In der vergangenen Saison katapultierte sich Roger Schmidt als Trainer von Red Bull Salzburg ins nationale und internationale Rampenlicht. Europaweit wurde seine Salzburger Mannschaft... Roger Schmidt bei Bayer 04 Leverkusen: Ein Vergleich zu Salzburger Tagen

Roger Schmidt - Red Bull SalzburgIn der vergangenen Saison katapultierte sich Roger Schmidt als Trainer von Red Bull Salzburg ins nationale und internationale Rampenlicht. Europaweit wurde seine Salzburger Mannschaft als eines der modernsten Teams überhaupt bezeichnet, die „Pressingmaschine“ zeigte herausragende Leistungen in der Europa League und begeisterte mit ihrer intensiven und spektakulären Spielweise. Darum wurde auch Bayer Leverkusen auf ihn aufmerksam, doch viele zeigten sich kritisch, ob Schmidt die komplexe Spielweise der Bullen schnell und erfolgsstabil auf die Leverkusener ummünzen könnte. Nach der famosen ersten Halbzeit auswärts gegen den BVB und der schwächeren zweiten Spielhälfte konnte man schon einige Gemeinsamkeiten, aber auch ein paar Unterschiede feststellen.

Identische Intensität

Das Auffälligste war natürlich die Grundstimmung der Leverkusener in der ersten Spielhälfte; sie präsentierten sich ungeheuer intensiv und unterschieden sich hier keineswegs von den Bullen in ihrer besten Zeit unter Schmidt. Diese Intensität entsteht durch das aggressive Attackieren des Ballführenden, das konstant versuchte Doppeln und Tripeln sowie das extrem ballorientierte Verschieben. Diese Extremität des ballorientierten Verschiebens wird mit einer enormen horizontalen Kompaktheit gepaart, wodurch die Leverkusener ebenso wie Red Bull nahezu immer Überzahl in Ballnähe haben. Dies wiederum hat einen Rückkoppelungseffekt auf das Pressing, denn durch die Überzahl in Ballnähe kann man noch dynamischer, aggressiver und konstanter pressen. Jürgen Klopp sprach nach dem Spiel sogar davon, dass Leverkusen eigentlich „zu ballorientiert“ verteidige. Jedoch fiel auf, dass Leverkusen noch nicht ganz die Intensität so durchgehend wie Red Bull aufrechterhalten konnte.

Kraft- oder Rhythmusprobleme?

Zwar hat Roger Schmidt den Athletiktrainer Oliver Bartlett mit nach Leverkusen genommen – und mit 126 Kilometern einen respektablen Wert im ersten Spiel erzielt –, doch die Intensität fiel in der zweiten Halbzeit deutlich ab. Das Pressing war nicht mehr so extrem, nicht mehr so hoch und auch nicht mehr kollektiv. Die Abstände wurden etwas größer und die Bereitschaft auf den Ball zu verschieben geringer. Dadurch konnte der BVB den Ball erstmals sicher zirkulieren lassen, kam besser ins Spiel und hätte sich in der zweiten Halbzeit eigentlich den Sieg verdient. Doch die Frage lautet, ob es lediglich Kraftprobleme waren. Diese lassen sich immerhin mit der passenden Periodisierung, einem großen Kader, intelligenter Rotation und etwas Verletzungsglück in den Griff bekommen. Die Ursache liegt aber womöglich auch im taktischen Bereich.

Red Bull wirkte deutlich geschickter darin, den Gegner zu kontrollieren und im Aufbauspiel zu stören, ohne wirklichen Druck auszuüben. Gegen Ajax lieferten sie hierbei ein Paradebeispiel ab: Sie stellten die Innenverteidiger und Außenverteidiger nicht direkt zu, sondern hielten sich in der Nähe auf. Der Torwart spielte auf sie, dann wurde locker, aber sehr intelligent und kompakt angelaufen, woraufhin zum Torwart zurückgespielt wurde. Danach entfernten sich die Bullen-Spieler wieder joggend. Auch das Öffnen einzelner Räume für weitere Pässe wurde praktiziert. Dadurch konnte man sich ausruhen, ohne aber dem Gegner das zweite und letzte Spielfelddrittel zu überlassen. Leverkusen konnte dies gegen den BVB noch nicht zeigen. Dies wird aber im Laufe der Saison zu erwarten sein, prinzipiell verfolgen sie die gleiche grundsätzliche Strategie.

