Am Dienstagabend steigt in der Münchner Allianz Arena ein echter Klassiker des Weltfußballs: Deutschland trifft auf Italien. Beide Teams nutzen die derzeitige Länderspielperiode als... Vorschau: Acht Weltmeistertitel im Duell – Deutschland empfängt Italien

Allianz Arena München_abseits.atAm Dienstagabend steigt in der Münchner Allianz Arena ein echter Klassiker des Weltfußballs: Deutschland trifft auf Italien. Beide Teams nutzen die derzeitige Länderspielperiode als Standortbestimmung vor der EM in Frankreich. So testete die DFB-Elf am Samstag in Berlin bereits gegen England (2:3), die Squadra Azzurra wiederum spielte am Donnerstag in Udine gegen Spanien (1:1). Nun erwartet uns das Duell der beiden viermaligen Weltmeister.

Die Bilanz

Spiele gegeneinander: 32
Siege Deutschland: 7
Siege Italien: 15
Remis: 10
Torverhältnis: 48:36 zugunsten Italiens

Die letzten fünf Begegnungen:
15.11.2013, Mailand: Italien – Deutschland 1:1 (Freundschaftsspiel)
28.06.2012, Warschau: Deutschland – Italien 1:2 (EM-Halbfinale)
09.02.2011, Dortmund: Deutschland – Italien 1:1 (Freundschaftsspiel)
04.07.2006, Dortmund: Deutschland – Italien 0:2 n.V. (WM-Halbfinale)
01.03.2006, Florenz: Italien – Deutschland 4:1 (Freundschaftsspiel)

Die Squadra Azzurra ist traditionell der Angstgegner der Deutschen: Noch nie konnte die DFB-Elf bei einem großen Turnier gegen die Italiener gewinnen. Fest in der Erinnerung verankert sind dabei vor allem das „Jahrhundertspiel“ genannte WM-Halbfinale 1970 (4:3 n.V. für Italien), das WM-Finale 1982 (3:1 für Italien) sowie aus der jüngeren Vergangenheit die beiden Semifinalbegegnungen in den Turnieren 2006 und 2012. Der letzte Sieg der Deutschen liegt über 20 Jahre zurück: Am 21.06.1995 gewann die damals von Berti Vogts trainierte Mannschaft ein in Zürich ausgetragenes Freundschaftsspiel gegen das Italien Arrigo Sacchis mit 2:0.

Die Kader

Deutschland

Tor: Bernd Leno (Bayer Leverkusen), Marc-André ter Stegen (FC Barcelona), Kevin Trapp (Paris Saint-Germain)

Abwehr: Emre Can (FC Liverpool), Matthias Ginter (Borussia Dortmund), Jonas Hector (1. FC Köln), Mats Hummels (Borussia Dortmund), Shkodran Mustafi (FC Valencia), Antonio Rüdiger (AS Rom), Sebastian Rudy (1899 Hoffenheim), Jonathan Tah (Bayer Leverkusen)

Mittelfeld: Karim Bellarabi (Bayer Leverkusen), Julian Draxler (VfL Wolfsburg), Sami Khedira (Juventus Turin), Christoph Kramer (Bayer Leverkusen), Toni Kroos (Real Madrid), Thomas Müller (Bayern München), Mesut Özil (FC Arsenal), Lukas Podolski (Galatasaray Istanbul), Marco Reus (Borussia Dortmund), André Schürrle (VfL Wolfsburg)

Angriff: Mario Gómez (Besiktas Istanbul), Mario Götze (Bayern München), Kevin Volland (1899 Hoffenheim)

Trainer: Joachim Löw

ursprünglich ebenfalls nominiert, aber nicht dabei:
Manuel Neuer (Bayern München) – Magenverstimmung
Bastian Schweinsteiger (Manchester United) –  Innenbandanriss im rechten Knie
Max Kruse (VfL Wolfsburg) – suspendiert

Italien

Tor: Gianluigi Buffon (Juventus Turin), Mattia Perin (FC Genua), Salvatore Sirigu (Paris Saint-Germain)

Abwehr: Francesco Acerbi (Sassuolo Calcio), Luca Antonelli (AC Mailand), Davide Astori (AC Florenz), Leonardo Bonucci (Juventus Turin), Matteo Darmian (Manchester United), Mattia De Sciglio (AC Mailand), Lorenzo De Silvestri (Sampdoria Genua), Andrea Ranocchia (Sampdoria Genua)

