Wie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive... Transfers erklärt: Darum wechselte Fernando Llorente zu Juventus Turin

Juventus Turin, ItalienWie schon in der vergangenen Winterpausen gehen wir in dieser Rubrik auf einzelne fixe Transfers zumeist größerer Vereine ein, wo die Hintergründe und Motive beleuchtet werden. Wieso holt eine Mannschaft diesen Spieler? Wer ist dieser Spieler überhaupt? Was erwartet sich sein neuer Verein von ihm? Kann er die Erwartungen in seinem neuen Verein erfüllen?

Diese Fragen sollen hauptsächlich beantwortet werden. Auch die taktische Perspektive soll nicht zu kurz kommen, immerhin ermöglicht ein neuer Spieler oftmals eine Vielzahl neuer Kombinationen und Synergien, die ebenfalls kurz erläutert werden sollen.

Wir blicken auf das potenzielle neue Sturmduo von Juventus Turin, das sich in diesem Sommer mit gleich zwei Spielern für die Position des Mittelstürmers verstärkt haben. Heute betrachten wir den Transfer von Fernando Llorente, morgen widmen wir uns dem argentinischen Stürmer Carlos Tévez.

Juventus kann auf unterschiedliche Rollenverteilung zurückgreifen und womöglich auch einen Systemwechsel vornehmen. In diesem zweiteiligen Beitrag werden nicht nur die beiden Spieler vorgestellt, sondern auch genauer jene Optionen und Vorteile, die sie den Turinern auf taktischem Niveau bieten.

Aus dem Baskenland kommt ein Wandspieler

Fernando Llorente hat eine schwere Saison hinter sich. Er spielte insgesamt nur zwei Mal über 90 Minuten, kam in der Liga zwar auf 26 Einsätze, wurde dabei aber 22mal eingewechselt. Insgesamt waren es nur 886 von 3420 möglichen Minuten (vier Tore und eine Vorlage), die er in der Primera Division eingesetzt wurde. Ein Grund waren natürlich kleinere Verletzungen, unter anderem plagte sich der spanische Nationalspieler mit Oberschenkel- und Fitnessproblemen.

Doch der zweite Grund war womöglich auch die Ursache für diese Verletzungen: Llorente durfte im vergangenen Sommer, wie sein ehemaliger Teamkollege Javi Martinez bei Athletic Bilbao, nicht mehr mittrainieren, nachdem er Wechselwünsche äußerte. Trainer Marcelo Bielsa begründete dies mit mangelnder Konzentration und ließ beide Akteure – in der Saison zuvor noch Führungsspieler und Leistungsträger – nicht mehr mit der ersten Mannschaft mittrainieren.

Der als menschlich oftmals stur und verschroben geltende Bielsa wich auch im Laufe der Saison von seiner Linie nicht ab und Llorente kam auf nur wenige Einsätze. Er wurde meistens spät bei knappen Spielständen eingewechselt, langfristig wollte Bielsa aber auf Spieler bauen, die dem Verein länger erhalten bleiben. Llorente verkündete nämlich nach dem versäumten Wechsel letzten Sommer, dass er seinen Vertrag dennoch nicht verlängern und den Verein spätestens im Sommer 2013 verlassen würde. Einmal verließ er gar aus Protest das Training, was zu einer weiteren Verschlechterung der Lage führte.

Nun ist der Sommer da – und aus einer heißen Transferaktie des vergangenen Jahres wurde ein eher stiller und von den Medien wenig beachteter Wechsel. Schon im Januar verkündete Juventus Turin die ablösefreie Verpflichtung, ob es zu einem Stammplatz reichen wird, weiß niemand.

Sollte Llorente aber an seine Leistungen von vor zwei Jahren anknüpfen, könnte er ein Goldgriff für die Italiener werden. In der Saison 2012/13 landete Athletic Bilbao sowohl in der Europa League als auch im Copa del Rey auf Platz 2, als man sich im Finale jeweils den Top-Teams von Atlético Madrid und dem FC Barcelona geschlagen geben musste. Sie überzeugten in dieser Saison mit ihrem Ballbesitzfußball, einer sehr offensiven Spielweise und enormen Pressing. Insgesamt traf Llorente 29 mal in 3931 Minuten.

