Krise, Krise, Krise. In Teilen der Hinrunde und zu Beginn der Rückrunde – im Lichte der blamablen Niederlage gegen Moyes‘ Real Sociedad – tobte... Die neue Struktur des FC Barcelona (3) –  Lange Bälle und die Verbesserung des Pressings und Gegenpressings

FC Barcelona Logo 2Krise, Krise, Krise. In Teilen der Hinrunde und zu Beginn der Rückrunde – im Lichte der blamablen Niederlage gegen Moyes‘ Real Sociedad – tobte die Kritik am FC Barcelona, dem Vorstand und dem Trainer. Ein News-Portal verkündete sogar voreilig Anfang Januar die Entlassung Luis Enriques. Seitdem ist nicht nur die Leistung, sondern auch die Stimmung umgeschlagen. Seit der Niederlage gegen Real Sociedad hat Luis Enrique das System seiner Mannschaft umgestellt und die Krise bewältigt. Deswegen sollen in dieser kleinen, dreiteiligen Analyse diese Umstellungen betrachtet werden und wie sie sich womöglich in der weiteren Saison (insbesondere in der Champions League) auswirken könnten.

Bravo mit veränderten Passmustern im Spielaufbau

Am Ende des zweiten Teils ging es darum, dass sich die Strategie in eigenem Ballbesitz bei tiefer Ballzirkulation geändert hat. Die Katalanen spielen nicht mehr so extrem auf Raumgewinn durch Kurz- und Flachpässe, sondern haben dies im Zuge ihrer neuen Struktur etwas angepasst. Anstatt durch teilweise riskante Pässe den Ball durch das gegnerische Pressing hindurch nach vorne zu spielen, nutzen sie jetzt vermehrt lange Bälle.

Die Ursache dafür ist klar. Sie besitzen nicht mehr ganz die nötige Spritzigkeit, die Aufbaustrukturen sind etwas verwaschen und nicht mehr so effizient beim Erobern von Räumen, desweiteren fehlt ohne Messi als falscher Neun und durch Xavis altersbedingte Position auf der Ersatzbank etwas Pressingresistenz im Zentrum.

Die Lösung für das Problem ist allerdings sehr gut gewählt. Wenn der Gegner nicht hoch presst oder sich nicht mit den Stürmern und dem Mittelfeld herauslocken lässt, bleiben sie bei ihrem geduldigen und flachen Aufbauspiel. Gegen ein passiveres Pressing sind ihre Aufbaustrukturen nach wie vor stabil, dazu kommen die neuen Mechanismen auf dem Flügel.

Gegen höheres Pressing nutzen sie aber eben vermehrt lange Bälle. Busquets, die Innenverteidiger und Bravo locken den Gegner an und beginnen verstärkt am eigenen Strafraum den Ball laufen zu lassen. Um ihn erobern zu können, muss der Gegner sowohl die zwei Stürmer, als auch die zentralen Mittelfeldspieler nach vorne schieben. Sobald dies geschieht, greift Bravo – da er das beste Sichtfeld und generell eine gute Passtechnik besitzt – auf einen langen Ball in den geöffneten Raum vor der gegnerischen Abwehr zurück.

Barcelona versucht dann mit Suarez und den Flügelstürmern diesen Ball zu behaupten und in weiterer Folge zu dritt, sowie mit ein paar nachstoßenden Spielern zu kontern, was dank der individuellen Klasse sogar relativ oft funktioniert. Die drei überladen den Raum, kombinieren und dribbeln sich durch die gegnerische Rückzugsbewegung und suchen einen schnellen Abschluss.

Verlieren sie den Ball oder können ihn in erster Instanz nicht ergattern, steht Barcelona mit sieben Spielern dahinter relativ stabil. Desweiteren haben sie auch die Arbeit gegen den Ball wieder für sich entdeckt.

Verbesserung des Pressings und Gegenpressings

Der vermutlich größte und langwierigste Kritikpunkt an den Katalanen nach der Ära Pep Guardiola ist ihre schwächere Defensivarbeit. Zwar hatten sie unter Martino und Villanova immer wieder einzelne Phasen, wo sie wieder auf ihr sehr aggressives und hohes Angriffspressing zurückschalteten, es war aber nie so effektiv und konstant wie unter Guardiola. Noch extremer war aber die Verschlechterung in der direkten Ballrückeroberung. Nach Ballverlusten war ihr Gegenpressing (auch wegen schlechterer Staffelungen beim vorherigen Ballbesitz) nicht mehr effizient und sorgte für vermehrt effektive Konter des Gegners.

