Die ersten beiden Runden der Saison 2012/2013 liefen für Real Madrid überhaupt nicht nach Wunsch. Nur einen einzigen Punkt holten die Königlichen bislang gegen... Ein Cruyff für Real Madrid – was ändert die Verpflichtung von Luka Modric?

Die ersten beiden Runden der Saison 2012/2013 liefen für Real Madrid überhaupt nicht nach Wunsch. Nur einen einzigen Punkt holten die Königlichen bislang gegen Valencia und Getafe. Damit die Titelverteidigung dennoch gelingt und vor allem um endlich wieder die Champions League zu gewinnen, holte man Luka Modric. Inwiefern wird er Reals Spiel verändern? Was kann man sich von ihm erwarten? abseits.at wirft einen Blick auf die Auswirkungen dieser Verpflichtung.

Mit der 1:2-Niederlage bei Getafe war der schlechteste Saisonstart seit 1973 perfekt. Keine 24 Stunden nach der Pleite wurde Modric offiziell vorgestellt. Lange Zeit hing der Transfer jedoch in der Schwebe, weil Tottenham-Boss Daniel Levy, ein knallharter Verhandler, nicht von seiner 40-Millionen-Pfund-Forderung abwich. Medienberichten zufolge einigten sich beide Vereine schließlich auf fixe 35 und weiteren, variablen, erfolgsabhängigen sieben. In der spanischen Hauptstadt soll der 26-Jährige nun der neue Antreiber im Mittelfeld werden.

Entlastung für Xabi Alonso

Real verspricht sich von diesem Transfer in erster Linie, dass Xabi Alonso, der Taktgeber im zentralen Mittelfeld, im Spielaufbau unterstützt bzw. entlastet wird. Der spanische Teamspieler setzt seine Mitspieler vor allem mit langen Diagonalbällen aus der Tiefe ein, was sich aber mittlerweile rumgesprochen hat und die Gegner dementsprechend reagieren. Bayern München lief Alonso im Champions-League-Halbfinale beispielsweise immer wieder an und zwang ihn dadurch den Ball kurz zu spielen. Dadurch waren die Offensivspieler weitestgehend abgeschnitten, weil Alonsos Nebenmann Khedira nicht die erforderlichen Qualitäten im Spielaufbau mitbringt. Die nebenstehende Grafik, die die Passverteilung der einzelnen Spieler in der letzten bzw. vorletzten Saison zeigt, verdeutlicht diese Einschätzung. Khedira spielt hauptsächlich kurze Pässe zu nahen Mitspielern, während die Passschemen von Modric und Alonso eine hohe Ähnlichkeit aufweisen.

Modric vertikaler, Alonso horizontaler Sechser

Der Unterschied zwischen den beiden ist also nicht das Passspiel an sich, sondern das Positionsspiel. Alonso fühlt sich wie bereits erwähnt im tiefen zweiten Spielfelddrittel wohl, während Modric einen größeren Aktionsradius abdeckt. Wenn sich der wendige Kroate in die Tiefe fallen lässt, schlägt er nicht wie Alonso lange Pässe – der obige Anteil rührt eher von Spielverlagerungen her –, sondern trägt sie nach vorne. Mit seiner Spielintelligenz, die ihn potenzielle Freiräume erkennen lässt, und seiner Ballsicherheit kann er sich geschickt aus der Bedrängnis lösen. Als vertikalen Sechser könnte man diesen modernen Spielertypus bezeichnen. Dadurch ist Modrics Team in der Lage sich gegen hochpressende Gegner auch durch die Mitte zu befreien, anstatt das Spiel über die Außen umzuleiten oder gar auf Befreiungsschläge zurückzugreifen. Im Schnitt positioniert sich Modric aber eine Ebene höher als Alonso. Er sucht ständig die Räume zwischen den Linien um in weiterer Folge eine seiner größten Stärken ausspielen zu können: den Lochpass.

Warum unbedingt Modric?

Den Druck von Alonso zu nehmen und ihm einen weiteren Kreativspieler an die Seite zu stellen macht Reals Spiel mit Sicherheit schwerer ausrechenbar, allerdings stellt sich die Frage ob ein derartig hoher finanzieller Aufwand wirklich nötig ist, zumal sich der effektive Wirkungsbereich wohl nur auf eine Handvoll Spiele beschränkt. Khedira hat bei der EM – zum Beispiel gegen Portugal oder Griechenland – gezeigt, dass er sich auch effektiv in die Offensive einschalten kann, wenn sein Nebenmann aus dem Spiel genommen wird. Der 25-jährige Deutsche ist längst nicht mehr der brachiale Abräumer, sondern hat sich zum modernen Box-to-Box-Mittelfeldspieler entwickelt. Auch Sahin hätte Alonso prinzipiell entlasten können. Schaut man sich das obige Passschema des Türken an, wäre er sogar der Spieler, der die meiste Variabilität mit sich bringt. Allerdings steht der 23-Jährige beim weißen Ballett nach nur einem Jahr auf dem Abstellgleis und wurde bereits an Liverpool ausgeliehen.

Flexibilität als Pluspunkt

Im Defensivspiel scheint Modric, der dabei vor allem auf sein Stellungsspiel vertraut, dem robusten Khedira zwar nicht das Wasser reichen zu können, allerdings punktet er bei den Verantwortlichen vor allem mit einer wichtigen Eigenschaft im modernen Fußball: Flexibilität. Neben der zentralen defensiven Position kann Modric nämlich auch auf Özil eine Ebene davor Druck ausüben. Reals Nummer zehn neigt immer wieder zu Leistungsschwankungen und da sein nomineller Ersatz Kaka abgegeben werden soll, steht Özil somit weiter in der Pflicht ansprechende Leistungen zu zeigen. Aus der höheren Position kann Modric zudem seine Stärke bei Weitschüssen ausspielen. Außerdem kann der beidfüßige Spielgestalter auch beide Flügel beackern. Schon bei Dinamo Zagreb agierte er durchgehend auf der offensiven Außenbahn und auch seine Anfangszeit in London war von dieser Position geprägt.

Ein kommender Weltstar?

Diese Polyvalenz macht ihn zusammen mit seiner hohen Ball- und Passsicherheit, seinem intelligenten Positionsspiel, seiner Dynamik und seiner Ausdauer zu einem Spieler, der jedem Team weiterhelfen kann. Der Preis scheint angesichts seiner Fähigkeiten und den weiteren Umständen (Vertragslaufzeit bis 2016, keine Notwendigkeit zu verkaufen) angemessen. Für Gerard Houllier, Red Bulls Global Sports Director, ist Modric „ein Spieler, der alle anderen um ihn herum besser macht“. Bei Kroatiens Nationalteam und den Spurs war er stets der große Star des Teams, in Madrid findet er nun Spieler desselben Formats wieder. Spieler, von denen er auch er entscheidend profitieren wird. Zudem dürfte auch das Umfeld – angefangen beim Trainerteam bis hin zur Infrastruktur – den bescheidenen Modric beflügeln. Trotz seines unbestritten hohen Niveaus scheint er noch Luft nach oben zu haben. Die Zeit wird es weisen, ob sich Modric in die Riege der absoluten Topstars wie Messi, Cristiano Ronaldo, Xavi und Iniesta einreihen wird können.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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