Die gleiche Strategie

Auch wenn es ein paar taktische Unterschiede geben mag, so ist die Basis gleich geblieben: Möglichst hohes Pressing, welches einzig den gegnerischen Torwart ausspart (um keine Räume für zweite Bälle zu öffnen), extreme Ballorientierung, Überladen in eigenem und gegnerischem Ballbesitz sowie die Kontrolle der Mitte. Insbesondere das Offensivspiel zeigte sich ähnlich; wie schon bei Red Bull rückten die nominellen Flügelstürmer extrem weit in die Mitte ein, hielten eigentlich nie die Breite und wurden hierbei von den Außenverteidigern unterstützt. Die beiden zentralen Stürmer waren eher ausweichende Akteure, dienten als Ablagestationen und als Zielspieler bei langen Bällen. Diese vier Offensivspieler stellten wiederum eine enorme Enge her, um möglichst schnell mit Direktspiel den Gegner zu nominell zu übertrumpfen und in die Spitze vorzustoßen. Die Sechser und die Innenverteidiger wiederum agierten zurückhaltender und sicherten dies ab. Dennoch gibt es ein paar taktische Unterschiede.

Veränderte Offensivmechanismen

Bei Red Bull war das Offensivspiel etwas symmetrischer und harmonischer; sowohl Kampl als auch Mané spielten tororientiert und spielgestaltend, während Alan und Soriano ebenfalls möglichst identisch agierten – ausweichend, zentrumsbesetzend und ablageorientiert. Bei Leverkusen sind Son und Bellarabi weniger spielmachend, obwohl sie beide tororientierte, technisch starke Dribbler sind. Der größte Unterschied findet sich aber in den Staffelungen und Aufgaben der beiden zentralen Akteure.

Stefan Kießling ist noch viel mehr ein klassischer Mittelstürmer und Zielspieler als Soriano oder Alan, desweiteren besitzt er technisch keine außerordentlichen Fähigkeiten, weswegen er ausweichend und luftzweikampforientiert agiert. Sein Partner Hakan Calhanoglu hingegen ist eigentlich ein Zehner, der in Schmidts System auch als Flügelstürmer agieren kann. Er ist somit deutlich zentrum- und abschlussorientierter aus der Distanz als Soriano, Alan oder auch Kießling. Er beteiligt sich stärker am Kombinationsspiel in den tieferen Zonen und ermöglicht auch andere Arten der Überzahlbildung. Gegen den Ball gibt es ähnliche feine Unterschiede.

Eine andere Struktur im 4-2-2-2-Pressing

Meistens spielte Red Bull gegen den Ball in einem 4-2-4/4-2-2-2, in dem die beiden Stürmer sich relativ eindeutig an den Innenverteidigern orientierten, die Flügelstürmer hingegen schoben ballnah über die Außenverteidiger auf die Innenverteidiger und pressten. Der ballferne Flügelstürmer rückte weit in die Mitte ein. Balanciert wurde dies von dem herausrückenden ballnahen Außenverteidiger und einem sehr guten Unterstützen der beiden Sechser. Bei Leverkusen hingegen spielten die vier Offensiven zurückhaltender, nicht ganz so früh und vorschnell herausrückend, wodurch sie quasi ein 4-2-2-2-0 herstellten.

Die beiden Außenstürmer spielten nicht auf einer Höhe mit den Flügelstürmern, sondern leicht versetzt hinter ihnen, gleichzeitig aber mittiger als noch bei Red Bull. Dadurch wurde der BVB auf die Seite geleitet, dann aggressiv gepresst und der Weg in die Mitte versperrt. Zusätzlich gab es durch diese Enge, die die vier offensiven Spieler herstellten, eine enorme Variabilität im Pressing; teilweise gingen die Flügelstürmer statt den Mittelstürmern nach vorne auf die Innenverteidiger, die Mittelstürmer versperrten den Dortmunder Sechserraum und die Flügelstürmer konnten auch auf die Halbspieler der schwarzgelben Raute rückwärtspressen. Dies stellt aber auch die Frage, ob diese Spielweise aus der Partie gegen den BVB wirklich die Zukunft Bayer Leverkusens zeigt.

Es ist durchaus möglich, dass diese Spielweise eine Anpassung an den BVB war – und sogar die Rhythmus- bzw. Kraftprobleme könnten daran liegen. Die künftigen Spiele werden zeigen, ob sich Schmidt leicht angepasst hat oder die Blaupause aus Salzburger Tagen durchdrücken möchte. So oder so: Es wird spektakulär.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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