„Die Saison ist gestorben, ich frage mich ob der schwedische Fußball einen weiteren Spielabbruch überlebt“ sprach Pelle Blohm, Fußballexperte beim schwedischen Sender Canal+, am... Eine Serie von Spielabbrüchen schockt den schwedischen Fußball

„Die Saison ist gestorben, ich frage mich ob der schwedische Fußball einen weiteren Spielabbruch überlebt“ sprach Pelle Blohm, Fußballexperte beim schwedischen Sender Canal+, am 30. Juli dieses Jahres konsterniert in sein Mikrofon. Was war geschehen? Zum dritten Mal musste in der laufenden Saison ein Spiel der Allsvenskan, der höchsten schwedischen Spielklasse, aufgrund von Fanausschreitungen abgebrochen werden, zweimal davon bei Heimspielen von Meister Malmö.

5. Spieltag: Syrianska – AIK Solna

Den Auftakt zu dieser unrühmlichen Serie machte am 25. April die Partie zwischen Aufsteiger Syrianska und dem fünfmaligen Meister AIK Solna vor 5.600 Zuschauern in der Södertälje Fotbollsarena. Nachdem Dinko Felic die Gastgeber in der 19. Minute in Führung gebracht hatte und Teteh Bangura, der mittlerweile in der Türkei bei Bursaspor unter Vertrag steht, seitens AIK unmittelbar danach aufgrund eines Tritts gegen den gegnerischen Torhüter ausgeschlossen worden war, eskalierte die Situation. Es folgte aus beiden Fanblöcken ein Hagel von zahlreichen Gegenständen auf das Spielfeld, darunter auch Knallkörper aus dem AIK-Sektor, die Schiedsrichterassistent Daniel Wärnmark am Kopf trafen und ihm, wie der Spielbeobachter des Verbands gegenüber Medienvertretern erklärte, einen Tinnitus zufügten, so dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Schiedsrichter Martin Strömbergsson unterbrach daraufhin die Partie für 40 Minuten und entschied danach, das Spiel gänzlich abzubrechen, da die Sicherheit nicht mehr gewährleistet war und der Schiedsrichterassistent unter Schmerzen litt und ärztliche Behandlung benötigte.

Nach Untersuchungen des schwedischen Fußballverbandes wurde das Spiel mit 3:0 für Syrianska strafverifiziert und AIK mit einer Geldstrafe von 150.000 Kronen (ca. 16.000 Euro) belegt. Kurz nach der Bekanntgabe des Urteils teilte AIK mit, Berufung einzulegen; diese wurde vom Protestkomitee jedoch zurückgewiesen und der erstinstanzlich verhängte Strafrahmen blieb aufrecht. Die Argumentation der Verantwortlichen von AIK beruhte darauf, dass die pyrotechnischen Gegenstände nicht von den Gästefans geworfen worden waren, was jedoch nicht ausreichend bewiesen werden konnte, da laut Augenzeugenberichten die Tumulte seitens der AIK-Anhänger ausgegangen waren. Trotz der zweitinstanzlichen Niederlage kündigte AIK an, vor das Nationale Sportkomitee (Riksidrottsnämnden) zu ziehen – das Urteil steht noch aus.

10. Spieltag: Malmö – Helsingborg

Der nächste Vorfall ereignete sich nur einen Monat später beim Spitzenspiel zwischen Meister Malmö und Tabellenführer Helsingborg im Skåne Derby. 23.600 Zuschauer im Swedbank Stadion sahen, wie Rachid Bouaouzan die Gäste in der 30. Minute in Führung schoss. Unmittelbar danach explodierte neben Helsingborgs Torhüter Pär Hansson ein Feuerwerkskörper, was ihn in die Knie zwang. Als wäre dies nicht genug gewesen, stürmte auch noch ein Malmö-Anhänger auf das Spielfeld und attackierte den am Boden liegenden Spieler, welcher jedoch von Sicherheitskräften und Mitspielern geschützt werden konnte. TV-Experte Jens Fjellström bezeichnete die Aktion als eine der dümmsten Szenen, die er seit dem Skandal von 2007 gesehen hatte, als im EM-Qualifikationsspiel zwischen Dänemark und Schweden in Kopenhagen ein dänischer Anhänger auf das Spielfeld gelaufen war und den Schiedsrichter attackiert hatte.

