Im ersten Teil wurde die Situation der niederländischen Nationalmannschaft nach dem zweiten Weltkrieg, beziehungsweise die Ausgangslage und Entwicklung von Ajax Amsterdam vom ersten Weltkrieg... Totaalvoetbal (2/5) – Die Ära Michels

Ajax AmsterdamIm ersten Teil wurde die Situation der niederländischen Nationalmannschaft nach dem zweiten Weltkrieg, beziehungsweise die Ausgangslage und Entwicklung von Ajax Amsterdam vom ersten Weltkrieg bis in die 1960er-Jahre  unter die Lupe genommen. Im zweiten Teil werfen wir nun einen Blick auf die Entwicklung der Spielweise unter der Führung von Rinus Michels, die ersten großen Erfolge von Ajax und die endgültige Wegbereitung für den totalen Fußball.

Nachdem Vic Buckingham Ajax Amsterdam 1965 in die Abstiegsplätze geführt hatte und somit bei weitem nicht mehr an die Erfolge seiner ersten Amtszeit beim Verein anknüpfen konnte, wurde er nach nur einem Jahr wieder gefeuert. Sein Nachfolger war ein Ajax-Urgestein: Rinus Michels.

Von 1946 bis 1958 spielte Michels insgesamt 264 Partien für Ajax, erzielte dabei 122 Treffer und spielte auch fünf Mal im Dress der niederländischen Nationalmannschaft, ein Torerfolg war ihm dort allerdings nicht vergönnt. Nachdem Michels seine erfolgreiche Spielerkarriere 1958 beendete, wandte er sich dem Studium der Sportwissenschaft zu. Von 1960 bis 1964 coachte Michels den Amateurverein JOS Amsterdam, von 1964 bis 1965 war er bei AFC Amsterdam tätig, ehe er 1965 vom Ajax-Vorstand nach dem Rauswurf Buckingham´s zum Cheftrainer bestellt wurde.

War Michels als Spieler eher das, worunter man einen Freigeist versteht, ein Spieler, der mit Leichtigkeit und Spielwitz zum Erfolg kam, so hatte der Trainer Michels damit nichts mehr gemein. Disziplin wurde von Michels enorm groß geschrieben und direkt nach Übernahme des Trainerpostens war dieses Attribut auch unbedingt erforderlich, befand sich die Mannschaft ja sportlich in starker Talfahrt.

Sportliche Konsolidierung und Systemumstellung

Unter Michels konnte die sportliche Lage stabilisiert werden, Ajax wurde unter seiner Leitung recht bald aus den Abstiegsplätzen geführt und somit konnte sich Michels nun mit der Weiterentwicklung seiner Mannschaft beschäftigen. Bemerkenswert ist, dass Michels auch nach dem gesicherten Klassenerhalt noch keine konkrete Vorstellung über die Weiterentwicklung der Spielweise hatte.

Hauptaugenmerk legte er allerdings von Beginn an auf Taktik und Teamgeist. Im Training wurde auch großer Wert auf die Arbeit mit dem Ball gelegt, was natürlich fast zwangsläufig eine rasche Erhöhung der technischen Fertigkeiten seiner Mannschaft zur Folge hatte. Gegen Ende der zweiten Saison konnte Michels seiner Arbeit noch einen wichtigen Baustein hinzufügen: Jeder Spieler seiner Mannschaft war nun Vollprofi.

Schließlich entschied sich Michels auch zu einer Änderung des Systems und öffnete damit dem totalen Fußball endgültig Tür und Tor. War Ajax unter Buckingham das WM-System vor ein paar Jahren noch förmlich aufgezwungen worden, um den längst fälligen taktischen Umbruch in die Wege zu leiten, so änderte Michels das System ein paar Jahre später erneut: Er stellte auf ein 4-2-4 um und auch ein gewisser Johan Cruyff war zu diesem Zeitpunkt schon Teil der Mannschaft.

Die Ajax-Mannschaft verfügte ab diesem Zeitpunkt also über eine zunehmend gute Technik, wurde immer besser aufeinander eingespielt, eine offensive Aufstellung und einen – wie sich noch herausstellen sollte – absoluten Ausnahmekönner in Form von Johan Cruyff. Der totale Fußball manifestierte sich im Spiel der Niederländer noch nicht richtig, die Rahmenbedingungen waren allerdings geschaffen.