Mittelfeld: Alessandro Florenzi (AS Rom), Emanuele Giaccherini (FC Bologna), Jorginho (SSC Neapel), Riccardo Montolivo (AC Mailand), Thiago Motta (Paris Saint-Germain), Marco Parolo (Lazio Rom),  Roberto Soriano (Sampdoria Genua)

Angriff: Federico Bernardeschi (AC Florenz), Antonio Candreva (Lazio Rom), Eder (Inter Mailand), Stephan El Shaarawy (AS Rom), Lorenzo Insigne (SSC Neapel), Stefano Okaka (RSC Anderlecht), Graziano Pellè (FC Southampton), Simone Zaza (Juventus Turin)

Trainer: Antonio Conte

ursprünglich ebenfalls nominiert, aber nicht dabei:
Andrea Barzagli (Juventus Turin) – Muskelprobleme im linken Oberschenkel
Marco Verratti (Paris Saint-Germain) – Adduktorenprobleme
Giacomo Bonaventura (AC Mailand) – Grippe
Ciro Immobile (FC Turin) – Oberschenkelverletzung

Ausgangslage – Deutschland

Die Leistungen und Ergebnisse der deutschen Mannschaft seit dem WM-Gewinn im Sommer 2014 sind eher mittelmäßig: Zwar qualifizierte man sich als Gruppenerster für die EM in Frankreich, tat sich dabei gegen Polen, Irland, Schottland, Georgien und Gibraltar allerdings schwerer als erwartet. So verlor das Team von Trainer Joachim Löw die Auswärtsspiele in Polen und in Irland und beendete die Qualifikation unterm Strich mit einer Bilanz von 7-1-2. Auch in Freundschaftsspielen fuhr man (fast schon traditionell) wechselhafte Resultate ein: Einerseits gelang ein vielbeachteter Auswärtssieg in Spanien (1:0), andererseits verlor man Partien gegen WM-Finalgegner Argentinien (2:4) und das von Jürgen Klinsmann betreute US-Nationalteam (1:2). Auch im von den Pariser Terroranschlägen überschatteten Spiel gegen Frankreich im November des letzten Jahres unterlag man (0:2). Das ursprünglich wenige Tage danach angesetzte Testmatch gegen die Niederlande in Hannover wurde aufgrund akuter Terrorgefahr abgesagt.

Eine Art Déjà-vu erlebten die Deutschen dann am Samstagabend im Berliner Olympiastadion – also  jenem Ort, der auch schon Schauplatz des legendären 4:4 gegen Schweden im Herbst 2012 war, bei dem Ibrahimovic & Co. eine 4:0-Führung der DFB-Elf in den letzten 30 Spielminuten noch ausgleichen konnten. Diesmal hieß der Gegner England, und auch diesmal sahen die Deutschen nach einer Stunde wie der sichere Sieger aus: 2:0 führte das Team von Jogi Löw durch Tore von Kroos (43.) und Gómez (57.). Doch den Three Lions gelang es, die Partie durch sehenswerte Treffer von Kane (61.) und Vardy (74.) sowie ein Kopfballtor von Dier (90. + 1) noch zu drehen.

Solch eine Wendung kam einerseits natürlich etwas unerwartet, allerdings war sie andererseits nicht unbedingt unverdient, denn auch in den ersten 60 Minuten machte die DFB-Elf nicht wirklich ein gutes Spiel und konnte trotz der Führung nicht vollends überzeugen. Die sehr gut organisierten und aggressiv pressenden Engländer stellten die Deutschen im Spielaufbau immer wieder vor Probleme und überzeugten selbst durch schnelles Umschaltspiel, waren jedoch zunächst noch zu ungefährlich im Abschluss. Deutschlands Spiel dagegen wirkte über weite Strecken zu statisch, im Aufbau kam häufig keine gute Verbindung zwischen den Sechsern und dem offensiven Mittelfeld zustande. In Hälfte zwei wurde die Ordnung durch die vielen Wechsel dann zusätzlich durcheinandergewirbelt.

