Der Haussegen bei Ajax Amsterdam hängt schief. Nach dem Ausscheiden in der Champions-League-Qualifikation gegen den SK Rapid Wien stehen die Niederländer in der Gruppenphase... Die hausgemachten Probleme von Ajax | Erkenntnisse aus dem Tscheu-La-Ling-Report

_Ajax Amsterdam Wappen StripesDer Haussegen bei Ajax Amsterdam hängt schief. Nach dem Ausscheiden in der Champions-League-Qualifikation gegen den SK Rapid Wien stehen die Niederländer in der Gruppenphase der Europa League nach vier Spieltagen immer noch ohne Sieg da. Auch dass Ajax momentan die Tabelle der Eredivisie mit zwei Punkten Vorsprung vor PSV Eindhoven anführt, kann nicht über die Probleme und internen Streitereien im Verein hinwegtäuschen. Funktionär Wim Jonk beauftragte den ehemaligen Ajax-Spieler und 14-fachen niederländischen Nationalspieler Tscheu La Ling einen Report zu verfassen, der sich mit den Problemen im Verein auseinandersetzt. Die Ergebnisse bringen erschreckende Resultate ans Tageslicht.

Eigentlich wollte der ehemalige niederländische Nationalspieler Tscheu La Ling vor acht Jahren ein Hotel in der Slowakei kaufen. Stattdessen investierte er jedoch in den Fußballklub AS Trenčín und führte seitdem die Geschicke des Vereins mit großer Weitsicht. Er stieg mit dem Klub in die oberste Spielklasse auf und gewann in der vergangenen Saison zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte die Meisterschaft und den nationalen Pokal. Der er auch am Transfermarkt äußerst geschickt agiert, wandte sich Ajax-Funktionär Wim Jonk an den 59-Jährigen, damit dieser einen objektiven Bericht über die aktuelle Situation beim niederländischen Rekordmeister anfertigt.

Wer macht was?

So kurios es auch klingen mag? Momentan wissen selbst die Funktionäre bei Ajax nicht wirklich, welche Aufgabengebiete von wem wahrgenommen werden. Nach der skurrilen Posse rund um die Rückkehr von Louis van Gaal als Sportdirektor beschloss der Verein, dass nicht nur eine Person die geballte Entscheidungskraft innehaben soll, sondern dass mehrere Funktionäre über die Geschicke des Klubs bestimmen. Es wurde das sogenannte „Technical Heart“ eingeführt, wobei es anscheinend versäumt wurde klar festzusetzen, welche Personen diesem wichtigen Gremium angehören. Marc Overmars gehört laut seinem Vertrag nicht dazu, soll aber dennoch die Leitung über das Gremium haben und außerdem Entscheidungen in Sachen Nachwuchsakademie fällen, die jedoch auch zum Aufgabenbereich des Technical Hearts dazugehört. Trainer Frank De Boer verneinte in der Vergangenheit, dass er diesem Gremium angehört, während Dennis Bergkamp der festen Überzeugung ist, dass der Coach dazugehört. Auch der Berater von Frank De Boer meinte in den Medien, dass sein Klient diesem “Zirkel“ angehört. Was genau Dennis Bergkamps Aufgabengebiete sind, bleibt zudem unklar. In seinem Vertrag sind einige kleinere Kompetenzen abgesteckt, es bleibt aber unklar was seine primären Verantwortlichkeiten sind und welches Gewicht seine Entscheidungen haben.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich die Verträge und Aufgabenbereiche der einzelnen Funktionäre widersprechen, was in der Vergangenheit zu zahlreichen Meinungsverschiedenheiten und Streitereien führte. Der Bericht hält fest, dass zwischen Jonk und Bergkamp, beziehungsweise Jonk und Overmars keine Vertrauensbasis mehr herrscht. Als Tscheu La Ling die Sitzungsprotokolle der wöchentlichen Meetings analysieren wollte, stellte er fest, dass diese nicht existierten. Die Entscheidungen und Erkenntnisse wurden nur mündlich festgehalten, kommuniziert wurde meist mittels Textnachrichten am Mobiltelefon.

