Nordkorea zählt zu den am meisten abgeschotteten Ländern der Welt, um das sich viele Rätsel ranken. Dementsprechend wenig ist auch über den nordkoreanischen Fußball... Siegen für den lieben Führer – Anekdoten über den nordkoreanischen Fußball

Videoüberwachung, Kamera, CCTVNordkorea zählt zu den am meisten abgeschotteten Ländern der Welt, um das sich viele Rätsel ranken. Dementsprechend wenig ist auch über den nordkoreanischen Fußball bekannt. Die wenigen Informationen, die es in die Außenwelt schaffen, zeichnen ein tragisch-komisches Bild. Dieser Artikel geht auf einige bizarre Fakten und Vorkommnisse im nordkoreanischen Fußball ein.

Die derzeitige Nr. 129 der FIFA-Weltrangliste kann auf eine an Höhepunkten relativ arme Fußballgeschichte zurückblicken. Der größte Triumph ist schon eine Weile her. So stieß Nordkorea bei der Fußball-WM 1966 nach einem 1:0 gegen Italien bis ins Viertelfinale vor, um dort gegen Portugal nach einer 3:0-Führung mit 3:5 auszuscheiden. Von diesem Erfolg zehrt die Nation noch heute.

Fußball ist wie jeder andere Lebensaspekt in Nordkorea politisch dominiert. Und es soll niemand geringerer als Kim Jong-Il persönlich gewesen sein, der laut staatlicher Propaganda während so manchen Spiels dem Trainer über ein von ihm entwickeltes Mini-Telefon (für das Auge nicht sichtbar) taktische Anweisungen gegeben hat. Genutzt haben diese taktischen Hilfestellungen des „lieben Führers“ anscheinend wenig. Nach zwei 0:3-Niederlagen gegen Japan und Südkorea im Jahr 1993 soll der „liebe Führer“ über die Darbietung des Teams so erbost gewesen sein, dass er der Mannschaft kurzerhand die Teilnahme an den kommenden Qualifikationen für Turnierveranstaltungen untersagte. Die Spieler sollten sich stattdessen auf ihr Training konzentrieren. Doch auch diese Maßnahme scheint bis in die heutige Zeit mit Problemen verbunden.

Inferiore Trainingsstätten, drakonische Strafen

Westliche Beobachter, die Einblicke in nordkoreanische Trainingsstätten erlangen konnten, berichten von maroder Infrastruktur und Voraussetzungen, wie sie bei europäischen Verbänden unvorstellbar wären. In den heruntergekommenen Trainingsstätten gibt es oft keine Elektrizität. Selbst elementare Dinge wie Flipcharts oder Filzstifte fehlen. Die Trainingseinheiten müssen ohne Hilfsmittel wie Stangen, Hütchen oder tragbare Tore auskommen. Manche Spieler bestreiten in Ermangelung echter Fußballschuhe die Übungen mit Stoffschuhen. Hinzu kommt das erdrückende politische und gesellschaftliche Klima, das auf die Spieler und ihre Betreuer einwirkt. Die Leistungsbereitschaft ist sehr gering ausgeprägt und es soll auch regelmäßig vorkommen, dass Spieler Verletzungen vortäuschen, um sich vor Trainingseinheiten zu drücken. Es verwundert daher nicht, dass sich Nordkoreas Nationalteam meist durch physische Ausdauer und Aggressivität in Zweikämpfen auszeichnet. Kreatives Spiel, Übersicht und geistige Flexibilität bleiben ebenso auf der Strecke, wie mentale Stärke.

Diese Mankos machen sich vor allem bei Begegnungen mit Mannschaften auf einem fußballerischen höheren Niveau bemerkbar. Bei der WM 2010 unterlag Nordkorea Brasilien trotz großem Kampfgeist mit 1:2. Das folgende Gruppenspiel gegen Portugal wurde aufgrund dieses respektablen Ergebnisses live im nordkoreanischen Staatsfernsehen übertragen. Live-Übertragungen sind relativ selten, da sie den staatlichen Zensoren keine Möglichkeit lassen, unliebsames Bild- oder Tonmaterial zu schneiden. Was folgte war eine für alle sichtbare 0:7-Abfuhr, die der politischen Führung ein Dorn im Auge war. So kamen in der Folgezeit hartnäckige Gerüchte auf, dass die Spieler nach der Blamage gegen Portugal zur Strafe für ein paar Monate ins Kohlebergwerk gesteckt wurden.

Volle Stadien, keine Stimmung

Laut Berichten westlicher Zuschauer sind Länderspiele in Pjöngjang ein bizarres Erlebnis. So herrscht trotz 50.000 Personen im Stadion ein Geräuschpegel, der über ein Hintergrundraunen nicht hinausreicht. Es gibt keine Gesänge oder Schlachtrufe. Auch Fahnenschwenken oder Choreographien, wie man sie aus anderen Ländern kennt, sind den Nordkoreanern unbekannt. Bei einem Qualifikationsspiel für die Asienmeisterschaft gegen Australien war es im Stadion so leise, dass man den australischen Spielern und ihrem Trainer dabei zuhören konnte, wie sie sich gegenseitig Kommandos zuriefen. Diese wurde von einigen des Englisch mächtigen Koreanern prompt übersetzt und an den eigenen Trainer weiter gegeben, damit dieser seine Taktik anpassen konnte.

Nur einmal, nach einem 0:2 gegen den Iran zeigte das Publikum Emotionen, als es nach einer umstrittenen Schiedsrichterentscheidung die Fassung verlor und das Spielfeld stürmte. Die iranische Mannschaft musste mehrere Stunden in der Kabine ausharren, bis die Sicherheitskräfte die Situation wieder unter Kontrolle hatten.

Frauenfußball als Lichtblick

Zumindest was internationale Erfolge betrifft, spielt das Nationalteam der Frauen dort, wo es die politische Führung vorsieht. Das Frauenteam zählt zwar nicht zur absoluten Weltspitze, gehört aber bei jedem Turnier zum erweiterten Favoritenkreis. Doch auch die Töchter Nordkoreas bieten die eine oder andere Kuriosität. Als das Team bei der Frauenfußball-WM 2011 in Deutschland 0:2 gegen die USA verlor, führte dies der Trainer auf einen bemerkenswerten Umstand zurück. So habe ein Blitzeinschlag, der sich während der Vorbeireitungszeit auf das Turnier in der Heimat ereignet haben soll, die Spielerinnen körperlich und mental so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass sie nicht ihr volles Potential abrufen konnten. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Trainer sich und seinem Land nicht eingestehen wollte, dass der Erzfeind an diesem Tag schlicht und einfach besser war.

Johannes Heinrich, abseits.at

Johannes Heinrich

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