelverteidiger oder Innenverteidiger auflaufen könnte. Ersteres dürfte womöglich sogar seine stärkste Position sein. Isla gilt als Dauerläufer und beackert als defensiver Flügel die gesamte Außenbahn oder agiert im Zentrum als box-to-box-midfielder. Asamoah geht ebenso weite Wege, ist aber etwas horizontaler in seinem Aktionsradius und körperlich etwas kräftiger. Die beiden sollen im zentralen Mittelfeld für mehr Kadertiefe sorgen, wobei Isla im 3-5-2 der Turiner durchaus als Außenspieler genutzt werden könnte.

Lucio als routiniertester Neuzugang

Der letzte im Bunde der Neuzugänge ist ein bekannter Name: Lucio von Inter Mailand, ein ehemaliger Bundesligaprofi, der bei Bayern München und Bayer Leverkusen tätig war. Der ehemalige Weltklasseverteidiger kommt ablösefrei und es verwundert deshalb wenig, dass dieser Transfer an jenen Pirlos von letztem Sommer erinnert. Fraglich, ob Lucio ebenso in einem solchen Ausmaß einschlagen wird, aber zumindest in den großen Spielen könnte er mit seinem Biss, seiner Erfahrung und seiner Stärke in der Manndeckung sehr wichtig werden.

Aufstellung: bleibt es beim 3-5-2?

Vor seiner Zeit bei Juventus wurde spekuliert, ob sich Conte bei seiner ersten großen Trainerstation treu bleiben würde. Es wurde gesagt, er spiele ein 4-2-4 und die italienische Version des totalen Fußballs: viel ist davon nicht übrig geblieben. Viele Unentschieden zeigten durchaus eine Fixierung auf Ergebnisfußball, allerdings spielte Juventus durchaus offensiv und dem Auge wohlgefällig. Einerseits natürlich wegen der unterschiedlichen Spielertypen in der Mitte (der elegante Pirlo, der sich durch seine Pässe definiert, der kämpferische Vidal und dem torgefährlichen Alleskönner Marchisio), andererseits eben aufgrund der Abkehr vom 4-2-4/4-4-2 Contes.

Im 3-5-2, welches im Saisonverlauf immer öfter vorkam und sich spätestens ab Winter vollends durchsetzte, hatten sie offensive Flügelverteidiger, flexible Stürmer und eine solide Dreierkette hinter dem bereits erwähnten Mittelfeld. Mit Vucinic, Quagliarella und Giovinco können sie ein extrem spiel- und kombinationsstarkes Sturmduo aufbieten, welches durch Matri, Pepe und den jungen Boakye erweitert wird. Über die Flügel gibt es noch mehr Variabilität.

Rechts können Isla und Giaccherini als sehr offensive Alternativen agieren, hinzu kommen Caceres und Lichtsteiner, die als geschulte Verteidiger etwas gemäßigter sind, ihre Rolle aber ebenfalls offensiv interpretieren. Auf der linken Seite gibt es mit De Ceglie ebenfalls einen sehr offensiven Spieler. Sein Ersatz ist der nominelle Innenverteidiger Chiellini, der dank seiner Athletik und Bissigkeit diese Rolle auf der Außenbahn ebenfalls gut spielen kann. Gegebenenfalls kann somit einfach auf ein 4-3-3 umgestellt werden, was im Endeffekt durch einen einzigen Wechsel geschieht.

Die zwei Stürmer erhalten einen zusätzlichen Akteur, die Viererkette formiert sich dann mit einem Innenverteidiger auf der Außenbahn neu (Chiellini bspw. als Links- statt Innenverteidiger).  Dies ist dank der Polyvalenz von Giaccherini und Pepe möglich, die beide als Flügelverteidiger wie Außenstürmer auflaufen können. Auch Vucinic und Quagliarella sind anpassungsfähig, sie können problemlos vom Sturmzentrum auf den Außensturm ausweichen.

4-3-3 wegen starker Innenverteidiger unwahrscheinlich

Eine generelle Umstellung auf ein 4-3-3 wäre somit möglich, ist aber wegen der zahlreichen starken Innenverteidiger und dem Erfolg des 3-5-2 unwahrscheinlich. Mit Lucio, Barzagli, Bonucci und Chiellini gibt es vier starke Innenverteidiger. Interessant wäre es, wenn Vidal wegen Isla und Asamoah im Mittelfeld ersetzbar wird und deswegen in die Freirolle hinter den zwei Manndeckern der Dreierkette geschoben wird. Eine Rolle, die er in der chilenischen Nationalmannschaft bereits einige Male spielte. Unter Conte spielte er sogar mit Caceres gemeinsam in einer Viererkette den zentralen Part (gegen Genoa am 27. Spieltag).

Die Möglichkeiten sind für Conte jedenfalls da, um wieder einen Schritt Richtung „italienischem Totalen Fußball“ zu gehen.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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