Dass es im Fußball nicht mehr auf die individuellen Qualitäten der einzelnen Akteure sondern das Zusammenspiel dieser ankommt ist kein Geheimnis. Schon in der... Pressing – das moderne taktische Werkzeug zur Dominanz ohne Ball

Dass es im Fußball nicht mehr auf die individuellen Qualitäten der einzelnen Akteure sondern das Zusammenspiel dieser ankommt ist kein Geheimnis. Schon in der Jugend lernt man, dass der Ball der Mitspieler mit der höchsten Ausdauer ist und man diesen laufen lassen soll anstatt sich selbst die Lunge aus dem Leib zu rennen. Gerade deswegen kommt es auch im Spiel gegen den Ball auf eine hohe Eingespieltheit an. Die modernste Technik den Ball wiederzuerlangen ist das Pressing, das eben jene Anforderung an die Mannschaft stellt. In diesem Artikel stellt abseits.at diese Abwehrtaktik vor und demonstriert sie anhand zweier Beispiele.

Pressing ist eine kollektive Spieltaktik (wird also von mehreren Spielern durchgeführt). Man braucht sie, wenn man sich nicht im Ballbesitz befindet“, definiert der italienische Fußballexperte Massimo Lucchesi das Pressing in seinem gleichnamigen Buch und sieht seinen Zweck darin, „den Spielern der gegnerischen Mannschaft, die den Ball besitzt, Spielraum und Spielzeit wegzunehmen, um den Plan des gegnerischen Angriffsmanövers zu stören und den Ball wieder in den Besitz der eigenen Mannschaft zu bringen.

Pressing ≠ Verschieben

Bevor auf die verschiedenen Arten des Pressings eingegangen wird, soll der Unterschied zwischen Pressing und Verschieben erläutert werden. Diese beiden Dinge werden gerne in einem Atemzug genannt und sind sich in einem hohen Maße auch ähnlich, dennoch besteht ein grundlegender Unterschied zwischen ihnen. Beide Techniken sind Anforderungen an die kollektiven Eigenschaften eines Teams, folgen den Prinzipien des Zonenfußballs und sollen es dem Spieler erlauben eine taktisch günstigere Position einzunehmen. Allerdings ist das Verschieben mehr eine passive Methode, während man beim Pressing aus einer aktiven Position heraus versucht den Gegner unter Druck zu setzen und die Entwicklung des gegnerischen Spiels zu stören – zum Beispiel mit Zweikämpfen. Ein Beispiel, das diesen Unterschied demonstriert war das DFB-Pokal-Duell des VfB Stuttgart gegen den FC Bayern München, als die Schwaben zwar viel liefen, es aber verabsäumten das Aufbauspiel der Münchner entscheidend zu behindern.

Die verschiedenen Arten des Pressings

Je nachdem in welchem Abschnitt des Spielfelds das Pressing angewandt wird, unterscheidet man zwischen Abwehr-, Mittelfeld- und Angriffspressing. Die Entscheidung welche Maßnahme eine Mannschaft anstrebt ist stark mit der Philosophie des Trainers und des Vereins verknüpft. Außenseiter bevorzugen zum Beispiel in erster Linie ein tiefes Mittelfeld- oder sogar Abwehrpressing, da sie nach dem Ballgewinn große Räume in der Hintermannschaft des Gegners orten, die qualitativ schwächeren Spieler zugutekommen sollen. Durch die hohe Spielerdichte im Bereich um den Strafraum ist daher ein aggressives und engagiertes Zweikampfverhalten der verteidigenden Spieler unerlässlich. Zudem werden Gegenspieler, die als besonders einflussreich gelten meist gedoppelt beziehungsweise manngedeckt. Weiters unterscheidet man zwischen Vorwärts- und Rückwärtspressing, das sich über die Position des Balls und des jeweiligen Spielers definiert. Beide Variationen werden vor allem beim sogenannten Gegenpressing praktiziert, wenn man den Ball verliert und ihn unverzüglich zurückgewinnen will.

Wann und wo wird gepresst?

Neben der obigen Frage in welchem Abschnitt das Pressing angewandt wird, was von der Spielphilosophie des Teams abghängt, gibt es noch weitere Faktoren, die das Einsatzgebiet bestimmen und für eine effiziente Anwendung wichtig sind. So ist es erfolgsversprechender wenn sich der ballbesitzende Gegenspieler auf der Außenbahn befindet als im Zentrum, da so eine Vielzahl an Abspielmöglichkeiten aufgrund der Spielfeldbegrenzung entfällt. Durch ballseitiges Verschieben kann der Druck zusätzlich erhöht werden. Weiters verspricht Pressing gegenüber technisch schwächeren Spielern und Spielern, die gerade einen schwer anzunehmenden Ball empfangen haben (hoch, schnell, etc.) sowie jenen, die das Leder in einer schwierigen Position erhalten (Unterzahl, schwache Rückendeckung, etc.) eine höhere Erfolgsquote.

