Schon bei seiner Zeit beim FC Porto als Supertalent bezeichnet wechselte der Kolumbianer vor einem Jahr für 45 Mio. € zu Monaco. Nach einer... Transfers erklärt: Darum wechselt James Rodriguez zu Real Madrid

James Rodriguez - KolumbienSchon bei seiner Zeit beim FC Porto als Supertalent bezeichnet wechselte der Kolumbianer vor einem Jahr für 45 Mio. € zu Monaco. Nach einer durchwachsenen, letztlich aber doch positiven Saison bei den Monegassen musste der Jungstar bei der WM in Brasilien wegen der Verletzung Falcaos als neuer Hoffnungsträger für sein Land herhalten. Er nahm diese große Herausforderung an und übertraf sämtliche Erwartungen. Als Zehner nahm er im 4-2-3-1 der Cafeteros eine Schlüsselrolle ein, genoss dabei viele Freiheiten und bewegte sich sehr dominant in den diversen Offensivzonen. Mit seinen hervorragenden Leistungen führte er sein Land ins Viertelfinale der WM und zog das Interesse zahlreicher Spitzenklubs auf sich. Schließlich entschied er sich für Real Madrid, die für ihn 80 Mio. € nach Monaco überwiesen und den Jungstar mit einem sechs Jahre andauernden Vertrag ausstatteten.

Bei den Königlichen ist er nach Toni Kroos der zweite Neuzugang für das starke und breit aufgestellte Mittelfeld, das Gerüchten zufolge jedoch noch von Di Maria, Khedira oder Isco verlassen werden könnte, nachdem bereits Casemiro zum FC Porto verliehen wurde.

Geht man davon aus, dass sich Rodriguez bei den Madrilenen als Stammspieler etabliert, so dürfte dies mit einer Systemumstellung einhergehen. In die abgelaufene Saison starteten die Merengues mit einem 4-2-2-2, das nach und nach von einem sehr stabilen 4-3-3 abgelöst wurde. Diese Formation musste in der letzten Saisonphase aber einem 4-4-2 weichen. Mit Rodriguez in der Stammelf dürfte sich die Formation wieder zu einem 4-2-3-1 entwickeln, das zuletzt unter José Mourinho in der Saison 2012/13 gespielt wurde.

Vertikalpendler

In diesem würde James als pendelnder Zehner in der offensiven Dreierreihe mit Cristiano Ronaldo und Bale auf den Flügelstürmerpositionen agieren. Im Aufbauspiel könnte er je nach Staffelung seiner Kollegen zurückfallen und den Ball über Kombinationen oder Dribblings nach vorne tragen. Dieses Zurückfallen wäre vor allem bei hohem gegnerischen Pressing mit vielen Mannorientierungen nützlich. Er könnte mit seiner Präsenz Überzahl herstellen und mit seiner Pressingresistenz den Ball auch unter Druck in Engen sichern, kleine Lücken bespielen, Schnellangriffe über die vorderen drei Spieler einleiten und danach selbst nachrücken.

Horizontalpendler

Sollte sich Real mit Kroos wie erwartet zu einem noch mehr auf Ballbesitz ausgerichteten Team entwickeln und der Deutsche mit Modric die Doppelsechs bilden, wäre ein dominantes Zurückfallen von Rodriguez meist gar nicht notwendig, möglicherweise sogar kontraproduktiv, da der Zehnerraum verwaisen würde und Real somit relativ einfach aus dem Zentrum gedrückt werden könnte. Anstatt dieser Bewegung nach hinten, könnte James in der gegebenen Konstellation in höheren Zonen die gesamte Horizontale besetzen. In den Halbräumen könnte er mit den Flügelstürmern, den aufrückenden Außenverteidigern und situativ auch mit Benzema kombinieren, er würde dabei von den beiden Sechsern unterstützt werden. Vor allem auf rechts mit Bale und Carvajal könnte der Kolumbianer äußerst dynamische und schwer zu verteidigende Situationen kreieren und für viele Durchbrüche sorgen. Diese Angriffe hätten auch eine stabile Grundstruktur, da die beteiligten Spieler im Gegenpressing äußerst bissig und griffig sein können und darüber hinaus vom auch defensiv hervorragenden Modric abgesichert werden würden.

Auf links hätten die Angriffe unterschiedliche Ausrichtungen, die auch mit der Besetzung der Außenverteidigerposition zusammenhängen. Mit Coentrao würden die Angriffe recht geradlinig verlaufen, sollte jedoch der kreative Marcelo auf der Linksverteidigerposition agieren, so könnte James Cristiano Ronaldo aus seiner Position befreien und würde mit dem brasilianischen Offensivverteidiger sowie dem verbindenden Kroos kombinieren. Hierbei könnten die drei zwischen Kreiselbewegungen, klassischem Hinterlaufen, verschiedenen Diagonalbewegungen und Dribblings variieren. Grundsätzlich hätten diese Angriffe einen eher gemäßigten Rhythmus im Vergleich zur rechten Seite. Aufgrund der Ballsicherheit, Passstärke, Pressingresistenz und Kreativität der eingebundenen Akteure könnten sie sich jedoch auch nachdem der Gegner bereits ballorientiert verschoben hat konstant aus den engen Zonen durchkombinieren ohne defensiv instabil zu werden. Sollte es ihnen gelingen die ballnahe Kompaktheit zu bespielen, würden sich für Real weite Räume öffnen und die Angriffe könnten wieder eine hohe Dynamik aufnehmen.