Der 1,95m große Mittelstürmer besticht aber nicht nur durch seine Präsenz im Strafraum und als Abnehmer von hohen Bällen. Als Referenzpunkt für lange Bälle ist er hervorragend, er hat eine starke Ballbehauptung und ist technisch gut, außerdem enorm durchsetzungsfähig in der Luft. Dazu besitzt er ein relativ gutes Dribbling für seine Größe, ist spielintelligent in seinen Bewegungen und arbeitet im Pressing gut mit.

Seine Mängel finden sich im Pass- und Kombinationsspiel, wo er vorrangig wegen mangelnder Konstanz in seiner Technik bei höheren Geschwindigkeiten sowie seiner generellen Langsamkeit nicht auf höchstem Niveau überzeugen kann. Dennoch könnte er für Juventus eine gute Wahl sein. Insbesondere in den Partien gegen Bayern zeigte sich, dass bei einem starken Pressing, bei dem die die Innenverteidiger zugestellt werden,  ein Anspielpunkt in der Distanz fehlt.

Juventus baute das Spiel mittels Kurzpässen enorm lange auf, kam dann in Probleme und Pirlo konnte durch eine einfache Manndeckung aus dem Spiel genommen werden. Bei langen Bällen war man mit Matri und Quagliarella, beziehungsweise Vucinic, hoffnungslos gegen Dante und Van Buyten unterlegen, die ihre jeweiligen Gegenspieler nahezu problemlos in der Luft bezwangen. Llorente könnte – falls er zu alter Form und Athletik zurückfindet – dieses Problem wohl beheben. In der Ballbehauptung bei langen Bällen dürfte er auf einer Stufe mit Mario Mandzukic und Robert Lewandowski sein, die in der vergangenen Saison das Maß der Dinge bei diesem Attribut darstellten.

Sollte Llorente sich wieder als Stürmer von internationalem Format etablieren, könnte mit Juventus nicht nur in der Serie A wieder zu rechnen sein, sondern womöglich auch in der Champions League. Durch ihre drei individuell starken Innenverteidiger, die ausdauernden und athletischen Flügelverteidiger und die dadurch entstehende pendelnde Viererkette oder gar klassische Fünferkette im Defensivspiel haben sie eine hervorragende Besetzung, um als Konterteam für Gefahr zu sorgen.

Dazu kommen mit Arturo Vidal und Claudio Marchisio im zentralen Mittelfeld zwei technisch wie taktisch versierte Box-to-box-Akteure, die in dieser Fähigkeit zu den Weltbesten gehören. Sie können mit ihrer Athletik, ihrer Stärke in der Gruppentaktik und ihrer Durchsetzungskraft für viel Gefahr im Zwischenlinienraum mit ihren vertikalen und diagonalen Vorstößen erzeugen. Mit Llorente hätten sie nun einen Mittelstürmer vor sich, der lange Bälle konstant behaupten und auf sie zurücklegen kann.

In der Champions League könnten sie diese Spielweise gegen nominell stärkere Mannschaften wie den FC Barcelona praktizieren und dabei einige interessante Schwächen der Katalanen ausnutzen. Generell wäre dies auch gegen andere offensivstarke Mannschaften eine gute Option. Mit langen Bällen auf Llorente würde man viel Raum schnell überbrücken, Vidal und Marchisio würden dann schnell in offene Räume aufrücken und überfallartige Konter initiieren.

Die Flügelverteidiger und der zweite Stürmer könnten ebenfalls dank der numerisch guten Absicherung hinter sich konstant aufrücken und dadurch wohl enorm viele Gegner vor große Probleme stellen. Diese taktische Idee könnte auch dank des zweiten Neueinkaufs, auf den wir morgen eingehen werden, noch besser und effektiver umgesetzt werden.

René Maric, www.abseits.at

Rene Maric

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