Ausgangslage – Italien

Nach der sehr enttäuschend verlaufenen WM 2014, die für Italien bereits nach der Vorrunde beendet war, lösten die Azzurri unter ihrem neuen Chefcoach Antonio Conte ungeschlagen das Ticket nach Frankreich: Mit einer Bilanz von 7-3-0 blieb Italien in seiner Qualifikationsgruppe ungeschlagen und belegte am Ende Platz eins vor Kroatien, Norwegen, Bulgarien, Aserbaidschan und Malta. In Freundschaftsspielen konnte man darüber hinaus unter anderem die Niederlande besiegen (2:0) und England ein 1:1 abringen, musste andererseits allerdings auch Niederlagen gegen Portugal (0:1) und Belgien (1:3) einstecken.

Etwas in den Hintergrund gerückt wurden sämtliche sportlichen Aspekte zuletzt durch die Ankündigung Contes, nach der Europameisterschaft als Nationaltrainer aufhören zu wollen. In der Geschichte des italienischen Nationalteams ist der 46-Jährige damit der erste Trainer überhaupt, der vor einem großen Turnier bekanntgegeben hat, nach selbigem zurückzutreten.

Am Donnerstagabend testeten Conte und seine Auswahl in Udine gegen Vicente del Bosques Spanier und erreichten ein 1:1. Die Italiener spielten dabei in einem ungewohnten, aber gut funktionierenden 3-4-3. In Abwesenheit der verletzungsbedingt fehlenden Giorgio Chiellini und Andrea Barzagli bildeten Davide Astori, Leonardo Bonucci und Matteo Darmian die Dreierabwehrkette. Nach einer von starkem Pressing und guter Organisation auf beiden Seiten geprägten ersten Halbzeit kam im zweiten Durchgang mehr Schwung in die Partie – auch bedingt durch die Wechsel: So brachte der kurz nach der Pause eingewechselte Lorenzo Insigne Tempo in die Partie und war es auch, der die Führung für die nunmehr vor allem über Konter sehr gefährlichen Italiener erzielte (68.). Diese wurde jedoch bereits kurze Zeit später von Aduriz wieder egalisiert (70.). Dennoch sind nach diesem durchaus starken Auftritt gegen den amtierenden Europameister auch die Diskussionen rund um die Personalie Antonio Conte in den letzten Tagen wieder ein wenig in den Hintergrund gerückt – zugunsten der Vorfreude auf die Partie gegen Deutschland.

Voraussichtliche Aufstellungen

Deutschland (4-2-3-1): Leno/ter Stegen/Trapp – Hector, Hummels, Mustafi, Ginter/Rudy – Kroos, Khedira/Kramer – Müller, Draxler, Bellarabi – Götze

Italien (3-4-3): Buffon – Acerbi, Bonucci, Darmian – Giaccherini, Jorginho/Montolivo, Motta, Florenzi – Insigne, Zaza, Bernadeschi

Als wichtige Gelegenheit zum Testen von Personal und taktischen Varianten vor der endgültigen Kadernominierung für die Europameisterschaft kommt dem Spiel am Dienstagabend sicher eine besondere Bedeutung zu. Auf beiden Seiten sind einige Änderungen im Vergleich zum jeweils zurückliegenden Testspiel zu erwarten.

Bei Deutschland ist zu erwarten, dass die (Problem-)Position rechts in der Viererkette neu besetzt werden wird: Löw ist hier nach wie vor auf der Suche nach einem Kandidaten, der sich wirklich nachhaltig als Stammkraft aufdrängt. Nachdem gegen England Emre Can seine Chance erhielt (und dabei primär offensiv auffiel), könnte gegen die Italiener Sebastian Rudy oder Matthias Ginter zum Einsatz kommen. Links hinten ist dagegen der Kölner Jonas Hector erst einmal weitgehend konkurrenzlos und damit gesetzt – zumindest solange Schalkes Benedikt Höwedes weiter verletzungsbedingt ausfällt und Löw nicht auf den in dieser Saison wieder stark aufspielenden Marcel Schmelzer von Borussia Dortmund zurückgreifen möchte.

Mats Hummels sollte nach seiner eher vorsichtshalber erfolgten Auswechslung gegen England für den Dienstagabend aller Voraussicht nach wieder fit sein. Zweiter Innenverteidiger neben dem Dortmunder könnte diesmal Shkodran Mustafi vom FC Valencia sein. Ansonsten stehen auch wieder Antonio Rüdiger und Jonathan Tah für diese Position zur Verfügung. Nationalelfdebütant Tah wurde gegen die Engländer zur Pause für Hummels eingewechselt und machte seine Sache ordentlich, gleichwohl halfen auch ihm die vielen Umstellungen im zweiten Durchgang natürlich nicht. Für die EM wird das Weltmeister-Duo Hummels/J. Boateng in der Innenverteidigung fix gesetzt sein – so denn beide fit sind.