Umschaltspiel

Auch das ohnehin schon extrem starke Umschaltspiel der Königlichen könnte Rodriguez noch einmal anheben. In der Arbeit gegen den Ball kann der Kolumbianer durchaus überzeugen. Dabei besticht er vor allem mit seiner Raffinesse im direkten Zweikampf. In weitläufigeren Situationen verhält er sich jedoch manchmal zu mannorientiert oder achtet zu wenig auf die Abstände zu seinen Kollegen, womit der Gegner entweder leicht aufrücken oder James recht simpel umspielt werden kann. Gelingt es seiner Mannschaft jedoch den Ball zu erobern, so ist der 23-Jährige eine echte Waffe. Seine Dribblings nach Ballgewinn können das Gegenpressing der gegnerischen Mannschaft im Alleingang aushebeln und weite Räume öffnen. Interessant und potenziell noch durchschlagskräftiger wäre das Umschaltspiel Reals, wenn sich Benzema und James im Umschaltmoment jeweils passend und abwechselnd auf die Seiten (v.a. links) bewegen und sich dort anspielbar machen würden und der jeweils andere die zentrale Anspielstation geben würde. Cristiano Ronaldo könnte bereits frühzeitig zu seinen Diagonalsprints ansetzen, währenddessen Bale aus einer etwas tieferen Grundposition noch mehr Meter zurücklegen würde.

Alternativrollen

Neben der Zehnerposition könnte James aber auch auf beiden Flügeln zum Einsatz kommen. Mit seiner druckvollen Spielweise kann er sowohl diagonal als auch invers spielen. Seine Dribblings, sein Potenzial für Schnellkombinationen sowie sein tororientiertes Spiel passen dabei generell gut zur Spielweise Madrids. Eine dauerhafte Positionierung James´ auf dem Flügel scheint aber nur bei Verletzungen von Bale oder Ronaldo oder Rotationsspielereien Ancelottis wahrscheinlich, wenngleich Rochaden und Positionswechsel zwischen James und Bale für kurze Phasen während des Spiels ein gezieltes taktisches Mittel darstellen könnten, um Mannorientierungen aufzubrechen.

Rein von seinen Fähigkeiten her könnte James durchaus auch eine Option als falsche Neun darstellen. Er ist schnell, beweglich, kombinationsfreudig und besitzt einen starken Zug zum Tor. Real spielte in einzelnen Partien in der abgelaufenen Saison auch bereits mit Isco als falscher Neun in einem 4-3-3. Dabei muss angemerkt werden, dass Isco hierbei nicht durchgehend „falsch“ agierte, sondern oftmals auch das Sturmzentrum hielt, wo er aber komplett in der Luft hing. Seine besten individuellen Momente hatte der Spanier aber, wenn er zurückfiel und als tiefe spielmachende Neun agierte. Diese Aktionen waren aber mannschaftlich nicht ordentlich eingebunden und generell ist Isco auch nur bedingt als falsche Neun einsetzbar. Obwohl Rodriguez grundsätzlich tororientierter und vertikaler agiert als Isco und er somit theoretisch durchaus für zusätzliche Spielstärke und Durchschlagskraft sorgen könnte, scheint eine Aufstellung des Kolumbianers auf der „false nine“ unwahrscheinlich. Schon viele Kreativspieler wurden in unterschiedlichen Mannschaften mit unterschiedlichen taktischen Voraussetzungen auf dieser Position gefordert, oftmals werden bei diesen Diskussionen aber die wichtigen Rollen der Außenstürmer vergessen. Mit Ronaldo und Bale besitzt Real zwei individuell herausragende Flügelstürmer, die sich aber mehr über ihre Fähigkeiten am Ball und im und um den Strafraum als über wichtige, raumschaffende Läufe für ihre Mitspieler definieren. Neben den also nicht idealen Rollen für Ronaldo und Bale wäre es für Ancelotti auch schwierig, den über die letzten Jahre hinweg für Real typischen, hohen Angriffsrhythmus im letzten Drittel aus der Mannschaft zu kriegen und das Spiel für eine gute Einbindung der falschen Neun etwas zu entschleunigen.

Fazit

Im Grunde stellt sich zuerst einmal die Frage, auf wie viele Einsatzminuten James bei den Königlichen kommen wird. Sollte er sich als Stammspieler etablieren, so dürfte er wohl als Zehner in einem 4-2-3-1 agieren. Diese Position dürfte ihm durchaus entgegenkommen, gelingt es ihm seine Leistungen konstant abzurufen, so dürfte er dem Weißen Ballett sowohl im Ballbesitzspiel helfen als auch die Durchschlagskraft erhöhen. Die große Frage dürfte sein, ob Real auch mit James auf der Zehn konstant derart stabil sein wird wie über weite Strecken der abgelaufenen Saison im 4-3-3, in welchem Di Maria, der im System mit James seinen Stammplatz wohl los wäre, oftmals eine defensive (und manchmal auch offensive) Doppelrolle einnahm und das Zocken Ronaldos damit absicherte. Sollte auch diese Frage mit „ja“ beantwortet werden können, so dürfen die Fans der Madrilenen nach der gerade erst in der vergangenen Saison erreichten „Decima“ zurecht bereits vom elften europäischen Titel auf der höchsten Vereinsebene träumen.

Michael Waldhauser, abseits.at

Michael Waldhauser

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