Gescheiterte Transferpolitik

Ajax hatte sich eine klare Marschroute in Sachen Spielerverpflichtungen zurechtgelegt – jedoch nur in der Theorie. Fußballer sollen nur verpflichtet werden, wenn sie eine klare Verstärkung für die Kampfmannschaft darstellen. Ajax will keine Spieler kaufen, die später lediglich die Bank wärmen. Ersatzspieler sollen aus dem eigenen Nachwuchs kommen, um sich nach und nach in die Mannschaft zu spielen. Tscheu La Ling kritisiert, dass diese klaren Vorgaben vom Technical Heart nicht einmal ansatzweise umgesetzt wurden. In den letzten fünf Jahren wurden laut dem Bericht etwa 30 Spieler gekauft, von denen sich nur zwei als wirkliche Bereicherung entpuppten. Wim Jonk übt seit Jahren Kritik an der Arbeit des Gremiums, da strukturlos gearbeitet wird, was sich auch anhand der Ereignisse überprüfen lässt. Viele Neuverpflichtungen schafften nie den Durchbruch, oder fungierten als Ergänzungsspieler. Die Scouting-Berichte wurden in der Regel komplett ignoriert und Spieler wurden gekauft, obwohl sich die Beobachter klar gegen eine Verpflichtung aussprachen. Einige Neuverpflichtungen wurden unzureichend beobachtet und es gibt keine Protokolle, aus denen deutlich hervorgeht, wer sich für den Kauf einsetzte. Marc Overmars verwendete die Scouting-Berichte bloß dann, wenn er unbedingt einen Kauf durchsetzen wollte und der Fußballer bei den Analysen gute Bewertungen erzielte.

Als ein Beispiel wird der ehemalige Arsenal-Spieler Yaya Sanogo angeführt. Zu ihm existierte kein einziger Bericht eines Scouts, es existierten keine Protokolle, in denen die Verpflichtung des Spielers besprochen wird und er passt weder ins Profil, noch zur Vereinsphilosophie. De Boer gab gegenüber La Ling an, dass er nur aufgrund Arsene Wengers Empfehlung kam.

Tormann André Onana wurde im Juli 2015 verpflichtet, doch La Ling konnte nicht in Erfahrung bringen, wer diese Entscheidung traf. Es gibt zu dem Spieler einen Scouting-Report, der jedoch nicht positiv ausfiel. Es gibt abermals keine Protokolle vom Technical Heart zu dieser Verpflichtung, denn die Funktionäre berieten sich nur außerhalb der Meetings per SMS über den Schlussmann. Der Keeper stammt aus der Nachwuchsakademie des FC Barcelona und laut La Ling wundern sich dort bis heute die Verantwortlichen, dass sie für ihren Goalie eine Ablöse bekamen. Die Scouts empfahlen auf den eigenen Nachwuchsspieler Stan van Bladeren zu setzen.

Zu Niki Zimling gab es ebenfalls keine Berichte von den Scouts und keine Protokolle von den Verantwortlichen. La Ling kritisiert, dass ein Ersatzspieler aus Mainz geholt wurde, der noch dazu verletzungsanfällig ist. De Boer wagte hier einen Alleingang.

Amin Younes wurde verpflichtet, obwohl sich ein Scout klar gegen ihn aussprach und ein anderer meinte, man soll zunächst die Entwicklung des Spielers weiterverfolgen. Abermals wurde ein Spieler geholt, der enorm verletzungsanfällig ist und nicht in das Konzept von Ajax passt.

Diese Auswahl an Transfers war nur exemplarisch und zieht sich wie ein roter Faden durch die letzten Jahre durch.

Die Nachwuchsakademie

Die Ajax-Akademie ist nicht nur das Aushängeschild des gesamten Vereins sein, sondern auch der wichtigste wirtschaftliche Faktor, denn ohne die Transfererlöse durch die größten Talente, kann der Klub wirtschaftlich auf Dauer nicht mit der europäischen Spitze mithalten. Desweiteren soll der Einbau der jungen Spieler fokussiert werden, da diese den Ajax-Spielstil in den Nachwuchsmannschaften verinnerlichen und so perfekt ins Konzept passen. Wim Jonk sollte die Akademie leiten, ist jedoch nicht mit den dazu notwendigen Rechten ausgestattet, sodass er in der Vergangenheit nur Vorschläge abliefern konnte. Diese wurden jedoch von Marc Overmars regelmäßig ignoriert. Jonk schlug mehrmals vor gewissen Nachwuchstrainer auszutauschen, doch seine Ansuchen stießen auf taube Ohren. Ein weiteres großes Problem ist, dass das geplante Budget für die Akademie in letzter Minute nicht bewilligt wurde und Jonk unter großem Zeitdruck ein neues basteln musste, was zu großen Verstimmungen zwischen ihm und Overmars führte.

Stefan Karger, www.abseits.at

Stefan Karger

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