In Abwesenheit des erneut verletzten Kapitäns Bastian Schweinsteiger könnte im defensiven Mittelfeld erneut das Pärchen Kroos/Khedira beginnen, denkbar ist aber auch ein Startelfeinsatz des Leverkuseners Christoph Kramer. Offensiv könnten Draxler und Bellarabi für Özil und Reus in die Elf rücken. Im Sturmzentrum spielte gegen die Three Lions der bei Besiktas Istanbul wiedererstarkte Mario Gómez von Beginn an – und machte seine Sache gut. Neben dem Treffer zum 2:0 gelang dem Deutsch-Spanier bereits in Hälfte eins ein weiteres reguläres Tor, das allerdings wegen einer vermeintlichen Abseitsposition fälschlicherweise nicht anerkannt wurde. Gegen Italien wird Mario Götze als falsche Neun eine Chance von Beginn an erhalten, wie Joachim Löw bereits vor dem England-Spiel angekündigte. Wer anstelle des erkrankten Manuel Neuer im Tor stehen wird, ist noch offen.

Löw ist bekannt dafür, in Freundschaftsspielen gerne viel zu experimentieren und hat zudem explizit angekündigt, nochmal speziell ein Auge auf die Wackelkandidaten für den EM-Kader werfen zu wollen. Es wird interessant zu beobachten sein, wie der Spagat zwischen diesem Testen für den Erkenntnisgewinn und dem Wunsch, ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen, gelingen wird.

Auf Seiten der Italiener ist erneut die 3-4-3-Formation aus dem Spanien-Spiel zu erwarten, die defensiv auch in ein 5-4-1 übergehen kann. Personell ist dagegen die eine oder andere Umstellung wahrscheinlich: Im Gegensatz zum Donnerstag dürfte diesmal Francesco Acerbi statt Astori die linke Position in der Dreierkette einnehmen. In Abwesenheit des Altmeisters Andrea Pirlo sowie der verletzten Marco Verratti und Claudio Marchisio ließ Conte gegen die Iberer im zentralen Mittelfeld Thiago Motta sowie Marco Parolo beginnen. Anstelle des Letztgenannten könnte gegen Deutschland Jorginho vom SSC Neapel nach seinem ersten Einsatz als Einwechselspieler am Donnerstag nun auch gleich sein Startelfdebüt feiern – oder alternativ Routinier Riccardo Montolivo zum Einsatz kommen. Der zunächst angeschlagene Emanuele Giaccherini nahm bereits am Sonntag wieder am normalen Training teil und dürfte aller Voraussicht nach wieder einsatzbereit sein.

Änderungen wird es in der Offensive geben: Lorenzo Insigne wird nach seinem starken Auftritt gegen die Spanier dieses Mal in der Startelf erwartet, während der Römer Stephan El Shaarawy wohl erneut auf eine Chance von Beginn an warten muss. Für die gegen Spanien eher unauffälligen Eder und Pellè könnten Juventus‘ Zaza und der Florentiner Federico Bernardeschi, der genau wie Jorginho gegen Spanien seinen ersten Einsatz im Nationalteam feierte, in die Startelf rücken, sodass vorne eine komplett andere Dreierreihe als am Donnerstag beginnen würde. Für diese scheint Mario Balotelli, Italiens Held des EM-Halbfinales 2012, in Contes Planungen aufgrund anhaltender Formschwäche derzeit keine Rolle zu spielen. Die Frage ist, ob die Italiener erneut in Abwesenheit diverser Stammkräfte eine solch gute Leistung wie gegen Spanien abliefern und den Deutschen durch hohes Pressing, eine gute defensive Organisation sowie schnelles Umschalten das Leben schwer machen können. Dass sie selbst es können, haben sie am Donnerstag gezeigt; dass es gegen die DFB-Elf möglich ist, haben wiederum am Samstag die Engländer bewiesen. Es ist alles angerichtet für ein hochinteressantes Testspiel.

Jens Bartholmae, abseits.at

Jens Bartholmae

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