Gelobt, gepriesen, bewundert – Nikon Jevtic wurde schon vor Jahren von vielen Experten eine große Zukunft prophezeit. England, Spanien, Italien, Deutschland – praktisch die... Ein hoffnungsvolles Sternchen verglüht – Nikon El Maestro von Wiener Neustadt vor die Tür gesetzt!

Gelobt, gepriesen, bewundert – Nikon Jevtic wurde schon vor Jahren von vielen Experten eine große Zukunft prophezeit. England, Spanien, Italien, Deutschland – praktisch die gesamte Fußballwelt Europas würde dem jungen Mann früher oder später offen stehen. Jetzt, Jahre später, sieht die Realität leider etwas anders aus. Eine Spurensuche.

Im Juni 1993 erblickt ein kleiner Knirps in London das Licht der Welt: Nikon Jevtic. Es herrscht Bürgerkrieg im zerstrittenen Serbien, und Nikons Familie entschließt sich, den Weg in ein sichereres Land zu beschreiten. Die Wahl fällt auf Großbritannien, wo Jevtic auf die Welt kommt und in den folgenden Jahren aufwächst. Bereits in frühen Kindertagen bleibt Nestor, Nikons älterem Bruder, das große Talent nicht verborgen. Was Nestor, ebenfalls ein extrem begabter Fußballer, bei Roter Stern Belgrad nicht gelang, soll nun dem kleineren Bruder vergönnt sein: eine große internationale Karriere. Während eines Probetrainings bei Arsenal gaberlt er den Ball 1000 Mal und verblüfft alle Nachwuchscoaches. Trotzdem führt der Weg nach Wien-Favoriten, wo der Wunderknabe und sein Individualtrainer mit offenen Armen empfangen werden. „El Maestro“ zieht mit seiner Familie nach Wien, da sein Vater, ein erfolgreicher Immobilienmakler, aus beruflichen Gründen den Umzug vollziehen muss. Mit zehn Jahren spielt Nikon bereits Mitspieler aus, die vier Jahre älter sind als er. Jevtic wird als 10-Jähriger bereits in der U-14 eingesetzt und brilliert dort regelmäßig als Spielmacher und Torschütze. Vermutlich beginnt bereits hier der Untergang der prognostizierten großen Karriere. Der schulischen Ausbildung von Jevtic wird in der Jugendakademie der Austria schon lange keine große Beachtung mehr geschenkt. Trainiert wird zwei Mal am Tag – einmal mit der Mannschaft, einmal alleine mit dem großen Bruder und Individualtrainer Nestor.

Unermessliches Selbstvertrauen

Schon damals wird dem „Maestro“ bereits eingeredet, er sei der Größte. Jevtic eifert seinem Vorbild Ronaldo nach und will eines Tages wie sein großes Vorbild den Weltmeisterpokal in die Höhe stemmen. Dafür wird immer mehr und immer härter trainiert – allerdings auch immer öfter alleine. Während sich beim Rest der Mannschaft Neid und Missgunst gegen den damals 1,50 Meter kleinen Nikon aufbaut, wächst dessen Selbstvertrauen ins Unermessliche.

Nikon als Druckmittel?

Was folgt, sind Wechsel im Zwei-Jahres-Takt. Im Juli 2004 wechselt der damals elfjährige Nikon von der Austria aus Wien zum FC Valencia. Die wenigen Freunde, die er in seiner Wiener Zeit gefunden hatte, muss er zurück lassen. Nach der serbischen, der englischen und der deutschen folgt nun die vierte Sprache, die er erlernen muss. Neben dem FC Valencia bemühen sich zu dieser Zeit auch Real Madrid und der FC Barcelona um die Gunst der Jevtics. Doch Valencia erklärt sich als einziger Interessent dazu bereit, Nikon ins Jugendteam und Nestor ins Trainerteam der Profis aufzunehmen. So bekommt der ältere Bruder einen Job als Technik-Trainer, während der jüngere die Nachwuchsmannschaften von einem Sieg zum nächsten führen soll. Im Nachhinein sollte man sich die Frage stellen, ob es klug war, die Vereinsauswahl für Nikon davon abhängig zu machen, ob der jeweilige Verein auch Verwendung für Nestor hatte. So bleibt der schale Beigeschmack, Nikon wäre für die Trainerkarriere seines Bruders zum Instrument und Druckmittel geworden.

Aggressive Presse in Gelsenkirchen

Richtig glücklich wird der Knirps in Valencia nie – also wird die Odyssee fortgesetzt. Das nächste Ziel heißt Gelsenkirchen. Vielleicht hätte sich die Familie Jevtic im Vorfeld dieses Wechsels besser über die Bedingungen bei Schalke 04 informieren sollen. Beim Abgang aus Valencia geben die Brüder an, sie würden Valencia verlassen, weil sie sich nicht mehr täglich vor der aggressiven Presse und so vor der ganzen Welt präsentieren lassen müssen. Das ändert sich bei Schalke aber nur minimal. Nach dem Wechsel nach Deutschland erklärt Nestor, man habe sich für den Namen „El Maestro“ (beide Brüder tragen diesen Namen) entschieden, damit man für die Presse nicht so einfach zu finden sei. Warum sich die beiden ausgerechnet für einen Namen, der frei übersetzt „Meister“ oder „Lehrer“ bedeutet, entschieden, wurde nicht diskutiert.

Happy End wird unwahrscheinlicher

Nach zwei weiteren Jahren in Gelsenkirchen folgt die Heimkehr nach Wien. Nikon ist mittlerweile 15 Jahre alt. In der Saison 2010/11 schießt er in 20 Spielen in der U-18-Jugendliga der Akademieteams 14 Tore. Eine echte Chance gibt man ihm aber weder bei den Amateuren der Austria, noch in der Kampfmannschaft. Jevtic wechselt im Sommer 2011 zu Wiener Neustadt, wo er endlich seine ersten Bundesligaminuten absolvieren soll. Doch auch dazu kommt es nicht. Nach der Veröffentlichung eines Rap-Videos, in dem Nikon Jevtic, der sich selbst „El Maestro“ nennt, unzählige rassistische Bemerkungen und Beschimpfungen gegen eine Journalistin, die sich zuvor abfällig über das serbische Volk geäußert hatte, in die Kamera spricht, entlässt der SC Wiener Neustadt den 18-jährigen Doppelstaatsbürger. Ähnlich wie acht Jahre zuvor ist Jevtic in fast allen europäischen Ländern in den Nachrichten – der Anlass hat sich seither aber leider geändert. Die vorläufig letzte Episode einer Geschichte, die so schön begann – aber wohl ohne happy end bleiben wird.

Archimedes, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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