Der erste große Auftritt auf internationaler Bühne

1966 konnte Ajax auf europäischem Spitzenniveau erstmals richtig aufzeigen. In der 2. Runde des Landesmeisterpokals traf Ajax auf Liverpool FC. Die Niederländer spielten im damaligen Heimstadion De Meer eine großartige Partie und deklassierten Liverpool geradezu – Endergebnis 5:1.

Der Trainer der Engländer, Bill Shankly, reagierte verärgert und gekränkt und kündigte an, man werde „daheim eben 7:0 gewinnen“. Diese Aussage war insofern interessant, als dass aus Shankly nicht nur die Kränkung über diese Niederlage sprach. Die Aussage war auch bezeichnend dafür, wie wenig der niederländische Fußball damals noch ernstgenommen wurde und war gleichzeitig ein Verweis darauf, dass der hohe Sieg von Ajax scheinbar lediglich durch Glück „passierte“. Das Rückspiel sprach jedoch eine deutliche Sprache: Johan Cruyff erzielte zwei Treffer und die Partie endete 2:2-Unentschieden, ein ebenfalls äußerst respektables Ergebnis. Ajax hatte sich somit seine ersten Sporen auf internationalem Parkett verdient.

Im Viertelfinale wartete die Mannschaft von Dukla Prag auf Michels´ Mannen. Einer schwachen Vorstellung zuhause (1:1) folgte ein katastrophaler Auftritt in der Tschechoslowakei. Ajax verlor auswärts mit 2:1 und war somit ausgeschieden. Schnell waren für Michels die Hauptschuldigen des Ausscheidens ausgemacht und nun kam seine „eiserne“ Seite zum Vorschein: Tonny Pronk, seines Zeichens bis dahin Verteidiger bei Ajax, wurde von Michels ab nun dauerhaft ins Mittelfeld vorgezogen, da er gegen die Tschechoslowaken einen Elfmeter verschuldete. Kapitän und Vorstopper Frits Soetekouw traf es wegen eines Eigentors sogar noch härter. Er wurde zu Saisonende an Eindhoven verkauft.

Trotz der offensiven Spielweise, die Ajax an den Tag legte, war Michels kein Trainer, der gerne Hopp oder Tropp spielen ließ. Er baute seine Mannschaft immer von hinten auf und setzte stets auf eine gefestigte und geordnete Defensive.

Nationale Dominanz und Europacupfinale

Mittlerweile wurde die Dominanz der Amsterdamer in den Niederlanden immer deutlicher. Von 1966 bis 1970 konnte der Verein 4x den Meistertitel einfahren und auch international konnte man 1969 ein weiteres Glanzlicht setzen. Im Landesmeisterpokal traf man im Viertelfinale auf Benfica Lissabon, einen damals beinahe übermächtigen Gegner. Das Hinspiel im De Meer endete sozusagen erwartungsgemäß und Ajax verlor 1:3. Das Rückspiel konnte Ajax auswärts allerdings sensationell mit 3:1 für sich entscheiden und nach damaligem Regulativ musste ein Entscheidungsspiel ausgetragen werden.

Dieses fand in Paris statt und begleitet von 40 000 niederländischen Fans schlug Ajax Benfica deutlich mit 3:0. Ajax stieß bis ins Finale vor, wo der AC Milan wartete. Die Italiener gingen früh in Führung und es gab an diesem Abend generell nicht viel zu holen: Milan fuhr einen ungefährdeten 4:1-Sieg ein und Ajax musste zur Kenntnis nehmen, von der vielleicht besseren, mit Sicherheit aber reiferen Mannschaft, besiegt worden zu sein.

Die Niederländer hatten sich aber spätestens mit dem Finaleinzug einen Namen in ganz Europa gemacht. Doch der totale Fußball entstand erst durch zwei weitere Entwicklungsschritte, die nun unmittelbar bevor standen und den Verein in seine glorreichsten Zeiten führen sollte.

JK, www.abseits.at

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