Nachdem Schiedsrichter Stefan Johannesson das Spiel für 20 Minuten unterbrochen hatte, entschied man, die Partie gänzlich abzubrechen. Seitens der Polizei konnte ein achtzehnjähriger, bereits amtsbekannter Malmö-Fan als jener Mann identifiziert werden, der Hansson attackiert haben soll. Zudem sei er bereits vor dem Spiel in eine Schlägerei verwickelt gewesen, die die Polizei aufgelöst hatte. Der Torhüter erlitt aufgrund des neben ihm explodierten Knallkörpers einen kurzzeitigen Gehörsturz, trug jedoch glücklicherweise keine bleibenden Schäden davon und konnte bereits wenige Tage später im Cupspiel gegen Trelleborg wieder auf dem Spielfeld stehen.
Das Spiel wurde mit 3:0 für Helsingborg gewertet und Malmö zudem eine Geldstrafe von 150.000 Kronen (16.240 Euro) auferlegt, weiters muss der Verein dafür sorgen, dass vor den Stehplätzen im Swedbank Stadion ein Sicherheitsnetz installiert wird, das die Spieler vor Wurfgegenständen schützen soll. Da auch seitens der Gäste bengalische Feuer gezündet und Gegenstände auf das Spielfeld geworfen worden waren, wurde auch Helsingborg zu einer Geldstrafe von 25.000 Kronen (2.700 Euro) verurteilt.

19. Spieltag: Malmö – Djurgården

Am 30. Juli kam es im Swedbank Stadion zu Malmö zum zweiten Spielabbruch der laufenden Saison. Nachdem die Gastgeber bereits kurz nach Spielbeginn durch Dardan Rexhepi in Front gegangen waren, blieb Schiedsrichter Martin Hansson keine andere Wahl, als das Spiel wegen zahlreicher pyrotechnischer Gegenstände, die sowohl auf das Spielfeld als auch auf die Tribünen geworfen worden waren, nach elf Minuten abzubrechen. In einer Stellungsnahme erklärte er, dass aufgrund der zahlreichen lauten Detonationen die Sicherheit nicht mehr gewährleistet gewesen sei. Medienberichten zufolge besteht Unklarheit darüber, von welcher Fanseite die Unruhen ausgegangen waren, Fernsehbilder identifizierten einen Malmö-Supporter als Anführer jener Gruppe, die die Knallkörper auf das Spielfeld geworfen haben soll, die Polizei spricht hingegen davon, dass auch aus dem Djurgården-Sektor Geschoße gekommen sein sollen.

Das Urteil des schwedischen Verbands steht noch aus, grundsätzlich bieten sich drei Optionen an: Entweder wird das Spiel zugunsten einer der beiden Mannschaften strafverifiziert; hier ist entscheidend, welche Seite für die Ausschreitungen verantwortlich zeichnet, wobei in diesem Falle Malmö vermeintlich die schlechteren Karten hat, da man für die Sicherheit im Heimstadion zuständig ist. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Neuaustragung der Partie. Sollte Malmö für schuldig befunden werden, droht dem Meister die zweite Saisonniederlage am grünen Tisch. Weiters sieht sich der Verein mit Regressforderungen wütender Zuschauer konfrontiert, die ihr Eintrittsgeld aufgrund nur elf gespielter Minuten zurückfordern.
Zumindest gab es wenige Tage später ein Erfolgserlebnis zu feiern, in der Champions League Qualifikation konnten die Glasgow Rangers ausgeschaltet werden, was Malmö als ersten schwedischen Verein mindestens den Einzug in die Gruppenphase der Europa League sicherte.

Wie geht es nun weiter in Schweden? Als erste Reaktion erteilte der Verband an Schiedsrichter die Anweisung, beim Einsatz von Pyrotechnik auf den Tribünen das Spiel sofort zu unterbrechen. Dardan Rexhepi, Torschütze beim zweiten Abbruchspiel zu Malmö, findet gegenüber dem Expressen klare Worte: „Es ist ein Alptraum für alle, ich denke hier jedoch in erster Linie an die Kinder und ihre Eltern. Falls es nötig ist, würde ich auch einen Spielerstreik unterstützen, denn wer will bei solchen Zuständen noch ins Stadion gehen?“. Und auch Pelle Blohm ist sich sicher: „Vor leeren Rängen zu spielen ist keine Option, damit verlagern wir das Problem nur außerhalb der Stadien“.

OoK_PS, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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