Bespiel I: Borussia Dortmund

Wie sieht es nun aus wenn eine Mannschaft Pressing praktiziert? Um das zu demonstrieren werden zwei Teams als Beispiele herangezogen, die zu den besten Vertretern der Pressingtaktik zählen. Als erstes möchten wir uns das Verhalten von Borussia Dortmund ansehen. Seitdem Jürgen Klopp das Traineramt im Ruhrpott übernommen hat, wird ständig die hohe Laufleistung und das Verhalten im Spiel gegen den Ball positiv hervor gestrichen. Mit akribischer und schweißtreibender Arbeit wurden die Mechanismen perfektioniert und in den letzten zwei Jahren drei Titel eingefahren. Besonders das Gegenpressing hat es dem Meistercoach angetan. Dabei ist oft nicht mal entscheidend den Ball gleich im Zweikampf oder durch einen kurzen Abspielfehler zu bekommen, sondern oft zwingt man den Gegner dadurch zu blinden Befreiungsschlägen, die im Seitenaus oder den Füßen der Verteidiger landen. Hier ein Beispiel aus dem Spiel gegen den HSV.

Nachdem Kacar das Zuspiel empfängt orientieren sich prompt die vier Mittelfeldspieler sowie die beiden Angreifer zum Ball um den Raum zu verengen und potentielle Passwege zuzustellen.

Beispiel II: Athletic Bilbao

Als zweites Beispiel soll der spanische Klub Athletic Bilbao, der sich ebenfalls mit seiner laufintensiven Pressingstrategie in das Herz mancher Taktikfans gespielt hat, herhalten. Während der BVB versucht durch Raumverknappung dem Gegner das Leder abzuluchsen, wählt Marcelo Bielsa hingegen einen manndeckungsorientieren Pressingstil. Jedem Spieler ist also ein entsprechender Gegenspieler zugeordnet, der vor allem in Ballnähe angelaufen wird um diesen bereits bei der Annahme zu behindern. Diese 1:1-Zuteilung hat aber auch entscheidende Nachteile. Zum einen wird der Spielbereich bedeutend gestreckt und zum anderen reicht es oft einen Gegner zu überspielen und dadurch beachtlichen Raum zu bekommen. Außerdem nimmt bei einer deratig aggressiven Spielweise der Faktor „Fitness“ eine noch wichtigere Rolle ein. Zur Veranschaulichung des Spiels der Basken sei auf folgendes Video verwiesen.

Wissen die Spieler was sie tun?

Bei all diesen Bildern fragt man sich ob sich jeder einzelne Spieler überhaupt bewusst welche Mechanismen und Prozesse am Platz ablaufen. Die wichtigere Frage ist jedoch ob sie das überhaupt müssen. Solange jeder für sich seine Aufgaben erfüllt ist es aber ohnehin müßig sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Wichtig ist, dass den Spielern das richtige Verhalten ins Blut übergeht, sie instinktiv die richtigen Entscheidungen treffen. Dies ist in erster Linie eine Anforderung an die Trainer, vor allem im Nachwuchsbereich. Durch immer wieder kehrende Szenarien im Training entwickelt sich bei den Spielern ein gewisses Selbstverständnis, das im Profibereich noch weiter intensiviert wird. Bei Borussia Dortmund übernimmt die Schulung dieser Fähigkeiten zum Beispiel mitnichten Jürgen Klopp, sondern viel mehr sein Co-Trainer Zeljko Buvac, der sich immer wieder neue Trainingsformen- und Übungen einfallen lässt um Pressing- sowie Gegenpressingszenarien perfekt nachzustellen.

Pressing in Österreich

Selbstverständlich strebt man auch hierzulande nach den taktischen Idealen, die durch Topmannschaften vorgegeben werden, allerdings ist es noch ein langer Weg bis man auch von österreichischen Klubs perfekte Pressingabläufe beobachten wird können. An dieser Stelle sei aber auf den entsprechenden Artikel, der sich explizit mit diesem Nachholbedarf im österreichischen Fußball beschäftigt.

axl, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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