In den letzten Wochen unter Enrique scheint die Konstanz auf hohem Niveau in der Arbeit gegen den Ball zurückgekehrt zu sein. Ein Aspekt ist natürlich die bessere Staffelung, insbesondere mit den Lokalkompaktheiten auf den Flügel. Das erleichtert das Pressing, wobei auch das schnelle Umschalten und die Aggressivität wieder höher sind. Damit katapultieren sich die Katalanen von einem kriselnden Giganten wieder in die Riege der CL-Favoriten.

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Hier verlieren sie den Ball, aber durch die geringen Abstände zueinander können sie den Ball im Gegenpressing wieder erobern

Konter- und Schnellangriffsmaschine für die Champions League

Pressing in unterschiedlicher Höhe und Formation (mal 4-4-2, mal 4-1-4-1, mal 4-3-3) ist bei den Katalanen vermehrt zu sehen gewesen. Sie standen in einigen Spielen durchgehend extrem hoch, in anderen zogen sie sich nach der Führung zurück und ließen den Gegner kommen. Diese Wechsel zwischen Angriffs- und Mittelfeldpressing sowie formative Anpassungen ermöglichen ihnen gute Anpassungen an den Gegner.

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In dieser Szene sieht man, dass Busquets und Messi vorne pressen, wodurch ein 4-4-2 entsteht

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Hier wiederum lässt sich Suarez zurückfallen und es war ein 4-5-1 zu erkennen

Manchmal nutzen sie Suarez statt Messi auf rechts oder die drei zentralen Mittelfeldspieler dahinter agieren in einer Reihe, in welcher der rechte Achter herausrückt und die vakante Position des zockenden Messis übernimmt. Wenn die Situation es erfordert, arbeitet Messi auch konstant nach hinten, obgleich seine zockende Rolle sehr gefährlich für den Gegner im Umschaltmoment ist.

Indem Messi in diesem asymmetrischen 4-4-1-1 den rechten Flügel nominell öffnet, spielt der Gegner eher dorthin. Verliert er den Ball aber dort, ist der Argentinier aber sofort anspielbar und sorgt für einen gefährlichen Konter mit einem aufrückenden Alves und Neymar, die ihn und Suarez unterstützen.

Fazit: Zurück zum Meister- und CL-Kandidaten

Diese Spielweise gepaart mit der variablen Pressinghöhe und dem pragmatischeren Aufbauspiel unter Druck ist womöglich eine Waffe in der Champions League. Stellt sich der Gegner hinten rein, hat Barcelona jetzt sehr passende Strukturen, um mit Neymar und Messi sowie deren Unterstützung tiefe Abwehrreihen zu knacken. Sie greifen nicht riskanter, sondern effektiver und auf das Spielermaterial abgestimmter an.

Presst der Gegner wiederum höher, zieht sich Barcelona zurück und nutzt die Brillanz ihrer Offensivspieler nach langen Bällen für gefährliche Chancen bei hoher Absicherung. Selbst wenn diese Schnellangriffe scheitern, so gibt es häufig Raumgewinn und nur selten Konter nach Ballverlusten, weil die meisten Spieler hinten bleiben.

Das gute Gegenpressing verhindert außerdem generell vielfach gefährliche Situationen nach Ballverlusten und ermöglicht sofortige Gegenkonter. Zwar ist Barcelona nach wie vor in ein paar Situationen instabil, alles in allem haben sie sich aber unter Luis Enrique eigentlich schon seit Saisonbeginn diesbezüglich gesteigert.

Mit den neuen Optionen im Kader – insbesondere Mathieu, Suarez, Rafinha, Rakitic – haben sie außerdem mehr Kadertiefe und Flexibilität. Xavi erhält seine Pausen, kann jedoch in einzelnen Spielen wieder genutzt werden. Suarez zeigt zwar nicht seine besten Leistungen, unterstützt aber die Flügelstürmer hervorragend. Rakitic und Rafinha sind tolle Ergänzungsspieler, die ihre Aufgabe in diesem System absolut erfüllen. Mathieu ist eine dringend benötigte Alternative für die Abwehr, welche ihren Zweck erfüllt.

Diese Möglichkeiten hat sich Barcelona im Laufe der Saison erarbeitet. Der Knackpunkt war aber das Spiel gegen Real Sociedad und die folgende Umstellung im System. Seitdem sind sie von einem sehr guten Team wieder zu einem extrem guten geworden. Die Saison bleibt darum nicht nur in Spanien spannend. Können die Katalanen diese Form halten, wird es noch ein paar heiße Duelle mit anderen Giganten aus Europa geben.

René Maric, www.abseits.at

Rene Maric

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